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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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europäischen Bankhäusern abgeschlossenen Anleihen und mit allen zwischen
ihnen vorgekommenen finanziellen Operationen zu beschäftigen haben. Die
Prüfung der Bedingungen, unter denen die verschiedenen Darlehen zum Abschluß
kamen, wie namentlich auch die Werthcibschätzuug der Staatsrevenüen und der
dem Staate angehörigen Liegenschaften, auf die sie hypothezirt sind, würden
zum Gegenstand einer genauen Untersuchung zu machen sein. Endlich würde
es sich auf Grundlage dieser Erhebungen und unter Berücksichtigung zugleich
der Lebensbedingungen des khedivischen Staates um den Abschluß eines Kon¬
kordats zwischen diesen? und seinen Gläubigern handeln, womit ein Spezial-
Delegirter der Pforte zu beauftragen sein würde. Aus den Aeußerungen über
diesen letzteren hochwichtigen Punkt des halbamtlichen Organs scheint die Absicht
hervorzugehen, diesem Beamten eine Mittelstellung zwischen der vorerwähnten
Kommission, die allem Vermuthen nach eine internationale sein würde, und
den aegyptischen Behörden anzuweisen; zu seinen Aufträgen würde auch die
Vereinbarung eines Budgets gehören.

Die bedeutende Ausdehnung der Befugnisse, welche dem Spezial-Delegirten
zustehen sollen, läßt es zunächst als zweifelhaft erscheinen, ob die europäischen
Mächte auf ein derartiges Arrangement eingehen würden, und namentlich ob,
wenn die Kommission einen internationalen Charakter erhalten sollte, deren
Funktionen ohne eine störende Friktion mit denen eines türkischen Beamten sich
würden kombiniren lassen. Jedenfalls verdient es das allgemeine Interesse,
daß die Türkei durch die jüngst gefaßten Beschlüsse und durch das, was sie,
daran anknüpfend, weiter in Aussicht genommen, sich in der aegyptischen Frage
zu einer eigenen und sehr entschiedenen Politik ermannt und eben dadurch die
Nillande vielleicht vor dem Geschick bewahrt hat, später die Beute einer
Einzelmacht, sei es England's oder Frankreich's, zu werden. Sollte der heutige
Großwesir Khereddin Pascha auf dem Fundamente, welches er soeben zu legen
bemüht ist, weiterzubauen Zeit und Gelegenheit finden, d. h. nicht vor der
Vollendung des projektierten Werkes seiner leitenden Stellung enthoben werden,
so bestände zugleich für die Pforte die Hoffnung, in dem hente sich anbahnenden
neuen und engeren Verhältniß zu Aegypten einen reellen Ersatz sür die in und
nach dem letzten Kriege erlittenen Verluste zu finden.




europäischen Bankhäusern abgeschlossenen Anleihen und mit allen zwischen
ihnen vorgekommenen finanziellen Operationen zu beschäftigen haben. Die
Prüfung der Bedingungen, unter denen die verschiedenen Darlehen zum Abschluß
kamen, wie namentlich auch die Werthcibschätzuug der Staatsrevenüen und der
dem Staate angehörigen Liegenschaften, auf die sie hypothezirt sind, würden
zum Gegenstand einer genauen Untersuchung zu machen sein. Endlich würde
es sich auf Grundlage dieser Erhebungen und unter Berücksichtigung zugleich
der Lebensbedingungen des khedivischen Staates um den Abschluß eines Kon¬
kordats zwischen diesen? und seinen Gläubigern handeln, womit ein Spezial-
Delegirter der Pforte zu beauftragen sein würde. Aus den Aeußerungen über
diesen letzteren hochwichtigen Punkt des halbamtlichen Organs scheint die Absicht
hervorzugehen, diesem Beamten eine Mittelstellung zwischen der vorerwähnten
Kommission, die allem Vermuthen nach eine internationale sein würde, und
den aegyptischen Behörden anzuweisen; zu seinen Aufträgen würde auch die
Vereinbarung eines Budgets gehören.

