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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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ehruug genoß Tangaloa, der Schöpfer der Welt und der Menschen. Ueber den
Schöpfungsakt gab es einen merkwürdigen Mythus. Tangaloa, der große Gott
der im Himmel wohnt, schickte den Vogel Tuti, eine Art Schnepfe, seine Tochter,
herab, um zu sehen, wie es unten zugeht. Sie brachte die Nachricht, daß sie,
nichts als das Meer gefunden habe. Hierauf rollte Tangaloa einen Stein
vom Himmel herab, der Scwaii bildete, einen andern, aus welchem Upolu ent¬
stand, und fo fort, bis sich endlich die ganze Inselgruppe aus dem Meere erhob.
Dies genügte jedoch dem Vogel Tuti nicht, er flog wiederum hinauf zum Vater,
ihn zu bitten, daß er den neugebildeten Ländern auch Bewohner gebe. Hierauf
befahl Tangaloa, den wilden tus-of-Strauch zu pflanzen, ihn später auszu-
reißen und auf einen Haufen zu werfen, woraus die Würmer entstanden. Diesen
wurden später durch Tuti Geister einverleibt, so daß sie sich zu Mann und
Weib herausbildeten. Eigenthümlich war der Glaube, daß jede Gottheit sich
einen bestimmten Gegenstand, z. B. ein Geräth, einen Stein, eine Pflanze, zum
Aufenthalt wähle, und daß diesem seu, des Gottes, nicht dem Gotte selbst
Verehrung gewidmet werden müsse. Eine besondere Priesterkaste scheint es
nicht gegeben zu haben, sondern zum Familiengotte betete der Familien¬
vater, zum Dorfgotte der Dorfhäuptling u. f. w., so daß der sumums
MQosxs auch der suwiuus sxiseoxus war, ohne daß er sich jedoch einer be¬
sonderen Jnfallibilitüt in Auslegung von Glaubenssätzen hätte rühmen dürfen.
Die Verehrung selbst bestand in Gebeten und Anrufungen nach bestimmten
Formeln und in Opferhandlungen, mit denen in der Regel Mahlzeiten ver¬
bunden waren. Auf die Gestaltung des bürgerlichen Lebens übte die Religion
durch die Tabusatzung bedeutenden Einfluß. Alles was t,s,vu, d. h. der Gottheit
oder einem Häuptling heilig war, durste bei harter Strafe nicht berührt werden.
Erwähnenswert!) ist noch der Glaube, daß die Abgeschiedenen, deren Seelen
für unsterblich galten, durch ein Loch auf dem Westende von Savaii in die
Unterwelt gelangen, in der sie ein dem irdischen entsprechendes Leben führen und
die sie Nachts verlassen. Die Vornehmen besitzen eine besondere Unterwelt,
eine Art Walhalla, in der sie ihre Ewigkeit unter der Oberleitung eines Gottes
Vergnügungen widmen. Während man die Todten gewöhnlichen Schlages
unmittelbar nach dem Tode begrub, wurden die abgeschiedenen Häuptlinge je
nach ihrem Range mehrere Tage lang bis zu einem Monate ausgestellt und
erst dann prunkvoll beigesetzt. Allen Gestorbenen aber wurde eine lebhafte
Todtenklage nachgerufen.

Die ursprünglichen staatlichen Einrichtungen sind ganz eigenartig und legen
ebenfalls Zeugniß von den natürlichen Anlagen des Volkes ab. Nach Turner
zerfielen die sämmtlichen Inseln in zehn Distrikte, die möglicherweise in früher
Vorzeit eine größere Selbständigkeit behaupteten als damals, wo der genannte


ehruug genoß Tangaloa, der Schöpfer der Welt und der Menschen. Ueber den
Schöpfungsakt gab es einen merkwürdigen Mythus. Tangaloa, der große Gott
der im Himmel wohnt, schickte den Vogel Tuti, eine Art Schnepfe, seine Tochter,
herab, um zu sehen, wie es unten zugeht. Sie brachte die Nachricht, daß sie,
nichts als das Meer gefunden habe. Hierauf rollte Tangaloa einen Stein
vom Himmel herab, der Scwaii bildete, einen andern, aus welchem Upolu ent¬
stand, und fo fort, bis sich endlich die ganze Inselgruppe aus dem Meere erhob.
Dies genügte jedoch dem Vogel Tuti nicht, er flog wiederum hinauf zum Vater,
ihn zu bitten, daß er den neugebildeten Ländern auch Bewohner gebe. Hierauf
befahl Tangaloa, den wilden tus-of-Strauch zu pflanzen, ihn später auszu-
reißen und auf einen Haufen zu werfen, woraus die Würmer entstanden. Diesen
wurden später durch Tuti Geister einverleibt, so daß sie sich zu Mann und
Weib herausbildeten. Eigenthümlich war der Glaube, daß jede Gottheit sich
einen bestimmten Gegenstand, z. B. ein Geräth, einen Stein, eine Pflanze, zum
Aufenthalt wähle, und daß diesem seu, des Gottes, nicht dem Gotte selbst
Verehrung gewidmet werden müsse. Eine besondere Priesterkaste scheint es
nicht gegeben zu haben, sondern zum Familiengotte betete der Familien¬
vater, zum Dorfgotte der Dorfhäuptling u. f. w., so daß der sumums
MQosxs auch der suwiuus sxiseoxus war, ohne daß er sich jedoch einer be¬
sonderen Jnfallibilitüt in Auslegung von Glaubenssätzen hätte rühmen dürfen.
Die Verehrung selbst bestand in Gebeten und Anrufungen nach bestimmten
Formeln und in Opferhandlungen, mit denen in der Regel Mahlzeiten ver¬
bunden waren. Auf die Gestaltung des bürgerlichen Lebens übte die Religion
durch die Tabusatzung bedeutenden Einfluß. Alles was t,s,vu, d. h. der Gottheit
oder einem Häuptling heilig war, durste bei harter Strafe nicht berührt werden.
Erwähnenswert!) ist noch der Glaube, daß die Abgeschiedenen, deren Seelen
für unsterblich galten, durch ein Loch auf dem Westende von Savaii in die
Unterwelt gelangen, in der sie ein dem irdischen entsprechendes Leben führen und
die sie Nachts verlassen. Die Vornehmen besitzen eine besondere Unterwelt,
eine Art Walhalla, in der sie ihre Ewigkeit unter der Oberleitung eines Gottes
Vergnügungen widmen. Während man die Todten gewöhnlichen Schlages
unmittelbar nach dem Tode begrub, wurden die abgeschiedenen Häuptlinge je
nach ihrem Range mehrere Tage lang bis zu einem Monate ausgestellt und
erst dann prunkvoll beigesetzt. Allen Gestorbenen aber wurde eine lebhafte
Todtenklage nachgerufen.

