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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Weib zu leben". Was in jenen Briefen vom Bischof gesagt werde, das gelte
allgemein für die Geistlichkeit, denn Bischöfe im hierarchischen Sinne habe es
zur Zeit des Neuen Testamentes noch nicht gegeben, sondern Bischof und
Pfarrer seien gleichbedeutende Ausdrücke gewesen.

Bei dieser Gelegenheit bekämpft er auch nach der andern Seite den spezifi¬
schen Unterschied zwischen dem Pfarrer und dem Laien und bestätigt gut pro-
testantenvereinlich das geordnete Wahlrecht der Gemeinde: "Also lehren wir
aus dem Apostel klärlich, daß eine jegliche Stadt aus der Gemeine einen
gelehrten, frommen Bürger erwählte, demselben das Pfarramt beföhle und ihn
von der Gemeine ernährte."

Endlich möge noch Luther's Stellung zum Mönchthum hervorgehoben
fein. Als unveräußerliches Recht betont er die Freiheit des Austritts aus
Kloster und Orden. Auch "müßte dem Papst verboten werden, mehr solche
Orden aufzusetzen oder zu bestätigen, ja befohlen werden, etliche abzuthun und
in wenigere Zahl zu zwingen", da diese Menge von Denominationen nur Neid
und Streit verursache. Den Mönchen soll man das Recht des Predigens und
Beichtehörens entziehen, "es wäre denn, daß sie von Bischöfen, Pfarren,
Gemeine oder Obrigkeit berufen und begehrt würden". Denn "es hat nicht
ein ungleich Ansehen, daß der heilige römische Stuhl solch Heer uicht umsonst
gemehrt hat, auf daß nicht die Priesterschaft und Bisthümer, seiner Tyrannei
unleidig, einmal ihm zu stark würden und eine Reformation anfingen, die nicht
erträglich seiner Heiligkeit wäre". Besonders aber soll man von den Bettel¬
klöstern je "zehn, oder wie viel ihrer noth ist, auf einen Haufen schlagen und
eines draus machen, das, genugsam versorgt, nicht betteln dürfe". Erinnert
dies Programm nicht lebhaft an die Aufhebung der Klöster in Preußen und
Italien und an all' die Nothwehrakte des modernen Staates gegen das stehende
Heer eines kulturfeindlichen Ultramontanismus?

Blicken wir von den kirchlichen Mißständen auf die sozialen und sittlichen,
so grenzen an den Protest gegen die Bettelorden die Vorschläge Luther's zur
Abschaffung des Bettelwesens überhaupt. Es sollte eingeführt werden, meint
er, "daß eine jegliche Stadt ihre armen Leute versorgte und keinen fremden
Bettler zuließe, sie hießen, wie sie wollten .... So müßte da sein ein Ver¬
weser oder Vormund, der alle die Armen kennte und, was ihnen noth wäre,
dem Rath oder Pfarrer ansagte, oder wie das aufs Beste möchte verordnet
werden. Es geschieht meines Trachtens auf keinem Handel soviel Bübereien
und Trügereien als auf dem Bettel, die da alle leicht wären zu vertreiben."
Dabei ist es genug, "daß die Armen ziemlich versorgt sind, dabei sie nicht
Hungers sterben noch erfriern. Es fügt sich nicht, daß einer auf des andern
Arbeit müßig gehe, reich sei und wohllebe bei eines Andern Uebelleben, wie


Weib zu leben". Was in jenen Briefen vom Bischof gesagt werde, das gelte
allgemein für die Geistlichkeit, denn Bischöfe im hierarchischen Sinne habe es
zur Zeit des Neuen Testamentes noch nicht gegeben, sondern Bischof und
Pfarrer seien gleichbedeutende Ausdrücke gewesen.

Bei dieser Gelegenheit bekämpft er auch nach der andern Seite den spezifi¬
schen Unterschied zwischen dem Pfarrer und dem Laien und bestätigt gut pro-
testantenvereinlich das geordnete Wahlrecht der Gemeinde: „Also lehren wir
aus dem Apostel klärlich, daß eine jegliche Stadt aus der Gemeine einen
gelehrten, frommen Bürger erwählte, demselben das Pfarramt beföhle und ihn
von der Gemeine ernährte."

Endlich möge noch Luther's Stellung zum Mönchthum hervorgehoben
fein. Als unveräußerliches Recht betont er die Freiheit des Austritts aus
Kloster und Orden. Auch „müßte dem Papst verboten werden, mehr solche
Orden aufzusetzen oder zu bestätigen, ja befohlen werden, etliche abzuthun und
in wenigere Zahl zu zwingen", da diese Menge von Denominationen nur Neid
und Streit verursache. Den Mönchen soll man das Recht des Predigens und
Beichtehörens entziehen, „es wäre denn, daß sie von Bischöfen, Pfarren,
Gemeine oder Obrigkeit berufen und begehrt würden". Denn „es hat nicht
ein ungleich Ansehen, daß der heilige römische Stuhl solch Heer uicht umsonst
gemehrt hat, auf daß nicht die Priesterschaft und Bisthümer, seiner Tyrannei
unleidig, einmal ihm zu stark würden und eine Reformation anfingen, die nicht
erträglich seiner Heiligkeit wäre". Besonders aber soll man von den Bettel¬
klöstern je „zehn, oder wie viel ihrer noth ist, auf einen Haufen schlagen und
eines draus machen, das, genugsam versorgt, nicht betteln dürfe". Erinnert
dies Programm nicht lebhaft an die Aufhebung der Klöster in Preußen und
Italien und an all' die Nothwehrakte des modernen Staates gegen das stehende
Heer eines kulturfeindlichen Ultramontanismus?

Blicken wir von den kirchlichen Mißständen auf die sozialen und sittlichen,
so grenzen an den Protest gegen die Bettelorden die Vorschläge Luther's zur
Abschaffung des Bettelwesens überhaupt. Es sollte eingeführt werden, meint
er, „daß eine jegliche Stadt ihre armen Leute versorgte und keinen fremden
Bettler zuließe, sie hießen, wie sie wollten .... So müßte da sein ein Ver¬
weser oder Vormund, der alle die Armen kennte und, was ihnen noth wäre,
dem Rath oder Pfarrer ansagte, oder wie das aufs Beste möchte verordnet
werden. Es geschieht meines Trachtens auf keinem Handel soviel Bübereien
und Trügereien als auf dem Bettel, die da alle leicht wären zu vertreiben."
Dabei ist es genug, „daß die Armen ziemlich versorgt sind, dabei sie nicht
Hungers sterben noch erfriern. Es fügt sich nicht, daß einer auf des andern
Arbeit müßig gehe, reich sei und wohllebe bei eines Andern Uebelleben, wie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/222>, abgerufen am 27.11.2024.