Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

das man hier "Waraus" nennt -- eine Bezeichnung, die wohl das deutsche
"Wamms" vertritt --, wieder andere wollene Pferdedecken, in welche Löcher zum
Durchstecken der Arme geschnitten sind. Es sind meist hochgewachsene Gestalten
und wettergebräuute Gesichter. Die Mehrzahl ist zu Pferde gekommen, andere
reiten in langem Zuge von der Prärie heran. Die Gäule derjenigen, die ab¬
gestiegen, sind hie und da an Pflöcken befestigt, die mau in den schwarzen
Humusboden getrieben hat. Das Ganze sieht wie ein Jahrmarkt aus. Unter
dem Schatten der Bäume erheben sich Hütten aus Brettern, in denen, nach den
Rauchwölkchen zu schließen, die von ihnen aufsteigen, gekocht wird, weiße Lein¬
wandzelte und grüne Laubgeflechte. Hie und da werden Lebensmittel verkauft,
an einer Stelle auch geistige Getränke. Doch scheinen diese nur für eiuen
Theil der Versammelten da zu sein, und die übrigen sehen mit finsterem Blicke
zu, wie dort dem Whiskey zugesprochen wird, und wie einige Burschen und
Mädchen nicht weit davon sich mit Tanzen vergnügen. Ein gewisser Raum
ist mit einer Schranke von Pfählen und Stricken eingezäunt. In der Mitte
hat man vor einer mächtigen Weißelche eine Art roher Rednerbühne angebracht,
vor der eine lange Bank steht. Hinter dieser sind gefällte und ihrer Aeste
beraubte Baumstämme zusammengefahren und in parallele Reihen geordnet.
In der Nähe der Bühne hat eine Gruppe älterer Männer Platz genommen,
die sich lebhaft zu berathen scheinen und zuweilen wie Gefahr fürchtend nach
den Leuten hinüberblicken, welche das Faß des Whiskeyverkäufers umstehen.

Es siud die Vorbereitungen zu einem großen Campmeeting der Methodisten,
das acht Tage vorher in den Farmer und Dörfern der Gegend angesagt
worden ist. Der eingezäunte Raum ist ihre Kirche, die Rednerbühne an der
Eiche wird als Kanzel dienen, die Bank vor ihr ist der "Bußsitz", wo die
Erweckten Platz nehmen, um den herzugekommenen Wanderpredigern ihre
Sünden zu bekennen und getröstet zu werden. Die zusammengerollten Baum¬
stämme sollen die Kirchenstühle sein. Die Gruppe von Männern neben der
Kanzel besteht ans Predigern und Aeltesten, und die Leute drüben beim Brannt¬
weinfasse und beim Tanze sind Outsiders Ungläubige, Gegner der frommen
Versammlung, Rvwdies der Nachbarschaft, gekommen, um den Gottesdienst, der
beginnen soll, zu verlachen, zu verspotten und womöglich zu stören. Es sind
verwegene Gesichter darunter, und sie haben Pistolen und gewaltige Hickorykeuleu
mitgebracht. Aber sie mögen sich hüten; denn das Volk Gottes, dem sie zu
Leibe wollen, ist zwar ein heiliges, aber auch ein streitbares Volk, und selbst
seine geistlichen Hirten verstehen, wenn Noth an den Mann geht, nicht blos mit
Reden zu kämpfen.

Ein Ton wie ein Posaunenstoß erschallt. Es ist eine jener langen Blech¬
trompeten, mit denen im Hinterwalde den fern von Hanse arbeitenden Männern


das man hier „Waraus" nennt — eine Bezeichnung, die wohl das deutsche
„Wamms" vertritt —, wieder andere wollene Pferdedecken, in welche Löcher zum
Durchstecken der Arme geschnitten sind. Es sind meist hochgewachsene Gestalten
und wettergebräuute Gesichter. Die Mehrzahl ist zu Pferde gekommen, andere
reiten in langem Zuge von der Prärie heran. Die Gäule derjenigen, die ab¬
gestiegen, sind hie und da an Pflöcken befestigt, die mau in den schwarzen
Humusboden getrieben hat. Das Ganze sieht wie ein Jahrmarkt aus. Unter
dem Schatten der Bäume erheben sich Hütten aus Brettern, in denen, nach den
Rauchwölkchen zu schließen, die von ihnen aufsteigen, gekocht wird, weiße Lein¬
wandzelte und grüne Laubgeflechte. Hie und da werden Lebensmittel verkauft,
an einer Stelle auch geistige Getränke. Doch scheinen diese nur für eiuen
Theil der Versammelten da zu sein, und die übrigen sehen mit finsterem Blicke
zu, wie dort dem Whiskey zugesprochen wird, und wie einige Burschen und
Mädchen nicht weit davon sich mit Tanzen vergnügen. Ein gewisser Raum
ist mit einer Schranke von Pfählen und Stricken eingezäunt. In der Mitte
hat man vor einer mächtigen Weißelche eine Art roher Rednerbühne angebracht,
vor der eine lange Bank steht. Hinter dieser sind gefällte und ihrer Aeste
beraubte Baumstämme zusammengefahren und in parallele Reihen geordnet.
In der Nähe der Bühne hat eine Gruppe älterer Männer Platz genommen,
die sich lebhaft zu berathen scheinen und zuweilen wie Gefahr fürchtend nach
den Leuten hinüberblicken, welche das Faß des Whiskeyverkäufers umstehen.

