Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

war List mit einem Male zum ordentlichen Komitemitgliede gestempelt! Das
Konnte hatte den Beschluß gefaßt, daß nur Harkort reden sollte, und was er
mittheilen wollte, war vorher abgekartet. List, der eben von einer Reise, die er
in der Sache der Eisenbahnen nach Berlin, Braunschweig und Magdeburg unter¬
nommen hatte, zurückgekehrt war, hatte von diesem Komitebeschlusse keine Kennt-
niß mehr erlangt. Als Harkort geendet, erhob sich daher List und begann zum
Entsetzen seiner Geschäftsfreunde zu reden.

"Nach zehnjährigen Bestrebungen," sagte er, "ein deutsches Eisenbahnsystem
oder wenigstens ein großes Beispiel zu bewirken, welches dazu führen müßte,
sehe ich mich, Dank sei es den erleuchteten Gesinnungen und dem Patriotismus
der erhabenen Fürsten und hohen Staatsbeamten dieses Landes und den: regen
Sinne des sächsischen Publikums für alles Bessere, mit einem Male an das
Ziel meiner Wünsche versetzt. Die Stadt Leipzig, meine Herren, hat sich in
dieser großen Angelegenheit mit Ruhm bedeckt. Sie hat sich der Ehre würdig
gezeigt, in dem sich eröffnenden Feldzuge zur Eroberung der alten deutschen
Handelsgröße und der neuen englischen Gewerbsindustrie das Banner zu tragen.
Der Lohn darf und wird ihr nicht entgehen, man wird sich zu beeilen haben,
ihre Thore weiter hinauszurücken, damit der Zuwachs des Handels und der
Industrie, so wie er im Gefolge der Eisenbahnen seinen Einzug halten wird,
Quartier finde. Schon blicken Städte wie Berlin und Magdeburg, Ham¬
burg und Bremen, Lübeck und Stettin, Braunschweig und Hannover, Frankfurt
a. M. und Breslau, Merseburg und Augsburg auf uns mit dem Wunsche, wir
möchten ihnen die Hände reichen. Nicht drei Jahre werden vergehen, nachdem
die Städte Leipzig und Dresden unter einander verbunden sein werden, und
diese Handelsstadt wird auf der einen Seite der Nord- und Ostsee, auf der
andern den Tyroler und Schweizer Alpen, westlich dem Rhein und östlich der
Oder in kommerzieller und gesellschaftlicher Beziehung fo nahe sein wie früher
der Elbe und der Saale. In der Zwischenzeit wird Sachsen die Riesen wecken,
die in seinen Bergen schlafen und nur eines Rufes harren, um in den an Wasser¬
kraft so armen Ebenen, die sich vom Fuße des Erzgebirges nach Nord und
Nordost zur See hin erstrecken, die Maschinen zu treiben, welche der durch deu
Zollverein gesicherte inländische Markt beschäftigen wird. Durch Privatauf-
fvrderungeu veranlaßt, habe ich bereits auf verschiedenen Hauptpunkten von Deutsch¬
land Schritte gethan, die, wie ich hoffe, zur Herstellung der Hauptsträuge eines
deutschen Eisenbahnsystems führen werden, nämlich 1.) das von Basel über
Mannheim, Frankfurt, Leipzig, Magdeburg und Berlin nach Hamburg; 2.) von
Frankfurt über Kassel, Hannover und Braunschweig uach Bremen und Hamburg;
:^.) von Berlin über Magdeburg, Braunschweig, Hannover und Minden nach
Köln. Welchen wichtigen Einfluß diese Entwürfe auf die Leipzig-Dresdner


war List mit einem Male zum ordentlichen Komitemitgliede gestempelt! Das
Konnte hatte den Beschluß gefaßt, daß nur Harkort reden sollte, und was er
mittheilen wollte, war vorher abgekartet. List, der eben von einer Reise, die er
in der Sache der Eisenbahnen nach Berlin, Braunschweig und Magdeburg unter¬
nommen hatte, zurückgekehrt war, hatte von diesem Komitebeschlusse keine Kennt-
niß mehr erlangt. Als Harkort geendet, erhob sich daher List und begann zum
Entsetzen seiner Geschäftsfreunde zu reden.

