Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

ihm gemacht worden waren, "Ich will/' sagte er, "nicht untersuchen, warum nach
solchen Leistungen meine Erfahrungen nicht zum Behufe der Ausführung unseres
Unternehmens benutzt worden find, nicht fragen will ich, warum dieselben nicht
noch jetzt benutzt werden. Ich beschränke mich darauf, zu erklären, daß ich mich
nicht schuldig fühle, von meiner Seite eine Veranlassung zu dieser auffallenden
Beiseitesetzung gegeben zu haben, und daß Ehre und Billigkeit dieser Kompagnie
es zur Pflicht machen, mir wenigstens eine" erklecklichen Schadenersatz zuzuer¬
kennen. Ich habe jetzt fünf Jahre meines Lebens dieser Sache geopfert, die
ersten drei Jahre, indem ich für dieses Unternehmen arbeitete, die letzten zwei,
indem ich vertrauensvoll erwartete, daß man mir werde Gerechtigkeit wider¬
fahren lassen." Er stellte darauf den Antrag, die Generalversammlung möge
den Ausschuß beauftragen, nach den Statuten Schiedsrichter zu ernennen, die
nach gehörig angestellter Untersuchung der Umstände und nach den Forderungen
der Ehre und Billigkeit ihm eine angemessene Entschädigung zuzuerkennen be¬
fugt sein sollten.

Der Vorsitzende Harkort bestätigte 'die Angaben List's ausdrücklich, die
übrigen Direktorialmitglieder durch ihr Schweigen. Auch die Gewährung des
Antrages fand man nach den Statuten allgemein zulässig. Als aber einer der
Freunde List's den weiteren Antrag stellte, man möge von vornherein bestimmen,
daß die Schiedsrichter nicht aus dem Advokatenstande gewählt werden dürften,
brach ein Sturm der Entrüstung aus. Die Opposition, die oft genug gegen
List's Person gerichtet worden war, schien heute darauf auszugehen, ihn vor
der Versammlung herabzuwürdigen. Auch das Direktorium widersprach. So
fiel sein Antrag dnrch, und man drang in ihn, seine Ansprüche ans die Gewäh¬
rung einer bestimmten Summe zu richten, wenn er überhaupt wünsche, daß die
Generalversammlung in seiner Sache einen Beschluß fasse.

Auf eine solche Wendung war List nicht vorbereitet. niedergedrückt durch
die Opposition, die er fand, ungewiß über die Stimmung der anwesenden
Aktionäre und gedrängt von seinen eigenen Freunden, seine Forderung billig
zu stellen, nannte er aus Furcht vor der Demüthigung, von der Generalver¬
sammlung ganz zurückgewiesen zu werdeu, die Summe von 2000 Thalern, die,
wie er in seinem Schreiben an den Ausschuß versichert, ihn: nicht zum dritten
Theil den baaren Aufwand ersetzte, den er gehabt hatte. Hierauf entfernte er
sich, und in seiner Abwesenheit wurden ihm denn die 2000 Thaler "als Aver-
sionalsumme für die Aufgabe aller weiteren wegen seiner Theilnahme an dem
Unternehmen einer Eisenbahn von Leipzig nach Dresden zu machenden Ansprüche
nachträglich gewahrt". Der Antrag wurde mit 256 gegen 70 Stimmen ange¬
nommen, und zugleich sprach die Versammlung den Wunsch aus, es möge "ihr


ihm gemacht worden waren, „Ich will/' sagte er, „nicht untersuchen, warum nach
solchen Leistungen meine Erfahrungen nicht zum Behufe der Ausführung unseres
Unternehmens benutzt worden find, nicht fragen will ich, warum dieselben nicht
noch jetzt benutzt werden. Ich beschränke mich darauf, zu erklären, daß ich mich
nicht schuldig fühle, von meiner Seite eine Veranlassung zu dieser auffallenden
Beiseitesetzung gegeben zu haben, und daß Ehre und Billigkeit dieser Kompagnie
es zur Pflicht machen, mir wenigstens eine» erklecklichen Schadenersatz zuzuer¬
kennen. Ich habe jetzt fünf Jahre meines Lebens dieser Sache geopfert, die
ersten drei Jahre, indem ich für dieses Unternehmen arbeitete, die letzten zwei,
indem ich vertrauensvoll erwartete, daß man mir werde Gerechtigkeit wider¬
fahren lassen." Er stellte darauf den Antrag, die Generalversammlung möge
den Ausschuß beauftragen, nach den Statuten Schiedsrichter zu ernennen, die
nach gehörig angestellter Untersuchung der Umstände und nach den Forderungen
der Ehre und Billigkeit ihm eine angemessene Entschädigung zuzuerkennen be¬
fugt sein sollten.

