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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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nähme in den Verband der Staatsangehörigen hinstellt, so trat an die Regie¬
rung und die Kammern Rumänien's die Vielen unangenehme und in der That
schweren Bedenken unterliegende Nothwendigkeit heran, sich mit der Aushe¬
bung oder Umgestaltung dieses Paragraphen zu beschäftigen. Fürst Karl hat
in der Thronrede, mit der er die Sitzungen des rumänischen Parlamentes
eröffnete, sein Volk gegen den Verdacht religiöser Unduldsamkeit verwahrt und
es für nothwendig erklärt, daß gesetzlich festgestellt werde, in Rumänien dürfe
niemand seines Glaubens halber Rechte zu entbehren haben. Die rumänischen
Juden ferner haben eine Petition an die Kammern gerichtet, worin diese gebeten
werden, ihnen Gleichstellung mit den Christen des Landes zu gewähren. Man
begegnet in diesem "Schmerzensrufe" den üblichen Redensarten von Unverträg¬
lichkeit der jetzigen Stellung der Juden mit den Anforderungen der Zeit, von
der Vaterlandsliebe, welche die jüdischen Einwohner des Landes ebenso beseele
wie die übrigen, von Billigkeit, Gerechtigkeit u. tgi. in. "Der Geist des
modernen Zeitalters," so heißt es weiter, "hat alle Vorurtheile, die gegen uns
verbreitet wurden, verdammt und vernichtet. Es ist eine allgemein anerkannte
Thatsache, daß der Jude ein ebenso guter Bürger des Landes ist, in dem er
lebt, als der Christ. Alle Länder, die unsere Glaubensgenossen naturalisirten,
haben, weit davon entfernt, Veranlassung zu finden, dies zu bedauern, vielmehr
Ursache, sich zu dieser äußerst gerechten Handlung Glück zu wünschen. Geben
Sie nicht zu, daß wir wie Fremdlinge behandelt werden, während die Geschichte
und die Vernunft beweisen, daß wir keine Fremdlinge sind."

Wir sehen davon ab, daß die Mehrzahl der angeführten Behauptungen
dieser Petition außerordentlich gewagter Art sind, und konstatiren zunächst nur,
daß ein großes Wiener Blatt bei aller Wärme, mit der es für die Sache der
Juden spricht, eingestehen muß, daß das jüdische Element in der Moldau, "der
Strom russischer und polnischer Juden, der sich seit dem Jahre 1866 über das
Land hereinwälzte", einem "schmutzigen Wiesenwasser gleicht" und "nicht danach
geartet ist, um für eine sofortige Zulassung zu allen staatsbürgerlichen Rechten
reif und geeignet zu erscheinen", daß, "wenn die Deputirten der Moldau sich
mit Händen und Füßen gegen die Emanzipation sträuben, ihnen ein menschlich
begreiflicher Grund zur Seite steht, und daß, wenn ihr Führer GlM in der
Kammer die ironische Bemerkung machte, Rumänien werde mit der Emanzi¬
pation der Juden nicht zurückhalten, falls England, Frankreich und Deutschland,
die auf derselben beständen, ihre Juden mit den seinigen vertauschten, wenigstens
nicht behauptet werden kann, daß diese Bemerkung ganz unbegründet war".
Dann aber begreisen wir nicht, wie das Blatt in einem Athem verlangen kann,
daß dem "Rechte" der Juden auf Emanzipation freier Lauf gelassen werde.

Ein gesellschaftlich hochstehender und weder intoleranter noch sonst befan-


nähme in den Verband der Staatsangehörigen hinstellt, so trat an die Regie¬
rung und die Kammern Rumänien's die Vielen unangenehme und in der That
schweren Bedenken unterliegende Nothwendigkeit heran, sich mit der Aushe¬
bung oder Umgestaltung dieses Paragraphen zu beschäftigen. Fürst Karl hat
in der Thronrede, mit der er die Sitzungen des rumänischen Parlamentes
eröffnete, sein Volk gegen den Verdacht religiöser Unduldsamkeit verwahrt und
es für nothwendig erklärt, daß gesetzlich festgestellt werde, in Rumänien dürfe
niemand seines Glaubens halber Rechte zu entbehren haben. Die rumänischen
Juden ferner haben eine Petition an die Kammern gerichtet, worin diese gebeten
werden, ihnen Gleichstellung mit den Christen des Landes zu gewähren. Man
begegnet in diesem „Schmerzensrufe" den üblichen Redensarten von Unverträg¬
lichkeit der jetzigen Stellung der Juden mit den Anforderungen der Zeit, von
der Vaterlandsliebe, welche die jüdischen Einwohner des Landes ebenso beseele
wie die übrigen, von Billigkeit, Gerechtigkeit u. tgi. in. „Der Geist des
modernen Zeitalters," so heißt es weiter, „hat alle Vorurtheile, die gegen uns
verbreitet wurden, verdammt und vernichtet. Es ist eine allgemein anerkannte
Thatsache, daß der Jude ein ebenso guter Bürger des Landes ist, in dem er
lebt, als der Christ. Alle Länder, die unsere Glaubensgenossen naturalisirten,
haben, weit davon entfernt, Veranlassung zu finden, dies zu bedauern, vielmehr
Ursache, sich zu dieser äußerst gerechten Handlung Glück zu wünschen. Geben
Sie nicht zu, daß wir wie Fremdlinge behandelt werden, während die Geschichte
und die Vernunft beweisen, daß wir keine Fremdlinge sind."

Wir sehen davon ab, daß die Mehrzahl der angeführten Behauptungen
dieser Petition außerordentlich gewagter Art sind, und konstatiren zunächst nur,
daß ein großes Wiener Blatt bei aller Wärme, mit der es für die Sache der
Juden spricht, eingestehen muß, daß das jüdische Element in der Moldau, „der
Strom russischer und polnischer Juden, der sich seit dem Jahre 1866 über das
Land hereinwälzte", einem „schmutzigen Wiesenwasser gleicht" und „nicht danach
geartet ist, um für eine sofortige Zulassung zu allen staatsbürgerlichen Rechten
reif und geeignet zu erscheinen", daß, „wenn die Deputirten der Moldau sich
mit Händen und Füßen gegen die Emanzipation sträuben, ihnen ein menschlich
begreiflicher Grund zur Seite steht, und daß, wenn ihr Führer GlM in der
Kammer die ironische Bemerkung machte, Rumänien werde mit der Emanzi¬
pation der Juden nicht zurückhalten, falls England, Frankreich und Deutschland,
die auf derselben beständen, ihre Juden mit den seinigen vertauschten, wenigstens
nicht behauptet werden kann, daß diese Bemerkung ganz unbegründet war".
Dann aber begreisen wir nicht, wie das Blatt in einem Athem verlangen kann,
daß dem „Rechte" der Juden auf Emanzipation freier Lauf gelassen werde.

Ein gesellschaftlich hochstehender und weder intoleranter noch sonst befan-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/126>, abgerufen am 01.09.2024.