Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.Macht des Reiches war ja gewahrt, den nomineller Eigenthümer nur soweit Es würde der nationalliberalen Partei, soweit sie sich nicht für den un¬ Der Reichstag ist geschlossen, und die Befürchtung ist zur Wirklichkeit Macht des Reiches war ja gewahrt, den nomineller Eigenthümer nur soweit Es würde der nationalliberalen Partei, soweit sie sich nicht für den un¬ Der Reichstag ist geschlossen, und die Befürchtung ist zur Wirklichkeit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0137" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142634"/> <p xml:id="ID_376" prev="#ID_375"> Macht des Reiches war ja gewahrt, den nomineller Eigenthümer nur soweit<lb/> zum Besitzer zu machen, als das Reich als Gläubiger der Einzelstaaten aus<lb/> deren nominellem Eigenthum seine Bedürfnisse vollauf gedeckt hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_377"> Es würde der nationalliberalen Partei, soweit sie sich nicht für den un¬<lb/> bedingten Freihandel erklärt hatte, sehr schwer geworden sein, den Uebergang<lb/> zur Opposition vor der Öffentlichkeit wirksam zu motiviren, wenn nicht der<lb/> Rücktritt der drei Minister eine willkommene Hilfe geboten hätte. Nun konnte<lb/> man sagen: Da seht ihr, daß eine allgemeine Reaktion im Anzüge sein muß,<lb/> wenn selbst solche Männer sich nicht mehr im Stande fühlen, bei dem Reichs¬<lb/> kanzler auszuharren! So mußte schließlich ein blinder Schreckschuß die ernsten<lb/> Gründe ersetzen, und nun spielte sich der erste Akt der Oppositionsrolle mit Leich¬<lb/> tigkeit ab. Am 5. Juli hielt Herr Laster seiue Petroleumrede, worin er diesen<lb/> Zoll als die schreiendste Belastung der Mittellosen behufs Entlastung der<lb/> Reichen hinstellte. Am 7. Juli konnte Herr Eugen Richter ohne Widerspruch,<lb/> zum Theil mit Beifall aus den nationalliberalen Reihen, das bisher nnr vom<lb/> Zentrum auf den Reichskanzler angewandte Wort des Kapuziners auf die<lb/> Fahne des Liberalismus schreiben: „Solang der Kaiser diesen Friedland läßt<lb/> walten, so lang wird nicht Fried im Land." Am 9. Juli kam es zu der<lb/> großen Auseinandersetzung des Kanzlers, welche darin gipfelte, daß er die<lb/> Ansprüche der nationalliberalen Partei nicht zur Richtschnur seiner Politik<lb/> machen könne, weil diese Partei erstlich nicht die Majorität des Reichstages<lb/> ausmache, und weil sie zweitens, wenn Dinge einmal nicht nach ihrem Sinne<lb/> gehen, sofort bereit sei, in eine rücksichtslose, staatszerstörende Opposition umzu¬<lb/> schlagen, wie der Abgeordnete Laster in seiner Petroleumrede. Am 10. Juli<lb/> aber kamen die Erklärungen des, freilich einstweilen noch kleinen Theils der<lb/> nativncilliberaleu Partei, welcher auch dem Herrn v. Bennigsen nicht in die<lb/> Opposition folgen will. Mit der an ihm gewohnten Tapferkeit erklärte der<lb/> Abgeordnete Volk, die Nichteroberung formeller Garantieen für die Macht des<lb/> Reichstages könne ihn nicht zur Opposition führen, da es mit solchen Garan¬<lb/> tieen wenig auf sich habe. Und ferner: wenn der Minister Falk durch seine<lb/> Stellung zu den innerkirchlichen Angelegenheiten Preußen's zum Rücktritt be¬<lb/> wogen worden, so sei das kein Grund für den Reichstag, die Finanzreform<lb/> in der letzten Stunde zu vereiteln. Diese Rede Volk's wurde freilich der<lb/> Anlaß einer formellen Mißbilligung seitens der Fraktion, und diese Mißbilli¬<lb/> gung hat wiederum den Austritt des Abgeordneten Volk mit 15 Gesinnungs¬<lb/> genossen zur Folge gehabt, denen der Abgeordnete v. Treitschke vorange¬<lb/> gangen war.</p><lb/> <p xml:id="ID_378" next="#ID_379"> Der Reichstag ist geschlossen, und die Befürchtung ist zur Wirklichkeit<lb/> geworden, daß das Reformwerk des Kanzlers dnrch die Hilfe des Zentrums</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0137]
Macht des Reiches war ja gewahrt, den nomineller Eigenthümer nur soweit
zum Besitzer zu machen, als das Reich als Gläubiger der Einzelstaaten aus
deren nominellem Eigenthum seine Bedürfnisse vollauf gedeckt hatte.
