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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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"Die kaiserliche Negierung erblickt in dem Dekrete vom 22. April, durch
welches einseitig unter Aufhebung bestehender anerkannter Rechte Seitens der
aegyptischen Negierung die Regelung der Schuldverhältnisse bestimmt wird, eine
offene und direkte Verletzung der mit der Jnstizreform übernommenen inter¬
nationalen Verpflichtungen, muß dem Dekrete jede rechtsverbindliche Wirkung
mit Bezug auf die Kompetenz der gemischten Gerichtshöfe und der Rechte der
Reichsangehörigen absprechen und macht den Vizekvnig für alle Konsequenzen
seines rechtswidrigen Verfahrens, verantwortlich."

Man wird zugeben, daß diese Erklärung an Deutlichkeit und Entschieden¬
heit nichts zu wünschen übrig ließ. Sie war keineswegs, wie Manche anfangs
meinten, blos eine platonische Entfaltung von Sympathie mit dem Westen
gegen den Osten. Der Chediw scheint sie anfangs ungefähr so angesehen zu
haben; denn er zögerte einen Augenblick mit seiner Antwort, und seine feilen
arabischen Zeitungen spieen Gift und Galle gegen Bismarck, den Urheber alles
Unheils, der, nachdem er Oesterreich und Frankreich niedergeschlagen, sich nun
auf Aegypten stürze, da er gerade nichts Besseres zu thun wisse. Das war
natürlich bedeutungslos. Wichtiger war, daß die französischen Blätter den
Schritt des deutschen Reichskanzlers zwar mit verhaltenem Aerger betrachteten,
denselben aber würdig und loyal nannten und ihre Regierung aufforderten
sich doch nicht von Berlin beschämen zu lassen, und daß die Kommissäre der
aegyptischen Staatsschuldenkasse gegenüber dem Finanzminister Raghib ebenfalls
protestirten und sich weigerten, das April-Dekret anzuerkennen und so ihre
Rechte und diejenigen der von ihnen vertretenen Gläubiger preiszugeben. Endlich
schlössen sich allmählich alle Großmächte dem deutschen Proteste an, nachdem
von Seiten England's und Frankreich's der Plan, nur Wiederherstellung der
beiden vom Chediw durch seinen Staatsstreich ausgehobenen Kontroleurposten
zu fordern -- ein Plan, der bei dem Charakter des Vizekönigs wenig gefruchtet
hätte, da er die Kontrole.der beiden Herren umgehen und zu bloßer Schein¬
wirksamkeit machen konnte -- aufgegeben worden war.

So blieb Ismail nichts übrig, als dem Gesammtproteste der Mächte Folge
zu geben. Am 15. Juni richtete der aegyptische Premierminister Sherif Pascha
an die Generalkonsuln ein Rundschreiben, worin er dieselben benachrichtigte,
daß das den "nationalen Finanzplan" verkörpernde Dekret vom 22. April
annullirt worden sei, und gleichzeitig unverzügliche und volle Zahlung der
schwebenden Schuld zusagte. Die Fragen bezüglich des Zinssatzes und der
Garantien der unifizirten Schuld sollten den Großmächten zur Lösung über¬
lassen bleiben. Das war etwas, aber uicht alles, was man verlangen konnte.
Der Chediw fügte sich, wie er oft schon gethan, dem Drucke des Augenblickes.
Er versprach volle Befriedigung der Ansprüche seiner Gläubiger, die von den


„Die kaiserliche Negierung erblickt in dem Dekrete vom 22. April, durch
welches einseitig unter Aufhebung bestehender anerkannter Rechte Seitens der
aegyptischen Negierung die Regelung der Schuldverhältnisse bestimmt wird, eine
offene und direkte Verletzung der mit der Jnstizreform übernommenen inter¬
nationalen Verpflichtungen, muß dem Dekrete jede rechtsverbindliche Wirkung
mit Bezug auf die Kompetenz der gemischten Gerichtshöfe und der Rechte der
Reichsangehörigen absprechen und macht den Vizekvnig für alle Konsequenzen
seines rechtswidrigen Verfahrens, verantwortlich."

Man wird zugeben, daß diese Erklärung an Deutlichkeit und Entschieden¬
heit nichts zu wünschen übrig ließ. Sie war keineswegs, wie Manche anfangs
meinten, blos eine platonische Entfaltung von Sympathie mit dem Westen
gegen den Osten. Der Chediw scheint sie anfangs ungefähr so angesehen zu
haben; denn er zögerte einen Augenblick mit seiner Antwort, und seine feilen
arabischen Zeitungen spieen Gift und Galle gegen Bismarck, den Urheber alles
Unheils, der, nachdem er Oesterreich und Frankreich niedergeschlagen, sich nun
auf Aegypten stürze, da er gerade nichts Besseres zu thun wisse. Das war
natürlich bedeutungslos. Wichtiger war, daß die französischen Blätter den
Schritt des deutschen Reichskanzlers zwar mit verhaltenem Aerger betrachteten,
denselben aber würdig und loyal nannten und ihre Regierung aufforderten
sich doch nicht von Berlin beschämen zu lassen, und daß die Kommissäre der
aegyptischen Staatsschuldenkasse gegenüber dem Finanzminister Raghib ebenfalls
protestirten und sich weigerten, das April-Dekret anzuerkennen und so ihre
Rechte und diejenigen der von ihnen vertretenen Gläubiger preiszugeben. Endlich
schlössen sich allmählich alle Großmächte dem deutschen Proteste an, nachdem
von Seiten England's und Frankreich's der Plan, nur Wiederherstellung der
beiden vom Chediw durch seinen Staatsstreich ausgehobenen Kontroleurposten
zu fordern — ein Plan, der bei dem Charakter des Vizekönigs wenig gefruchtet
hätte, da er die Kontrole.der beiden Herren umgehen und zu bloßer Schein¬
wirksamkeit machen konnte — aufgegeben worden war.

So blieb Ismail nichts übrig, als dem Gesammtproteste der Mächte Folge
zu geben. Am 15. Juni richtete der aegyptische Premierminister Sherif Pascha
an die Generalkonsuln ein Rundschreiben, worin er dieselben benachrichtigte,
daß das den „nationalen Finanzplan" verkörpernde Dekret vom 22. April
annullirt worden sei, und gleichzeitig unverzügliche und volle Zahlung der
schwebenden Schuld zusagte. Die Fragen bezüglich des Zinssatzes und der
Garantien der unifizirten Schuld sollten den Großmächten zur Lösung über¬
lassen bleiben. Das war etwas, aber uicht alles, was man verlangen konnte.
Der Chediw fügte sich, wie er oft schon gethan, dem Drucke des Augenblickes.
Er versprach volle Befriedigung der Ansprüche seiner Gläubiger, die von den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/11>, abgerufen am 27.11.2024.