„Nach zehnjährigen Bestrebungen," sagte er, „ein deutsches Eisenbahnsystem
oder wenigstens ein großes Beispiel zu bewirken, welches dazu führen müßte,
sehe ich mich, Dank sei es den erleuchteten Gesinnungen und dem Patriotismus
der erhabenen Fürsten und hohen Staatsbeamten dieses Landes und den: regen
Sinne des sächsischen Publikums für alles Bessere, mit einem Male an das
Ziel meiner Wünsche versetzt. Die Stadt Leipzig, meine Herren, hat sich in
dieser großen Angelegenheit mit Ruhm bedeckt. Sie hat sich der Ehre würdig
gezeigt, in dem sich eröffnenden Feldzuge zur Eroberung der alten deutschen
Handelsgröße und der neuen englischen Gewerbsindustrie das Banner zu tragen.
Der Lohn darf und wird ihr nicht entgehen, man wird sich zu beeilen haben,
ihre Thore weiter hinauszurücken, damit der Zuwachs des Handels und der
Industrie, so wie er im Gefolge der Eisenbahnen seinen Einzug halten wird,
Quartier finde. Schon blicken Städte wie Berlin und Magdeburg, Ham¬
burg und Bremen, Lübeck und Stettin, Braunschweig und Hannover, Frankfurt
a. M. und Breslau, Merseburg und Augsburg auf uns mit dem Wunsche, wir
möchten ihnen die Hände reichen. Nicht drei Jahre werden vergehen, nachdem
die Städte Leipzig und Dresden unter einander verbunden sein werden, und
diese Handelsstadt wird auf der einen Seite der Nord- und Ostsee, auf der
andern den Tyroler und Schweizer Alpen, westlich dem Rhein und östlich der
Oder in kommerzieller und gesellschaftlicher Beziehung fo nahe sein wie früher
der Elbe und der Saale. In der Zwischenzeit wird Sachsen die Riesen wecken,
die in seinen Bergen schlafen und nur eines Rufes harren, um in den an Wasser¬
kraft so armen Ebenen, die sich vom Fuße des Erzgebirges nach Nord und
Nordost zur See hin erstrecken, die Maschinen zu treiben, welche der durch deu
Zollverein gesicherte inländische Markt beschäftigen wird. Durch Privatauf-
fvrderungeu veranlaßt, habe ich bereits auf verschiedenen Hauptpunkten von Deutsch¬
land Schritte gethan, die, wie ich hoffe, zur Herstellung der Hauptsträuge eines
deutschen Eisenbahnsystems führen werden, nämlich 1.) das von Basel über
Mannheim, Frankfurt, Leipzig, Magdeburg und Berlin nach Hamburg; 2.) von
Frankfurt über Kassel, Hannover und Braunschweig uach Bremen und Hamburg;
:^.) von Berlin über Magdeburg, Braunschweig, Hannover und Minden nach
Köln. Welchen wichtigen Einfluß diese Entwürfe auf die Leipzig-Dresdner