Es siud die Vorbereitungen zu einem großen Campmeeting der Methodisten,
das acht Tage vorher in den Farmer und Dörfern der Gegend angesagt
worden ist. Der eingezäunte Raum ist ihre Kirche, die Rednerbühne an der
Eiche wird als Kanzel dienen, die Bank vor ihr ist der „Bußsitz", wo die
Erweckten Platz nehmen, um den herzugekommenen Wanderpredigern ihre
Sünden zu bekennen und getröstet zu werden. Die zusammengerollten Baum¬
stämme sollen die Kirchenstühle sein. Die Gruppe von Männern neben der
Kanzel besteht ans Predigern und Aeltesten, und die Leute drüben beim Brannt¬
weinfasse und beim Tanze sind Outsiders Ungläubige, Gegner der frommen
Versammlung, Rvwdies der Nachbarschaft, gekommen, um den Gottesdienst, der
beginnen soll, zu verlachen, zu verspotten und womöglich zu stören. Es sind
verwegene Gesichter darunter, und sie haben Pistolen und gewaltige Hickorykeuleu
mitgebracht. Aber sie mögen sich hüten; denn das Volk Gottes, dem sie zu
Leibe wollen, ist zwar ein heiliges, aber auch ein streitbares Volk, und selbst
seine geistlichen Hirten verstehen, wenn Noth an den Mann geht, nicht blos mit
Reden zu kämpfen.

Ein Ton wie ein Posaunenstoß erschallt. Es ist eine jener langen Blech¬
trompeten, mit denen im Hinterwalde den fern von Hanse arbeitenden Männern