Der Vorsitzende Harkort bestätigte 'die Angaben List's ausdrücklich, die
übrigen Direktorialmitglieder durch ihr Schweigen. Auch die Gewährung des
Antrages fand man nach den Statuten allgemein zulässig. Als aber einer der
Freunde List's den weiteren Antrag stellte, man möge von vornherein bestimmen,
daß die Schiedsrichter nicht aus dem Advokatenstande gewählt werden dürften,
brach ein Sturm der Entrüstung aus. Die Opposition, die oft genug gegen
List's Person gerichtet worden war, schien heute darauf auszugehen, ihn vor
der Versammlung herabzuwürdigen. Auch das Direktorium widersprach. So
fiel sein Antrag dnrch, und man drang in ihn, seine Ansprüche ans die Gewäh¬
rung einer bestimmten Summe zu richten, wenn er überhaupt wünsche, daß die
Generalversammlung in seiner Sache einen Beschluß fasse.

Auf eine solche Wendung war List nicht vorbereitet. niedergedrückt durch
die Opposition, die er fand, ungewiß über die Stimmung der anwesenden
Aktionäre und gedrängt von seinen eigenen Freunden, seine Forderung billig
zu stellen, nannte er aus Furcht vor der Demüthigung, von der Generalver¬
sammlung ganz zurückgewiesen zu werdeu, die Summe von 2000 Thalern, die,
wie er in seinem Schreiben an den Ausschuß versichert, ihn: nicht zum dritten
Theil den baaren Aufwand ersetzte, den er gehabt hatte. Hierauf entfernte er
sich, und in seiner Abwesenheit wurden ihm denn die 2000 Thaler „als Aver-
sionalsumme für die Aufgabe aller weiteren wegen seiner Theilnahme an dem
Unternehmen einer Eisenbahn von Leipzig nach Dresden zu machenden Ansprüche
nachträglich gewahrt". Der Antrag wurde mit 256 gegen 70 Stimmen ange¬
nommen, und zugleich sprach die Versammlung den Wunsch aus, es möge „ihr


