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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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Verfasser: Von Jugend an habe er sich mit dem Ceremoniell der heiligen Dinge
befaßt, und da er gesehen habe, daß viele Geistliche beim Celebriren der Messe
viele Mißbräuche, verschiedene Riten und unpassende Gesten beibehielten, so habe
er nach den verschiedenen Dekreten der heiligen Väter eine einheitliche Norm auf¬
gestellt. Der Kardinal, der in diesen heiligen Angelegenheiten sehr bewandert
war, solle, wenn nöthig, Verbesserungen anbringen. Dieser aber erwiederte,
er habe nichts zu ändern.

Zwischen den ceremoniellen und den politischen Nachrichten finden sich,
allerdings nur spärlich, mannigfache andere Mittheilungen: Einige Male macht
sich Burkard das Vergnügen, zu notiren, welche Phasen die Witterung im
Laufe einer Woche, einer Nacht und eines Tages durchlaufen habe; der Wechsel
von Wind, Sonne und Regen wird nach Stunden aufgezeichnet. Ein anderes
Mal vermerkt er, daß in Bologna und Modena ein großes Erdbeben statt¬
gefunden, und welchen Schaden es angerichtet habe. Interessanter sind ein
paar kulturhistorisch verwerthbare Notizen, die seine Diarien enthalten. So
theilt er z. B. mit, daß die Kämmerer des Konklave, bevor dasselbe begann,
die Kardinäle daraufhin zu untersuchen hatten, ob sie "Schwerter oder
sonstige Waffen" dahin gebracht hätten, ferner, daß der Stadtgovernatore auf
einem Umritte durch die Stadt viele Waffen konfiszirt und in den Tiber
habe werfen lassen. Von der Grundsteinlegung zum Neubau von Sankt Peter
berichtet er: "Der Papst richtete selbst den Stein, die Maurer legten in ein
bedecktes Gefäß zwei goldene Medaillen . . . und 6 oder mehr Medaillen
von Metall, mit dem Kopfe des Papstes in der Kapuze auf der einen Seite,
der Zeichnung des Gebäudes auf der andern." Einen kleinen Beitrag zur
Geschichte der Komödie liefert Burkard in einer Aufzeichnung vom 25. April
1504: "Am Tage des Evangelisten Marcus fand nach der Messe ein Gastmahl
der Kardinäle statt, und nach demselben ward im ersten Hofe ein Schauspiel
aufgeführt auf Bitten des Magisters Cucholi ... das weder eine Tragödie,
noch eine Komödie war, sondern eine gewisse Erfindung lwvsntivÄ) zum Lobe
und Ruhme des Papstes, und in der ein Knabe von 6 oder weniger Jahren,
der den Merkur darstellte, so ausgezeichnet sprach, mit vorzüglichster Grazie,
so ansprechend und in zusammenhängender Darstellung . . . auch der Papst
war anwesend." Von dem sonstigen künstlerischen Leben und Schaffen in Rom,
von den Ausgrabungen, die gerade im letzten Drittel des 15. und zu Anfang
des 16. Jahrhunderts so viele Perlen der Antike an's Tageslicht brachten, ist
bei Burkard nichts zu lesen.

Nachrichten über seine persönlichen Angelegenheiten finden sich -- abgesehen
von denen, die seine Rangerhöhung betreffen -- nur wenige: öfter zeichnet er
auf, daß er aus Rom nach seinem Bisthum Orte gezogen, und wie lange er


Verfasser: Von Jugend an habe er sich mit dem Ceremoniell der heiligen Dinge
befaßt, und da er gesehen habe, daß viele Geistliche beim Celebriren der Messe
viele Mißbräuche, verschiedene Riten und unpassende Gesten beibehielten, so habe
er nach den verschiedenen Dekreten der heiligen Väter eine einheitliche Norm auf¬
gestellt. Der Kardinal, der in diesen heiligen Angelegenheiten sehr bewandert
war, solle, wenn nöthig, Verbesserungen anbringen. Dieser aber erwiederte,
er habe nichts zu ändern.

Zwischen den ceremoniellen und den politischen Nachrichten finden sich,
allerdings nur spärlich, mannigfache andere Mittheilungen: Einige Male macht
sich Burkard das Vergnügen, zu notiren, welche Phasen die Witterung im
Laufe einer Woche, einer Nacht und eines Tages durchlaufen habe; der Wechsel
von Wind, Sonne und Regen wird nach Stunden aufgezeichnet. Ein anderes
Mal vermerkt er, daß in Bologna und Modena ein großes Erdbeben statt¬
gefunden, und welchen Schaden es angerichtet habe. Interessanter sind ein
paar kulturhistorisch verwerthbare Notizen, die seine Diarien enthalten. So
theilt er z. B. mit, daß die Kämmerer des Konklave, bevor dasselbe begann,
die Kardinäle daraufhin zu untersuchen hatten, ob sie „Schwerter oder
sonstige Waffen" dahin gebracht hätten, ferner, daß der Stadtgovernatore auf
einem Umritte durch die Stadt viele Waffen konfiszirt und in den Tiber
habe werfen lassen. Von der Grundsteinlegung zum Neubau von Sankt Peter
berichtet er: „Der Papst richtete selbst den Stein, die Maurer legten in ein
bedecktes Gefäß zwei goldene Medaillen . . . und 6 oder mehr Medaillen
von Metall, mit dem Kopfe des Papstes in der Kapuze auf der einen Seite,
der Zeichnung des Gebäudes auf der andern." Einen kleinen Beitrag zur
Geschichte der Komödie liefert Burkard in einer Aufzeichnung vom 25. April
1504: „Am Tage des Evangelisten Marcus fand nach der Messe ein Gastmahl
der Kardinäle statt, und nach demselben ward im ersten Hofe ein Schauspiel
aufgeführt auf Bitten des Magisters Cucholi ... das weder eine Tragödie,
noch eine Komödie war, sondern eine gewisse Erfindung lwvsntivÄ) zum Lobe
und Ruhme des Papstes, und in der ein Knabe von 6 oder weniger Jahren,
der den Merkur darstellte, so ausgezeichnet sprach, mit vorzüglichster Grazie,
so ansprechend und in zusammenhängender Darstellung . . . auch der Papst
war anwesend." Von dem sonstigen künstlerischen Leben und Schaffen in Rom,
von den Ausgrabungen, die gerade im letzten Drittel des 15. und zu Anfang
des 16. Jahrhunderts so viele Perlen der Antike an's Tageslicht brachten, ist
bei Burkard nichts zu lesen.

Nachrichten über seine persönlichen Angelegenheiten finden sich — abgesehen
von denen, die seine Rangerhöhung betreffen — nur wenige: öfter zeichnet er
auf, daß er aus Rom nach seinem Bisthum Orte gezogen, und wie lange er


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/194>, abgerufen am 27.07.2024.