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0157" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142654"/>
          <p xml:id="ID_470" prev="#ID_469"> das man hier &#x201E;Waraus" nennt &#x2014; eine Bezeichnung, die wohl das deutsche<lb/>
&#x201E;Wamms" vertritt &#x2014;, wieder andere wollene Pferdedecken, in welche Löcher zum<lb/>
Durchstecken der Arme geschnitten sind. Es sind meist hochgewachsene Gestalten<lb/>
und wettergebräuute Gesichter. Die Mehrzahl ist zu Pferde gekommen, andere<lb/>
reiten in langem Zuge von der Prärie heran. Die Gäule derjenigen, die ab¬<lb/>
gestiegen, sind hie und da an Pflöcken befestigt, die mau in den schwarzen<lb/>
Humusboden getrieben hat. Das Ganze sieht wie ein Jahrmarkt aus. Unter<lb/>
dem Schatten der Bäume erheben sich Hütten aus Brettern, in denen, nach den<lb/>
Rauchwölkchen zu schließen, die von ihnen aufsteigen, gekocht wird, weiße Lein¬<lb/>
wandzelte und grüne Laubgeflechte. Hie und da werden Lebensmittel verkauft,<lb/>
an einer Stelle auch geistige Getränke. Doch scheinen diese nur für eiuen<lb/>
Theil der Versammelten da zu sein, und die übrigen sehen mit finsterem Blicke<lb/>
zu, wie dort dem Whiskey zugesprochen wird, und wie einige Burschen und<lb/>
Mädchen nicht weit davon sich mit Tanzen vergnügen. Ein gewisser Raum<lb/>
ist mit einer Schranke von Pfählen und Stricken eingezäunt. In der Mitte<lb/>
hat man vor einer mächtigen Weißelche eine Art roher Rednerbühne angebracht,<lb/>
vor der eine lange Bank steht. Hinter dieser sind gefällte und ihrer Aeste<lb/>
beraubte Baumstämme zusammengefahren und in parallele Reihen geordnet.<lb/>
In der Nähe der Bühne hat eine Gruppe älterer Männer Platz genommen,<lb/>
die sich lebhaft zu berathen scheinen und zuweilen wie Gefahr fürchtend nach<lb/>
den Leuten hinüberblicken, welche das Faß des Whiskeyverkäufers umstehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_471"> Es siud die Vorbereitungen zu einem großen Campmeeting der Methodisten,<lb/>
das acht Tage vorher in den Farmer und Dörfern der Gegend angesagt<lb/>
worden ist. Der eingezäunte Raum ist ihre Kirche, die Rednerbühne an der<lb/>
Eiche wird als Kanzel dienen, die Bank vor ihr ist der &#x201E;Bußsitz", wo die<lb/>
Erweckten Platz nehmen, um den herzugekommenen Wanderpredigern ihre<lb/>
Sünden zu bekennen und getröstet zu werden. Die zusammengerollten Baum¬<lb/>
stämme sollen die Kirchenstühle sein. Die Gruppe von Männern neben der<lb/>
Kanzel besteht ans Predigern und Aeltesten, und die Leute drüben beim Brannt¬<lb/>
weinfasse und beim Tanze sind Outsiders Ungläubige, Gegner der frommen<lb/>
Versammlung, Rvwdies der Nachbarschaft, gekommen, um den Gottesdienst, der<lb/>
beginnen soll, zu verlachen, zu verspotten und womöglich zu stören. Es sind<lb/>
verwegene Gesichter darunter, und sie haben Pistolen und gewaltige Hickorykeuleu<lb/>
mitgebracht. Aber sie mögen sich hüten; denn das Volk Gottes, dem sie zu<lb/>
Leibe wollen, ist zwar ein heiliges, aber auch ein streitbares Volk, und selbst<lb/>
seine geistlichen Hirten verstehen, wenn Noth an den Mann geht, nicht blos mit<lb/>
Reden zu kämpfen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_472" next="#ID_473"> Ein Ton wie ein Posaunenstoß erschallt. Es ist eine jener langen Blech¬<lb/>
trompeten, mit denen im Hinterwalde den fern von Hanse arbeitenden Männern</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0157] das man hier „Waraus" nennt — eine Bezeichnung, die wohl das deutsche „Wamms" vertritt —, wieder andere wollene Pferdedecken, in welche Löcher zum Durchstecken der Arme geschnitten sind. Es sind meist hochgewachsene Gestalten und wettergebräuute Gesichter. Die Mehrzahl ist zu Pferde gekommen, andere reiten in langem Zuge von der Prärie heran. Die Gäule derjenigen, die ab¬ gestiegen, sind hie und da an Pflöcken befestigt, die mau in den schwarzen Humusboden getrieben hat. Das Ganze sieht wie ein Jahrmarkt aus. Unter dem Schatten der Bäume erheben sich Hütten aus Brettern, in denen, nach den Rauchwölkchen zu schließen, die von ihnen aufsteigen, gekocht wird, weiße Lein¬ wandzelte und grüne Laubgeflechte. Hie und da werden Lebensmittel verkauft, an einer Stelle auch geistige Getränke. Doch scheinen diese nur für eiuen Theil der Versammelten da zu sein, und die übrigen sehen mit finsterem Blicke zu, wie dort dem Whiskey zugesprochen wird, und wie einige Burschen und Mädchen nicht weit davon sich mit Tanzen vergnügen. Ein gewisser Raum ist mit einer Schranke von Pfählen und Stricken eingezäunt. In der Mitte hat man vor einer mächtigen Weißelche eine Art roher Rednerbühne angebracht, vor der eine lange Bank steht. Hinter dieser sind gefällte und ihrer Aeste beraubte Baumstämme zusammengefahren und in parallele Reihen geordnet. In der Nähe der Bühne hat eine Gruppe älterer Männer Platz genommen, die sich lebhaft zu berathen scheinen und zuweilen wie Gefahr fürchtend nach den Leuten hinüberblicken, welche das Faß des Whiskeyverkäufers umstehen. Es siud die Vorbereitungen zu einem großen Campmeeting der Methodisten, das acht Tage vorher in den Farmer und Dörfern der Gegend angesagt worden ist. Der eingezäunte Raum ist ihre Kirche, die Rednerbühne an der Eiche wird als Kanzel dienen, die Bank vor ihr ist der „Bußsitz", wo die Erweckten Platz nehmen, um den herzugekommenen Wanderpredigern ihre Sünden zu bekennen und getröstet zu werden. Die zusammengerollten Baum¬ stämme sollen die Kirchenstühle sein. Die Gruppe von Männern neben der Kanzel besteht ans Predigern und Aeltesten, und die Leute drüben beim Brannt¬ weinfasse und beim Tanze sind Outsiders Ungläubige, Gegner der frommen Versammlung, Rvwdies der Nachbarschaft, gekommen, um den Gottesdienst, der beginnen soll, zu verlachen, zu verspotten und womöglich zu stören. Es sind verwegene Gesichter darunter, und sie haben Pistolen und gewaltige Hickorykeuleu mitgebracht. Aber sie mögen sich hüten; denn das Volk Gottes, dem sie zu Leibe wollen, ist zwar ein heiliges, aber auch ein streitbares Volk, und selbst seine geistlichen Hirten verstehen, wenn Noth an den Mann geht, nicht blos mit Reden zu kämpfen. Ein Ton wie ein Posaunenstoß erschallt. Es ist eine jener langen Blech¬ trompeten, mit denen im Hinterwalde den fern von Hanse arbeitenden Männern

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/157
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/157>, abgerufen am 27.07.2024.