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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Der Somoa-Archipel zeichnet sich schon durch seine günstige Lage inmitten
des polynesischen Jnselmeeres aus und hat zu Nachbarn im N. die Tokelau-
oder Union-Inseln, im O. die Gesellschafts- und Hervey - (Cook) Inseln, im S.
die Tonga-Inseln und im W. den Viti- und Ellice-Archipel. Abgesehen von
einigen kleineren Eilanden besteht er aus drei größeren und 6 kleineren Inseln,
die sich alle in der Richtung von W.N.W. nach O.S.O. etwa über siebzig
Meilen ausdehnen. Gleichzeitig können sie nicht erblickt werden, während aller¬
dings der von Westen herkommende Seefahrer die andre schon sieht, wenn er
die eine verläßt. Von einer gewissen Entfernung aus gesehen, gleichen sie einer
langen Reihe von Bergen von beträchtlicher Höhe, bekleidet mit reicher Vege¬
tation vom Fuße bis zur Spitze, bei näherer Ansicht erblickt man die male¬
rischen Linien und Höhen der einzelnen Berge mit tiefen Einschnitten und sanften
Abhängen, deren Flächen bis zum Wasser herunter überall mit dunklem Laub
bedeckt sind. Die Landvorsprünge treten schroff und klar hervor, und die großen
offenen Kanäle zwischen den größeren Inseln sind frei von Felsen, Untiefen
und Riffen. An der Küste entlang fahrend, bemerkt man überall dichte tropische
Vegetation, unterbrochen durch Zeichen der Kultur; zahlreiche Ströme fließen
von den mit schwerem Holz bewachsenen Bergen herab und unterbrechen mit
ihren Wasserfällen die Landschaft. An den Küsten zeigen sich die Dörfer der
Eingebornen, über die ruhigen dunkelgrünen Wasser der Lagunen, welche gegen
den Ocean durch schäumende Korallenriffe geschützt sind, schießen die Canoes
derselben, die nicht wenig zur Belebung der Landschaft beitragen. Ueber alle
Maßen reizvoll muß der Eindruck sein, den die Inseln auf den Beschauer
machen -- darüber ist nur ein Stimme; d'Urville steht nicht an, sie für die
schönsten Inseln der Südsee, d. h. also der Erde überhaupt, zu erklären; nach
seiner Meinung übertreffen sie sogar Tahiti.

Alle Inseln zusammengenommen umfassen ein Areal von nahezu 55
deutschen geographischen Quadratmeilen, übertreffen also an Flächeninhalt um
ein Geringes das Großherzogthum Mecklenburg-Strelitz, während letzteres der
Bevölkerungsziffer nach die Inseln fast um das Dreifache überragt, denn auf
sämmtlichen Inseln leben nach einem von den Missionären in den Jahren 1874/75
vorgenommenen Census 37000 Eingeborne. Die bedeutend höheren Angaben
älterer Reisenden, z. B. die 80000 des Dumont d'Urville verruhen nur auf
ganz oberflächlichen Schätzungen und gestatten daher auf die Frage, ob die
Samoaner sich vermehren oder vermindern, keinen irgendwie sichern Schluß.

Der Entstehung nach gehören alle Inseln zu den hohen, d. h. den durch
vulkanische Kräfte emporgetriebenen: wenn es noch eines Beweises dafür be¬
dürfte, so würde er in der 'kegelförmigen Gestalt der Berge, denen deutlich
erkennbare Krater aufgesetzt sind, und in den an allen Abhängen sich vorfindenden


Der Somoa-Archipel zeichnet sich schon durch seine günstige Lage inmitten
des polynesischen Jnselmeeres aus und hat zu Nachbarn im N. die Tokelau-
oder Union-Inseln, im O. die Gesellschafts- und Hervey - (Cook) Inseln, im S.
die Tonga-Inseln und im W. den Viti- und Ellice-Archipel. Abgesehen von
einigen kleineren Eilanden besteht er aus drei größeren und 6 kleineren Inseln,
die sich alle in der Richtung von W.N.W. nach O.S.O. etwa über siebzig
Meilen ausdehnen. Gleichzeitig können sie nicht erblickt werden, während aller¬
dings der von Westen herkommende Seefahrer die andre schon sieht, wenn er
die eine verläßt. Von einer gewissen Entfernung aus gesehen, gleichen sie einer
langen Reihe von Bergen von beträchtlicher Höhe, bekleidet mit reicher Vege¬
tation vom Fuße bis zur Spitze, bei näherer Ansicht erblickt man die male¬
rischen Linien und Höhen der einzelnen Berge mit tiefen Einschnitten und sanften
Abhängen, deren Flächen bis zum Wasser herunter überall mit dunklem Laub
bedeckt sind. Die Landvorsprünge treten schroff und klar hervor, und die großen
offenen Kanäle zwischen den größeren Inseln sind frei von Felsen, Untiefen
und Riffen. An der Küste entlang fahrend, bemerkt man überall dichte tropische
Vegetation, unterbrochen durch Zeichen der Kultur; zahlreiche Ströme fließen
von den mit schwerem Holz bewachsenen Bergen herab und unterbrechen mit
ihren Wasserfällen die Landschaft. An den Küsten zeigen sich die Dörfer der
Eingebornen, über die ruhigen dunkelgrünen Wasser der Lagunen, welche gegen
den Ocean durch schäumende Korallenriffe geschützt sind, schießen die Canoes
derselben, die nicht wenig zur Belebung der Landschaft beitragen. Ueber alle
Maßen reizvoll muß der Eindruck sein, den die Inseln auf den Beschauer
machen — darüber ist nur ein Stimme; d'Urville steht nicht an, sie für die
schönsten Inseln der Südsee, d. h. also der Erde überhaupt, zu erklären; nach
seiner Meinung übertreffen sie sogar Tahiti.