Die bedeutende Ausdehnung der Befugnisse, welche dem Spezial-Delegirten
zustehen sollen, läßt es zunächst als zweifelhaft erscheinen, ob die europäischen
Mächte auf ein derartiges Arrangement eingehen würden, und namentlich ob,
wenn die Kommission einen internationalen Charakter erhalten sollte, deren
Funktionen ohne eine störende Friktion mit denen eines türkischen Beamten sich
würden kombiniren lassen. Jedenfalls verdient es das allgemeine Interesse,
daß die Türkei durch die jüngst gefaßten Beschlüsse und durch das, was sie,
daran anknüpfend, weiter in Aussicht genommen, sich in der aegyptischen Frage
zu einer eigenen und sehr entschiedenen Politik ermannt und eben dadurch die
Nillande vielleicht vor dem Geschick bewahrt hat, später die Beute einer
Einzelmacht, sei es England's oder Frankreich's, zu werden. Sollte der heutige
Großwesir Khereddin Pascha auf dem Fundamente, welches er soeben zu legen
bemüht ist, weiterzubauen Zeit und Gelegenheit finden, d. h. nicht vor der
Vollendung des projektierten Werkes seiner leitenden Stellung enthoben werden,
so bestände zugleich für die Pforte die Hoffnung, in dem hente sich anbahnenden
neuen und engeren Verhältniß zu Aegypten einen reellen Ersatz sür die in und
nach dem letzten Kriege erlittenen Verluste zu finden.




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[0104] europäischen Bankhäusern abgeschlossenen Anleihen und mit allen zwischen ihnen vorgekommenen finanziellen Operationen zu beschäftigen haben. Die Prüfung der Bedingungen, unter denen die verschiedenen Darlehen zum Abschluß kamen, wie namentlich auch die Werthcibschätzuug der Staatsrevenüen und der dem Staate angehörigen Liegenschaften, auf die sie hypothezirt sind, würden zum Gegenstand einer genauen Untersuchung zu machen sein. Endlich würde es sich auf Grundlage dieser Erhebungen und unter Berücksichtigung zugleich der Lebensbedingungen des khedivischen Staates um den Abschluß eines Kon¬ kordats zwischen diesen? und seinen Gläubigern handeln, womit ein Spezial- Delegirter der Pforte zu beauftragen sein würde. Aus den Aeußerungen über diesen letzteren hochwichtigen Punkt des halbamtlichen Organs scheint die Absicht hervorzugehen, diesem Beamten eine Mittelstellung zwischen der vorerwähnten Kommission, die allem Vermuthen nach eine internationale sein würde, und den aegyptischen Behörden anzuweisen; zu seinen Aufträgen würde auch die Vereinbarung eines Budgets gehören. Die bedeutende Ausdehnung der Befugnisse, welche dem Spezial-Delegirten zustehen sollen, läßt es zunächst als zweifelhaft erscheinen, ob die europäischen Mächte auf ein derartiges Arrangement eingehen würden, und namentlich ob, wenn die Kommission einen internationalen Charakter erhalten sollte, deren Funktionen ohne eine störende Friktion mit denen eines türkischen Beamten sich würden kombiniren lassen. Jedenfalls verdient es das allgemeine Interesse, daß die Türkei durch die jüngst gefaßten Beschlüsse und durch das, was sie, daran anknüpfend, weiter in Aussicht genommen, sich in der aegyptischen Frage zu einer eigenen und sehr entschiedenen Politik ermannt und eben dadurch die Nillande vielleicht vor dem Geschick bewahrt hat, später die Beute einer Einzelmacht, sei es England's oder Frankreich's, zu werden. Sollte der heutige Großwesir Khereddin Pascha auf dem Fundamente, welches er soeben zu legen bemüht ist, weiterzubauen Zeit und Gelegenheit finden, d. h. nicht vor der Vollendung des projektierten Werkes seiner leitenden Stellung enthoben werden, so bestände zugleich für die Pforte die Hoffnung, in dem hente sich anbahnenden neuen und engeren Verhältniß zu Aegypten einen reellen Ersatz sür die in und nach dem letzten Kriege erlittenen Verluste zu finden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/104>, abgerufen am 27.11.2024.