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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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entspringen würde. Er hatte am Tage der Zeichnung zu erkennen gegeben, daß
er diese Aktien als die seinigen betrachte. Es war das vollkommen so gut, als
ob er sie gezeichnet hätte, sie waren sein Eigenthum. Trotzdem wurden sie von
Personen, die kein Verfügungsrecht darüber hatten, wider seinen Willen an
andere verschenkt -- an Männer, die sich "Verdienste um die Kompagnie erworben
hatten", unter anderen auch an diejenigen, welche sich den ganz besondern
Ruhm erworben, dem ersten Anreger und Förderer des Unternehmens die
Wahlfähigkeit für das Vorbereitungskomite abdekretirt zu haben!

Wem hatten die Mitglieder des Komitos es zu verdanken, daß die Aktien
der Leipzig-Dresdner Eisenbahnkompagnie damals schon ein verschenkbares Objekt
waren? daß sie über xari standen? Wem hatten sie es zu verdanken, daß sie
an den Aktien, die sie zu übernehmen sich verpflichtet hatten, nicht eine empfind¬
liche Einbuße erlitten? Wem endlich, daß die Kompagnie aus dem Verkauf
des Restes 12--15000 Thaler einnahm, ja, daß sie überhaupt nur Abnehmer
dafür fand? Wem anders als List, der unermüdlich thätig gewesen war, in
der Presse für das Unternehmen zu wirken, der durch die gewissenhafte Art der
Vorbereitung und durch die Gründlichkeit seiner Berichte, durch den geschickten
Prospekt, den er mit Dufour zusammen entworfen, dem Publikum erst Vertrauen
zu dem Unternehmen eingeflößt hatte? Daß die ebenerwähnte unerwartete
Extraeinnahme der Kompagnie das Vermächtnis; Friedrich List's war, haben
die Mitglieder des Komites in ihrer Eigenschaft als Direktoren der Kompagnie
später selber anerkannt; aber obgleich List keine Gelegenheit unbenutzt ließ, gegen
die ungerechtfertigte, eigenmächtige Verfügung des Komites zu Protestiren, seine
Aktien hat er nie bekommen.

Aber wie nachtheilig dieser Ausgang der Aktienzeichnung für List auch war
-- es war doch immer nur ein materieller Verlust, der leicht ersetzt
oder verschmerzt werden konnte. Aber es war auch nur ein Vorspiel, eine
Probe von der Gesinnung der Komitemitglieder gegen ihn. Kurz darauf sollte
diese Gesinnung ihren höchsten Triumph feiern -- einen Triumph, den List erst
in Kufstein verschmerzte.

List hatte stets den höchsten Werth darauf gelegt, bei der Direktion der
Eisenbahn für einige Jahre eine Stellung zu erhalten. Er hatte dies zur Durch¬
führung seiner Pläne nöthig; sein Einfluß auf die späteren Unternehmungen
war verhältnißmäßig gewichtiger, wenn das erste unter seiner Mitwirkung zur
Blüthe gedieh. Nun wählte ihn zwar die Generalversammlung in den Ausschuß,
aber der Ausschuß gab ihm bei der Wahl der Direktoren keine einzige Stimme,
und doch waren alle Mitglieder des Komites auch Mitglieder des Ausschusses ge¬
worden. Dieselben Personen, welche sich verpflichtet hatten, für die Bedingungen
List's bei der künftigen Kompagnie einzutreten, hielten ihre Versprechungen nicht


entspringen würde. Er hatte am Tage der Zeichnung zu erkennen gegeben, daß
er diese Aktien als die seinigen betrachte. Es war das vollkommen so gut, als
ob er sie gezeichnet hätte, sie waren sein Eigenthum. Trotzdem wurden sie von
Personen, die kein Verfügungsrecht darüber hatten, wider seinen Willen an
andere verschenkt — an Männer, die sich „Verdienste um die Kompagnie erworben
hatten", unter anderen auch an diejenigen, welche sich den ganz besondern
Ruhm erworben, dem ersten Anreger und Förderer des Unternehmens die
Wahlfähigkeit für das Vorbereitungskomite abdekretirt zu haben!

Wem hatten die Mitglieder des Komitos es zu verdanken, daß die Aktien
der Leipzig-Dresdner Eisenbahnkompagnie damals schon ein verschenkbares Objekt
waren? daß sie über xari standen? Wem hatten sie es zu verdanken, daß sie
an den Aktien, die sie zu übernehmen sich verpflichtet hatten, nicht eine empfind¬
liche Einbuße erlitten? Wem endlich, daß die Kompagnie aus dem Verkauf
des Restes 12—15000 Thaler einnahm, ja, daß sie überhaupt nur Abnehmer
dafür fand? Wem anders als List, der unermüdlich thätig gewesen war, in
der Presse für das Unternehmen zu wirken, der durch die gewissenhafte Art der
Vorbereitung und durch die Gründlichkeit seiner Berichte, durch den geschickten
Prospekt, den er mit Dufour zusammen entworfen, dem Publikum erst Vertrauen
zu dem Unternehmen eingeflößt hatte? Daß die ebenerwähnte unerwartete
Extraeinnahme der Kompagnie das Vermächtnis; Friedrich List's war, haben
die Mitglieder des Komites in ihrer Eigenschaft als Direktoren der Kompagnie
später selber anerkannt; aber obgleich List keine Gelegenheit unbenutzt ließ, gegen
die ungerechtfertigte, eigenmächtige Verfügung des Komites zu Protestiren, seine
Aktien hat er nie bekommen.

Aber wie nachtheilig dieser Ausgang der Aktienzeichnung für List auch war
— es war doch immer nur ein materieller Verlust, der leicht ersetzt
oder verschmerzt werden konnte. Aber es war auch nur ein Vorspiel, eine
Probe von der Gesinnung der Komitemitglieder gegen ihn. Kurz darauf sollte
diese Gesinnung ihren höchsten Triumph feiern — einen Triumph, den List erst
in Kufstein verschmerzte.

List hatte stets den höchsten Werth darauf gelegt, bei der Direktion der
Eisenbahn für einige Jahre eine Stellung zu erhalten. Er hatte dies zur Durch¬
führung seiner Pläne nöthig; sein Einfluß auf die späteren Unternehmungen
war verhältnißmäßig gewichtiger, wenn das erste unter seiner Mitwirkung zur
Blüthe gedieh. Nun wählte ihn zwar die Generalversammlung in den Ausschuß,
aber der Ausschuß gab ihm bei der Wahl der Direktoren keine einzige Stimme,
und doch waren alle Mitglieder des Komites auch Mitglieder des Ausschusses ge¬
worden. Dieselben Personen, welche sich verpflichtet hatten, für die Bedingungen
List's bei der künftigen Kompagnie einzutreten, hielten ihre Versprechungen nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/107>, abgerufen am 01.09.2024.