Alle Inseln zusammengenommen umfassen ein Areal von nahezu 55
deutschen geographischen Quadratmeilen, übertreffen also an Flächeninhalt um
ein Geringes das Großherzogthum Mecklenburg-Strelitz, während letzteres der
Bevölkerungsziffer nach die Inseln fast um das Dreifache überragt, denn auf
sämmtlichen Inseln leben nach einem von den Missionären in den Jahren 1874/75
vorgenommenen Census 37000 Eingeborne. Die bedeutend höheren Angaben
älterer Reisenden, z. B. die 80000 des Dumont d'Urville verruhen nur auf
ganz oberflächlichen Schätzungen und gestatten daher auf die Frage, ob die
Samoaner sich vermehren oder vermindern, keinen irgendwie sichern Schluß.

Der Entstehung nach gehören alle Inseln zu den hohen, d. h. den durch
vulkanische Kräfte emporgetriebenen: wenn es noch eines Beweises dafür be¬
dürfte, so würde er in der 'kegelförmigen Gestalt der Berge, denen deutlich
erkennbare Krater aufgesetzt sind, und in den an allen Abhängen sich vorfindenden


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[0230] Der Somoa-Archipel zeichnet sich schon durch seine günstige Lage inmitten des polynesischen Jnselmeeres aus und hat zu Nachbarn im N. die Tokelau- oder Union-Inseln, im O. die Gesellschafts- und Hervey - (Cook) Inseln, im S. die Tonga-Inseln und im W. den Viti- und Ellice-Archipel. Abgesehen von einigen kleineren Eilanden besteht er aus drei größeren und 6 kleineren Inseln, die sich alle in der Richtung von W.N.W. nach O.S.O. etwa über siebzig Meilen ausdehnen. Gleichzeitig können sie nicht erblickt werden, während aller¬ dings der von Westen herkommende Seefahrer die andre schon sieht, wenn er die eine verläßt. Von einer gewissen Entfernung aus gesehen, gleichen sie einer langen Reihe von Bergen von beträchtlicher Höhe, bekleidet mit reicher Vege¬ tation vom Fuße bis zur Spitze, bei näherer Ansicht erblickt man die male¬ rischen Linien und Höhen der einzelnen Berge mit tiefen Einschnitten und sanften Abhängen, deren Flächen bis zum Wasser herunter überall mit dunklem Laub bedeckt sind. Die Landvorsprünge treten schroff und klar hervor, und die großen offenen Kanäle zwischen den größeren Inseln sind frei von Felsen, Untiefen und Riffen. An der Küste entlang fahrend, bemerkt man überall dichte tropische Vegetation, unterbrochen durch Zeichen der Kultur; zahlreiche Ströme fließen von den mit schwerem Holz bewachsenen Bergen herab und unterbrechen mit ihren Wasserfällen die Landschaft. An den Küsten zeigen sich die Dörfer der Eingebornen, über die ruhigen dunkelgrünen Wasser der Lagunen, welche gegen den Ocean durch schäumende Korallenriffe geschützt sind, schießen die Canoes derselben, die nicht wenig zur Belebung der Landschaft beitragen. Ueber alle Maßen reizvoll muß der Eindruck sein, den die Inseln auf den Beschauer machen — darüber ist nur ein Stimme; d'Urville steht nicht an, sie für die schönsten Inseln der Südsee, d. h. also der Erde überhaupt, zu erklären; nach seiner Meinung übertreffen sie sogar Tahiti. Alle Inseln zusammengenommen umfassen ein Areal von nahezu 55 deutschen geographischen Quadratmeilen, übertreffen also an Flächeninhalt um ein Geringes das Großherzogthum Mecklenburg-Strelitz, während letzteres der Bevölkerungsziffer nach die Inseln fast um das Dreifache überragt, denn auf sämmtlichen Inseln leben nach einem von den Missionären in den Jahren 1874/75 vorgenommenen Census 37000 Eingeborne. Die bedeutend höheren Angaben älterer Reisenden, z. B. die 80000 des Dumont d'Urville verruhen nur auf ganz oberflächlichen Schätzungen und gestatten daher auf die Frage, ob die Samoaner sich vermehren oder vermindern, keinen irgendwie sichern Schluß. Der Entstehung nach gehören alle Inseln zu den hohen, d. h. den durch vulkanische Kräfte emporgetriebenen: wenn es noch eines Beweises dafür be¬ dürfte, so würde er in der 'kegelförmigen Gestalt der Berge, denen deutlich erkennbare Krater aufgesetzt sind, und in den an allen Abhängen sich vorfindenden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/230>, abgerufen am 01.09.2024.