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0121" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142618"/>
          <p xml:id="ID_332" prev="#ID_331"> war List mit einem Male zum ordentlichen Komitemitgliede gestempelt! Das<lb/>
Konnte hatte den Beschluß gefaßt, daß nur Harkort reden sollte, und was er<lb/>
mittheilen wollte, war vorher abgekartet. List, der eben von einer Reise, die er<lb/>
in der Sache der Eisenbahnen nach Berlin, Braunschweig und Magdeburg unter¬<lb/>
nommen hatte, zurückgekehrt war, hatte von diesem Komitebeschlusse keine Kennt-<lb/>
niß mehr erlangt. Als Harkort geendet, erhob sich daher List und begann zum<lb/>
Entsetzen seiner Geschäftsfreunde zu reden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_333" next="#ID_334"> &#x201E;Nach zehnjährigen Bestrebungen," sagte er, &#x201E;ein deutsches Eisenbahnsystem<lb/>
oder wenigstens ein großes Beispiel zu bewirken, welches dazu führen müßte,<lb/>
sehe ich mich, Dank sei es den erleuchteten Gesinnungen und dem Patriotismus<lb/>
der erhabenen Fürsten und hohen Staatsbeamten dieses Landes und den: regen<lb/>
Sinne des sächsischen Publikums für alles Bessere, mit einem Male an das<lb/>
Ziel meiner Wünsche versetzt. Die Stadt Leipzig, meine Herren, hat sich in<lb/>
dieser großen Angelegenheit mit Ruhm bedeckt. Sie hat sich der Ehre würdig<lb/>
gezeigt, in dem sich eröffnenden Feldzuge zur Eroberung der alten deutschen<lb/>
Handelsgröße und der neuen englischen Gewerbsindustrie das Banner zu tragen.<lb/>
Der Lohn darf und wird ihr nicht entgehen, man wird sich zu beeilen haben,<lb/>
ihre Thore weiter hinauszurücken, damit der Zuwachs des Handels und der<lb/>
Industrie, so wie er im Gefolge der Eisenbahnen seinen Einzug halten wird,<lb/>
Quartier finde. Schon blicken Städte wie Berlin und Magdeburg, Ham¬<lb/>
burg und Bremen, Lübeck und Stettin, Braunschweig und Hannover, Frankfurt<lb/>
a. M. und Breslau, Merseburg und Augsburg auf uns mit dem Wunsche, wir<lb/>
möchten ihnen die Hände reichen. Nicht drei Jahre werden vergehen, nachdem<lb/>
die Städte Leipzig und Dresden unter einander verbunden sein werden, und<lb/>
diese Handelsstadt wird auf der einen Seite der Nord- und Ostsee, auf der<lb/>
andern den Tyroler und Schweizer Alpen, westlich dem Rhein und östlich der<lb/>
Oder in kommerzieller und gesellschaftlicher Beziehung fo nahe sein wie früher<lb/>
der Elbe und der Saale. In der Zwischenzeit wird Sachsen die Riesen wecken,<lb/>
die in seinen Bergen schlafen und nur eines Rufes harren, um in den an Wasser¬<lb/>
kraft so armen Ebenen, die sich vom Fuße des Erzgebirges nach Nord und<lb/>
Nordost zur See hin erstrecken, die Maschinen zu treiben, welche der durch deu<lb/>
Zollverein gesicherte inländische Markt beschäftigen wird. Durch Privatauf-<lb/>
fvrderungeu veranlaßt, habe ich bereits auf verschiedenen Hauptpunkten von Deutsch¬<lb/>
land Schritte gethan, die, wie ich hoffe, zur Herstellung der Hauptsträuge eines<lb/>
deutschen Eisenbahnsystems führen werden, nämlich 1.) das von Basel über<lb/>
Mannheim, Frankfurt, Leipzig, Magdeburg und Berlin nach Hamburg; 2.) von<lb/>
Frankfurt über Kassel, Hannover und Braunschweig uach Bremen und Hamburg;<lb/>
:^.) von Berlin über Magdeburg, Braunschweig, Hannover und Minden nach<lb/>
Köln. Welchen wichtigen Einfluß diese Entwürfe auf die Leipzig-Dresdner</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0121] war List mit einem Male zum ordentlichen Komitemitgliede gestempelt! Das Konnte hatte den Beschluß gefaßt, daß nur Harkort reden sollte, und was er mittheilen wollte, war vorher abgekartet. List, der eben von einer Reise, die er in der Sache der Eisenbahnen nach Berlin, Braunschweig und Magdeburg unter¬ nommen hatte, zurückgekehrt war, hatte von diesem Komitebeschlusse keine Kennt- niß mehr erlangt. Als Harkort geendet, erhob sich daher List und begann zum Entsetzen seiner Geschäftsfreunde zu reden. „Nach zehnjährigen Bestrebungen," sagte er, „ein deutsches Eisenbahnsystem oder wenigstens ein großes Beispiel zu bewirken, welches dazu führen müßte, sehe ich mich, Dank sei es den erleuchteten Gesinnungen und dem Patriotismus der erhabenen Fürsten und hohen Staatsbeamten dieses Landes und den: regen Sinne des sächsischen Publikums für alles Bessere, mit einem Male an das Ziel meiner Wünsche versetzt. Die Stadt Leipzig, meine Herren, hat sich in dieser großen Angelegenheit mit Ruhm bedeckt. Sie hat sich der Ehre würdig gezeigt, in dem sich eröffnenden Feldzuge zur Eroberung der alten deutschen Handelsgröße und der neuen englischen Gewerbsindustrie das Banner zu tragen. Der Lohn darf und wird ihr nicht entgehen, man wird sich zu beeilen haben, ihre Thore weiter hinauszurücken, damit der Zuwachs des Handels und der Industrie, so wie er im Gefolge der Eisenbahnen seinen Einzug halten wird, Quartier finde. Schon blicken Städte wie Berlin und Magdeburg, Ham¬ burg und Bremen, Lübeck und Stettin, Braunschweig und Hannover, Frankfurt a. M. und Breslau, Merseburg und Augsburg auf uns mit dem Wunsche, wir möchten ihnen die Hände reichen. Nicht drei Jahre werden vergehen, nachdem die Städte Leipzig und Dresden unter einander verbunden sein werden, und diese Handelsstadt wird auf der einen Seite der Nord- und Ostsee, auf der andern den Tyroler und Schweizer Alpen, westlich dem Rhein und östlich der Oder in kommerzieller und gesellschaftlicher Beziehung fo nahe sein wie früher der Elbe und der Saale. In der Zwischenzeit wird Sachsen die Riesen wecken, die in seinen Bergen schlafen und nur eines Rufes harren, um in den an Wasser¬ kraft so armen Ebenen, die sich vom Fuße des Erzgebirges nach Nord und Nordost zur See hin erstrecken, die Maschinen zu treiben, welche der durch deu Zollverein gesicherte inländische Markt beschäftigen wird. Durch Privatauf- fvrderungeu veranlaßt, habe ich bereits auf verschiedenen Hauptpunkten von Deutsch¬ land Schritte gethan, die, wie ich hoffe, zur Herstellung der Hauptsträuge eines deutschen Eisenbahnsystems führen werden, nämlich 1.) das von Basel über Mannheim, Frankfurt, Leipzig, Magdeburg und Berlin nach Hamburg; 2.) von Frankfurt über Kassel, Hannover und Braunschweig uach Bremen und Hamburg; :^.) von Berlin über Magdeburg, Braunschweig, Hannover und Minden nach Köln. Welchen wichtigen Einfluß diese Entwürfe auf die Leipzig-Dresdner

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/121
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/121>, abgerufen am 27.11.2024.