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0116" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142613"/>
          <p xml:id="ID_318" prev="#ID_317"> ihm gemacht worden waren, &#x201E;Ich will/' sagte er, &#x201E;nicht untersuchen, warum nach<lb/>
solchen Leistungen meine Erfahrungen nicht zum Behufe der Ausführung unseres<lb/>
Unternehmens benutzt worden find, nicht fragen will ich, warum dieselben nicht<lb/>
noch jetzt benutzt werden. Ich beschränke mich darauf, zu erklären, daß ich mich<lb/>
nicht schuldig fühle, von meiner Seite eine Veranlassung zu dieser auffallenden<lb/>
Beiseitesetzung gegeben zu haben, und daß Ehre und Billigkeit dieser Kompagnie<lb/>
es zur Pflicht machen, mir wenigstens eine» erklecklichen Schadenersatz zuzuer¬<lb/>
kennen. Ich habe jetzt fünf Jahre meines Lebens dieser Sache geopfert, die<lb/>
ersten drei Jahre, indem ich für dieses Unternehmen arbeitete, die letzten zwei,<lb/>
indem ich vertrauensvoll erwartete, daß man mir werde Gerechtigkeit wider¬<lb/>
fahren lassen." Er stellte darauf den Antrag, die Generalversammlung möge<lb/>
den Ausschuß beauftragen, nach den Statuten Schiedsrichter zu ernennen, die<lb/>
nach gehörig angestellter Untersuchung der Umstände und nach den Forderungen<lb/>
der Ehre und Billigkeit ihm eine angemessene Entschädigung zuzuerkennen be¬<lb/>
fugt sein sollten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_319"> Der Vorsitzende Harkort bestätigte 'die Angaben List's ausdrücklich, die<lb/>
übrigen Direktorialmitglieder durch ihr Schweigen. Auch die Gewährung des<lb/>
Antrages fand man nach den Statuten allgemein zulässig. Als aber einer der<lb/>
Freunde List's den weiteren Antrag stellte, man möge von vornherein bestimmen,<lb/>
daß die Schiedsrichter nicht aus dem Advokatenstande gewählt werden dürften,<lb/>
brach ein Sturm der Entrüstung aus. Die Opposition, die oft genug gegen<lb/>
List's Person gerichtet worden war, schien heute darauf auszugehen, ihn vor<lb/>
der Versammlung herabzuwürdigen. Auch das Direktorium widersprach. So<lb/>
fiel sein Antrag dnrch, und man drang in ihn, seine Ansprüche ans die Gewäh¬<lb/>
rung einer bestimmten Summe zu richten, wenn er überhaupt wünsche, daß die<lb/>
Generalversammlung in seiner Sache einen Beschluß fasse.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_320" next="#ID_321"> Auf eine solche Wendung war List nicht vorbereitet. niedergedrückt durch<lb/>
die Opposition, die er fand, ungewiß über die Stimmung der anwesenden<lb/>
Aktionäre und gedrängt von seinen eigenen Freunden, seine Forderung billig<lb/>
zu stellen, nannte er aus Furcht vor der Demüthigung, von der Generalver¬<lb/>
sammlung ganz zurückgewiesen zu werdeu, die Summe von 2000 Thalern, die,<lb/>
wie er in seinem Schreiben an den Ausschuß versichert, ihn: nicht zum dritten<lb/>
Theil den baaren Aufwand ersetzte, den er gehabt hatte. Hierauf entfernte er<lb/>
sich, und in seiner Abwesenheit wurden ihm denn die 2000 Thaler &#x201E;als Aver-<lb/>
sionalsumme für die Aufgabe aller weiteren wegen seiner Theilnahme an dem<lb/>
Unternehmen einer Eisenbahn von Leipzig nach Dresden zu machenden Ansprüche<lb/>
nachträglich gewahrt". Der Antrag wurde mit 256 gegen 70 Stimmen ange¬<lb/>
nommen, und zugleich sprach die Versammlung den Wunsch aus, es möge &#x201E;ihr</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0116] ihm gemacht worden waren, „Ich will/' sagte er, „nicht untersuchen, warum nach solchen Leistungen meine Erfahrungen nicht zum Behufe der Ausführung unseres Unternehmens benutzt worden find, nicht fragen will ich, warum dieselben nicht noch jetzt benutzt werden. Ich beschränke mich darauf, zu erklären, daß ich mich nicht schuldig fühle, von meiner Seite eine Veranlassung zu dieser auffallenden Beiseitesetzung gegeben zu haben, und daß Ehre und Billigkeit dieser Kompagnie es zur Pflicht machen, mir wenigstens eine» erklecklichen Schadenersatz zuzuer¬ kennen. Ich habe jetzt fünf Jahre meines Lebens dieser Sache geopfert, die ersten drei Jahre, indem ich für dieses Unternehmen arbeitete, die letzten zwei, indem ich vertrauensvoll erwartete, daß man mir werde Gerechtigkeit wider¬ fahren lassen." Er stellte darauf den Antrag, die Generalversammlung möge den Ausschuß beauftragen, nach den Statuten Schiedsrichter zu ernennen, die nach gehörig angestellter Untersuchung der Umstände und nach den Forderungen der Ehre und Billigkeit ihm eine angemessene Entschädigung zuzuerkennen be¬ fugt sein sollten. Der Vorsitzende Harkort bestätigte 'die Angaben List's ausdrücklich, die übrigen Direktorialmitglieder durch ihr Schweigen. Auch die Gewährung des Antrages fand man nach den Statuten allgemein zulässig. Als aber einer der Freunde List's den weiteren Antrag stellte, man möge von vornherein bestimmen, daß die Schiedsrichter nicht aus dem Advokatenstande gewählt werden dürften, brach ein Sturm der Entrüstung aus. Die Opposition, die oft genug gegen List's Person gerichtet worden war, schien heute darauf auszugehen, ihn vor der Versammlung herabzuwürdigen. Auch das Direktorium widersprach. So fiel sein Antrag dnrch, und man drang in ihn, seine Ansprüche ans die Gewäh¬ rung einer bestimmten Summe zu richten, wenn er überhaupt wünsche, daß die Generalversammlung in seiner Sache einen Beschluß fasse. Auf eine solche Wendung war List nicht vorbereitet. niedergedrückt durch die Opposition, die er fand, ungewiß über die Stimmung der anwesenden Aktionäre und gedrängt von seinen eigenen Freunden, seine Forderung billig zu stellen, nannte er aus Furcht vor der Demüthigung, von der Generalver¬ sammlung ganz zurückgewiesen zu werdeu, die Summe von 2000 Thalern, die, wie er in seinem Schreiben an den Ausschuß versichert, ihn: nicht zum dritten Theil den baaren Aufwand ersetzte, den er gehabt hatte. Hierauf entfernte er sich, und in seiner Abwesenheit wurden ihm denn die 2000 Thaler „als Aver- sionalsumme für die Aufgabe aller weiteren wegen seiner Theilnahme an dem Unternehmen einer Eisenbahn von Leipzig nach Dresden zu machenden Ansprüche nachträglich gewahrt". Der Antrag wurde mit 256 gegen 70 Stimmen ange¬ nommen, und zugleich sprach die Versammlung den Wunsch aus, es möge „ihr

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/116
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/116>, abgerufen am 01.09.2024.