Die ursprünglichen staatlichen Einrichtungen sind ganz eigenartig und legen
ebenfalls Zeugniß von den natürlichen Anlagen des Volkes ab. Nach Turner
zerfielen die sämmtlichen Inseln in zehn Distrikte, die möglicherweise in früher
Vorzeit eine größere Selbständigkeit behaupteten als damals, wo der genannte


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[0241] ehruug genoß Tangaloa, der Schöpfer der Welt und der Menschen. Ueber den Schöpfungsakt gab es einen merkwürdigen Mythus. Tangaloa, der große Gott der im Himmel wohnt, schickte den Vogel Tuti, eine Art Schnepfe, seine Tochter, herab, um zu sehen, wie es unten zugeht. Sie brachte die Nachricht, daß sie, nichts als das Meer gefunden habe. Hierauf rollte Tangaloa einen Stein vom Himmel herab, der Scwaii bildete, einen andern, aus welchem Upolu ent¬ stand, und fo fort, bis sich endlich die ganze Inselgruppe aus dem Meere erhob. Dies genügte jedoch dem Vogel Tuti nicht, er flog wiederum hinauf zum Vater, ihn zu bitten, daß er den neugebildeten Ländern auch Bewohner gebe. Hierauf befahl Tangaloa, den wilden tus-of-Strauch zu pflanzen, ihn später auszu- reißen und auf einen Haufen zu werfen, woraus die Würmer entstanden. Diesen wurden später durch Tuti Geister einverleibt, so daß sie sich zu Mann und Weib herausbildeten. Eigenthümlich war der Glaube, daß jede Gottheit sich einen bestimmten Gegenstand, z. B. ein Geräth, einen Stein, eine Pflanze, zum Aufenthalt wähle, und daß diesem seu, des Gottes, nicht dem Gotte selbst Verehrung gewidmet werden müsse. Eine besondere Priesterkaste scheint es nicht gegeben zu haben, sondern zum Familiengotte betete der Familien¬ vater, zum Dorfgotte der Dorfhäuptling u. f. w., so daß der sumums MQosxs auch der suwiuus sxiseoxus war, ohne daß er sich jedoch einer be¬ sonderen Jnfallibilitüt in Auslegung von Glaubenssätzen hätte rühmen dürfen. Die Verehrung selbst bestand in Gebeten und Anrufungen nach bestimmten Formeln und in Opferhandlungen, mit denen in der Regel Mahlzeiten ver¬ bunden waren. Auf die Gestaltung des bürgerlichen Lebens übte die Religion durch die Tabusatzung bedeutenden Einfluß. Alles was t,s,vu, d. h. der Gottheit oder einem Häuptling heilig war, durste bei harter Strafe nicht berührt werden. Erwähnenswert!) ist noch der Glaube, daß die Abgeschiedenen, deren Seelen für unsterblich galten, durch ein Loch auf dem Westende von Savaii in die Unterwelt gelangen, in der sie ein dem irdischen entsprechendes Leben führen und die sie Nachts verlassen. Die Vornehmen besitzen eine besondere Unterwelt, eine Art Walhalla, in der sie ihre Ewigkeit unter der Oberleitung eines Gottes Vergnügungen widmen. Während man die Todten gewöhnlichen Schlages unmittelbar nach dem Tode begrub, wurden die abgeschiedenen Häuptlinge je nach ihrem Range mehrere Tage lang bis zu einem Monate ausgestellt und erst dann prunkvoll beigesetzt. Allen Gestorbenen aber wurde eine lebhafte Todtenklage nachgerufen. Die ursprünglichen staatlichen Einrichtungen sind ganz eigenartig und legen ebenfalls Zeugniß von den natürlichen Anlagen des Volkes ab. Nach Turner zerfielen die sämmtlichen Inseln in zehn Distrikte, die möglicherweise in früher Vorzeit eine größere Selbständigkeit behaupteten als damals, wo der genannte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/241>, abgerufen am 27.11.2024.