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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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Der Tag der Abreise war ursprünglich auf den 22. oder 23. April festgestellt,
und nun eilte Kayser, reich beladen mit musikalischen Schätzen, nochmals nach
Weimar, um von neuem dort die dramatisch-musikalischen Versuche Goethe's
zu unterstützen, denen sich inzwischen bisher kaum geahnte Schwierigkeiten ent¬
gegengestellt hatten.

Goethe's Haus stand dem Jugendfreunde offen, der treue Philipp hatte
dasselbe zur Empfangnahme für beide bereitet. Hier endlich, so meinte man,
sollte sich Goethe's Wunsch verwirklichen. "Ich hoffe," schreibt er an Karl
August (den 6. Mai 1788), "die Umstände sollen sich fügen, daß Käufer das,
was wir mitbringen genießbar machen kann."

Diese Hoffnung sollte sich nicht erfüllen. Wie sich seit Goethe's Eintritt
in Weimar (18. Juni 1788) in Bezug auf seine musikalischen Pläne die Dinge
gestalteten, läßt sich nicht durchschauen. Das bewegte Leben der ersten Zeit,
die herannahende Wiederabreise Kayser's, der am 15. August mit der Herzogin
Anna Amalie abermals nach Italien zu gehen bestimmt war, schloß, wie sich
Goethe ausdrückt, alle Hoffnung auf die schöne Tonkunst für ihn zu. Vor
allem aber war, wie David Heß") versichert, eine kleine Mißstimmung zwischen
dem Dichter und dem Komponisten eingetreten, die sich auf's engste an
die auseinandergehenden Ansichten über die Aufführung der Oper anschloß.
Auch das, was Goethe bezüglich der Versorgung Kayser's in Weimar im Stillen
betrieb, gelangte nicht zum erwünschten Abschluß. Vielleicht sollte Kayser's
Werth von neuem sich aus der Reise der Herzogin bewähren, die bei ihren
musikalischen Bestrebungen mehr als andere die Bedeutung des Goethischen
Freundes zu beurtheilen im Stande war.

Da trat das unerwartete, aber nach der Anlage seines ganzen Charakters
nicht eben befremdende, für seinen weiteren Lebensgang aber bestimmende
Moment ein, daß Kayser durch sei" offenes, gerades Wesen, das zuweilen in
urwüchsige Derbheit sich verkehrte, in MißHelligkeiten mit dem Gefolge der
Herzogin verwickelt wurde, plötzlich zum Erstaunen Goethe's aus dem Gefolge
der Herzogin ausschied und seiner Heimat zueilte, in der er am 10. Sep¬
tember 1789 wieder anlangte.

Dieser Umstand trug zwar nicht zum völligen Bruche mit Goethe bei,
beide korrespondirten noch während des Jahres 1789 miteinander. Namentlich
war es Kayser, der die Verbindung aufrecht erhielt, während Goethe in seinem
Leben voller Zerstreuung nur spärliche Zeichen seiner alten Anhänglichkeit gab.
Wie die Oper ("Scherz, List und Rache") von Kayser komponirt war, entsprach



*) War Militär in holländischen Diensten, lebte dann in Zürich als Freund Kayser's
und hat sich mehrfach literarisch bekannt gemacht.

Der Tag der Abreise war ursprünglich auf den 22. oder 23. April festgestellt,
und nun eilte Kayser, reich beladen mit musikalischen Schätzen, nochmals nach
Weimar, um von neuem dort die dramatisch-musikalischen Versuche Goethe's
zu unterstützen, denen sich inzwischen bisher kaum geahnte Schwierigkeiten ent¬
gegengestellt hatten.

Goethe's Haus stand dem Jugendfreunde offen, der treue Philipp hatte
dasselbe zur Empfangnahme für beide bereitet. Hier endlich, so meinte man,
sollte sich Goethe's Wunsch verwirklichen. „Ich hoffe," schreibt er an Karl
August (den 6. Mai 1788), „die Umstände sollen sich fügen, daß Käufer das,
was wir mitbringen genießbar machen kann."

Diese Hoffnung sollte sich nicht erfüllen. Wie sich seit Goethe's Eintritt
in Weimar (18. Juni 1788) in Bezug auf seine musikalischen Pläne die Dinge
gestalteten, läßt sich nicht durchschauen. Das bewegte Leben der ersten Zeit,
die herannahende Wiederabreise Kayser's, der am 15. August mit der Herzogin
Anna Amalie abermals nach Italien zu gehen bestimmt war, schloß, wie sich
Goethe ausdrückt, alle Hoffnung auf die schöne Tonkunst für ihn zu. Vor
allem aber war, wie David Heß") versichert, eine kleine Mißstimmung zwischen
dem Dichter und dem Komponisten eingetreten, die sich auf's engste an
die auseinandergehenden Ansichten über die Aufführung der Oper anschloß.
Auch das, was Goethe bezüglich der Versorgung Kayser's in Weimar im Stillen
betrieb, gelangte nicht zum erwünschten Abschluß. Vielleicht sollte Kayser's
Werth von neuem sich aus der Reise der Herzogin bewähren, die bei ihren
musikalischen Bestrebungen mehr als andere die Bedeutung des Goethischen
Freundes zu beurtheilen im Stande war.

Da trat das unerwartete, aber nach der Anlage seines ganzen Charakters
nicht eben befremdende, für seinen weiteren Lebensgang aber bestimmende
Moment ein, daß Kayser durch sei« offenes, gerades Wesen, das zuweilen in
urwüchsige Derbheit sich verkehrte, in MißHelligkeiten mit dem Gefolge der
Herzogin verwickelt wurde, plötzlich zum Erstaunen Goethe's aus dem Gefolge
der Herzogin ausschied und seiner Heimat zueilte, in der er am 10. Sep¬
tember 1789 wieder anlangte.

Dieser Umstand trug zwar nicht zum völligen Bruche mit Goethe bei,
beide korrespondirten noch während des Jahres 1789 miteinander. Namentlich
war es Kayser, der die Verbindung aufrecht erhielt, während Goethe in seinem
Leben voller Zerstreuung nur spärliche Zeichen seiner alten Anhänglichkeit gab.
Wie die Oper („Scherz, List und Rache") von Kayser komponirt war, entsprach



*) War Militär in holländischen Diensten, lebte dann in Zürich als Freund Kayser's
und hat sich mehrfach literarisch bekannt gemacht.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/60>, abgerufen am 27.09.2024.