Es würde der nationalliberalen Partei, soweit sie sich nicht für den un¬
bedingten Freihandel erklärt hatte, sehr schwer geworden sein, den Uebergang
zur Opposition vor der Öffentlichkeit wirksam zu motiviren, wenn nicht der
Rücktritt der drei Minister eine willkommene Hilfe geboten hätte. Nun konnte
man sagen: Da seht ihr, daß eine allgemeine Reaktion im Anzüge sein muß,
wenn selbst solche Männer sich nicht mehr im Stande fühlen, bei dem Reichs¬
kanzler auszuharren! So mußte schließlich ein blinder Schreckschuß die ernsten
Gründe ersetzen, und nun spielte sich der erste Akt der Oppositionsrolle mit Leich¬
tigkeit ab. Am 5. Juli hielt Herr Laster seiue Petroleumrede, worin er diesen
Zoll als die schreiendste Belastung der Mittellosen behufs Entlastung der
Reichen hinstellte. Am 7. Juli konnte Herr Eugen Richter ohne Widerspruch,
zum Theil mit Beifall aus den nationalliberalen Reihen, das bisher nnr vom
Zentrum auf den Reichskanzler angewandte Wort des Kapuziners auf die
Fahne des Liberalismus schreiben: „Solang der Kaiser diesen Friedland läßt
walten, so lang wird nicht Fried im Land." Am 9. Juli kam es zu der
großen Auseinandersetzung des Kanzlers, welche darin gipfelte, daß er die
Ansprüche der nationalliberalen Partei nicht zur Richtschnur seiner Politik
machen könne, weil diese Partei erstlich nicht die Majorität des Reichstages
ausmache, und weil sie zweitens, wenn Dinge einmal nicht nach ihrem Sinne
gehen, sofort bereit sei, in eine rücksichtslose, staatszerstörende Opposition umzu¬
schlagen, wie der Abgeordnete Laster in seiner Petroleumrede. Am 10. Juli
aber kamen die Erklärungen des, freilich einstweilen noch kleinen Theils der
nativncilliberaleu Partei, welcher auch dem Herrn v. Bennigsen nicht in die
Opposition folgen will. Mit der an ihm gewohnten Tapferkeit erklärte der
Abgeordnete Volk, die Nichteroberung formeller Garantieen für die Macht des
Reichstages könne ihn nicht zur Opposition führen, da es mit solchen Garan¬
tieen wenig auf sich habe. Und ferner: wenn der Minister Falk durch seine
Stellung zu den innerkirchlichen Angelegenheiten Preußen's zum Rücktritt be¬
wogen worden, so sei das kein Grund für den Reichstag, die Finanzreform
in der letzten Stunde zu vereiteln. Diese Rede Volk's wurde freilich der
Anlaß einer formellen Mißbilligung seitens der Fraktion, und diese Mißbilli¬
gung hat wiederum den Austritt des Abgeordneten Volk mit 15 Gesinnungs¬
genossen zur Folge gehabt, denen der Abgeordnete v. Treitschke vorange¬
gangen war.
Der Reichstag ist geschlossen, und die Befürchtung ist zur Wirklichkeit
geworden, daß das Reformwerk des Kanzlers dnrch die Hilfe des Zentrums
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |