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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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von den Frauen angezeigt wird, daß die Mahlzeit bereit ist. Das Gemurmel
der Menge legt sich, die Gläubigen eilen, ans den Baumstämmen innerhalb der
Umzäunung Platz zu nehmen, die ungläubigen Zuschauer stellen sich außerhalb
der letzteren auf, dreistere kriechen unter dem Stricke durch und bilden so um die
Gemeinde einen Halbkreis, der mit seinen Enden bis nahe an die Kanzel reicht.

Jetzt beginnt der Gottesdienst, indem einer der Prediger seinen breit¬
randigen Hut abnimmt und die Kanzel an der Eiche besteigt. Er ist ein
kleiner untersetzter Mann mit breiten Schultern wie ein?riosü^Kor, welches
Gewerbe er vor seiner Erweckung auch betrieben haben kann, mächtig ent¬
wickelten Armen, zottigen stacheligen Augenbrauen und emporstehendem schwarzen
Haupthaar. Er liest zunächst ein geistliches Lied, immer zwei Zeilen ans
einmal, vor, das dann von der Gemeinde unter seiner Leitung gesungen wird.
Es ist die schöne Hymne John Wesley's, die mit den Versen beginnt:


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>Vit,u Iiolz? noxes inn^ins."^)

Dann betet der Prediger mit der größten Inbrunst und Aufrichtigkeit und mit
einer Stimme, daß die Fensterscheiben davon klirren würden, wenn er in einem
Zimmer spräche. Die Gewalt dieser tief aus der Brust hervordröhnenden
Stimme erfüllt das einfache Volk, das ihm zuhört, offenbar noch mehr als
der Sinn der Worte, mit Ehrfurcht vor der Botschaft, mit welcher der Prediger
bei ihnen erschienen ist. Er ist ein feuriger, man möchte fast sagen, ein grim¬
miger Beter. Er betet wie jemand, der von Angesicht zu Angesicht mit dem
allmächtigen Richter der Menschengeschlechter redet, und man fühlt, daß er
von zweifelloser Zuversicht, bei Gott zu Gnaden angenommen zu sein, und
von der ehrlichsten Ueberzeugung von der unendlichen Gefahr erfüllt ist, die
denen von seinen Zuhörern droht, welchen noch nicht vergeben ist. Nicht
Verstandesbeweise aber sind es, die auf diese halbwilden Hinterwäldler wirken,
sondern die Sprache der Ueberzeugtheit allein greift ihnen an's Herz, und wo
es sich um unmittelbare praktische Zwecke handelt, ist ein Elias, der aus einer
nimmer zweifelnden Zuversicht heraus auf sie donnert und blitzt, mehr werth



Zu deutsch: "O Sonne der Gottseligkeit, gehe auf mit Heilung auf deinem Fittig!
Bringe Leben und Erlösung meiner kranken, meiner erlöschenden Seele. Zerstreue diese
Wolken von Hoffarlh und Sünde mit deinem Alles durchdringenden Strahle, erleuchte meine
Augen mit Glauben, mein Herz entflamme mit heiligen Hoffnungen."

von den Frauen angezeigt wird, daß die Mahlzeit bereit ist. Das Gemurmel
der Menge legt sich, die Gläubigen eilen, ans den Baumstämmen innerhalb der
Umzäunung Platz zu nehmen, die ungläubigen Zuschauer stellen sich außerhalb
der letzteren auf, dreistere kriechen unter dem Stricke durch und bilden so um die
Gemeinde einen Halbkreis, der mit seinen Enden bis nahe an die Kanzel reicht.

Jetzt beginnt der Gottesdienst, indem einer der Prediger seinen breit¬
randigen Hut abnimmt und die Kanzel an der Eiche besteigt. Er ist ein
kleiner untersetzter Mann mit breiten Schultern wie ein?riosü^Kor, welches
Gewerbe er vor seiner Erweckung auch betrieben haben kann, mächtig ent¬
wickelten Armen, zottigen stacheligen Augenbrauen und emporstehendem schwarzen
Haupthaar. Er liest zunächst ein geistliches Lied, immer zwei Zeilen ans
einmal, vor, das dann von der Gemeinde unter seiner Leitung gesungen wird.
Es ist die schöne Hymne John Wesley's, die mit den Versen beginnt:


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Dann betet der Prediger mit der größten Inbrunst und Aufrichtigkeit und mit
einer Stimme, daß die Fensterscheiben davon klirren würden, wenn er in einem
Zimmer spräche. Die Gewalt dieser tief aus der Brust hervordröhnenden
Stimme erfüllt das einfache Volk, das ihm zuhört, offenbar noch mehr als
der Sinn der Worte, mit Ehrfurcht vor der Botschaft, mit welcher der Prediger
bei ihnen erschienen ist. Er ist ein feuriger, man möchte fast sagen, ein grim¬
miger Beter. Er betet wie jemand, der von Angesicht zu Angesicht mit dem
allmächtigen Richter der Menschengeschlechter redet, und man fühlt, daß er
von zweifelloser Zuversicht, bei Gott zu Gnaden angenommen zu sein, und
von der ehrlichsten Ueberzeugung von der unendlichen Gefahr erfüllt ist, die
denen von seinen Zuhörern droht, welchen noch nicht vergeben ist. Nicht
Verstandesbeweise aber sind es, die auf diese halbwilden Hinterwäldler wirken,
sondern die Sprache der Ueberzeugtheit allein greift ihnen an's Herz, und wo
es sich um unmittelbare praktische Zwecke handelt, ist ein Elias, der aus einer
nimmer zweifelnden Zuversicht heraus auf sie donnert und blitzt, mehr werth



Zu deutsch: „O Sonne der Gottseligkeit, gehe auf mit Heilung auf deinem Fittig!
Bringe Leben und Erlösung meiner kranken, meiner erlöschenden Seele. Zerstreue diese
Wolken von Hoffarlh und Sünde mit deinem Alles durchdringenden Strahle, erleuchte meine
Augen mit Glauben, mein Herz entflamme mit heiligen Hoffnungen."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/158>, abgerufen am 27.07.2024.