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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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fteuer, die allenfalls noch retten könnte, ist schon einmal versucht worden; sie
betrug 2 l/z Pence pro Pfd. Sterling und würde in England 100 Millionen Mark
ergeben haben; in dem nach Fabri so reichen Indien mit einer sieben Mal
größeren Einwohnerzahl brachte sie das klägliche Resultat von 10 Millionen
Mark und war obendrein mit so großen Erhebungskosten belastet, daß kein
Finanzminister Indien's wieder darauf zurückkommen wird. Sowohl Lord
Canning, der Vizekönig während des indischen Aufstandes, als auch der spätere
Vizekönig Lord Mayo erklärten, daß, wenn es sich um die Frage handle, ob in
Indien eine neue Steuer, z. B. die Einkommensteuer, eingeführt werden, oder
die Armee reduzirt werden sollte, Gefahr gegen Gefahr abgewogen, sie die
Reduzirung der Armee vorziehen würden. Als letztes Refugium blieben die
indirekten Steuern. Aber, sagt Prof. Fawcett, ein beredter Anwalt Indien's
im englischen Parlamente, in Indien ist die Masse des Volkes so arm, daß sie
weiter keinen steuerfähigen Artikel gebrauchen als Salz, und die Salzsteuer
hat schon den höchsten Punkt erreicht, dergestalt, daß jede weitere Erhöhung
eine erhebliche Verminderung des Konsums nach sich ziehen würde. Ist es da
ein Wunder, daß in England bereits das unheimliche Wort "Indien's Bank¬
rott" durch die Lust schwirrt? Und das nennt Fabri einen Zustand steigenden
Wohlstandes, der durch die gesunde englische Kolonialpolitik herbeigeführt worden
sein soll? Es gibt wohl kaum ein kaltblütiger egoistisches Ausbeutungssystem
als das von England gegen Indien befolgte. Die Hälfte aller Einnahmen
des indischen Budgets -- 340 Millionen Mark -- gehen jährlich nach England
für Gehälter, Pensionen, Urlaubsgelder der Beamten, Kosten der Verwaltung für
Armeebedürfnisse ?c. (torus en-u-Ass), von denen kein Pfennig nach Indien
zurückkehrt. Indien zahlt den afghanischen Krieg, der für England's Macht¬
stellung geführt worden ist. Indien zahlt 300 Millionen Mark jährlich für
die Armee, welche die Kolonie gegen einen neuen Aufstand sichern soll und
eventuell auch einmal für europäische oder afrikanische Händel bestimmt ist.
Und damit auch das Privatinteresse einflußreicher Klassen nicht zu kurz komme,
so muß dasselbe Indien, welches auf Salz eine Steuer von über 2000 Proz.
trägt und nur durch Anleihen sein Budget balanciren kann, den Zoll auf
feinere baumwollene Waaren verlieren, damit die Lancashire-Spinner bei diesen
schlechten Zeiten ihre Produkte besser verkaufen können!

Nach diesem Spezimen englischer Fürsorge für das materielle Wohl
Indien's erläutert sich wohl von selber die Behauptung Fabri's: "Hand in
Hand mit diesem materiellen Gedeihen ging auch die intellektuelle und mora¬
lische Hebung wie seiner eigenen Verwaltung so auch der eingeborenen Völker
und Volksstämme, wie denn überall und zu allen Zeiten der Weg versteint-


fteuer, die allenfalls noch retten könnte, ist schon einmal versucht worden; sie
betrug 2 l/z Pence pro Pfd. Sterling und würde in England 100 Millionen Mark
ergeben haben; in dem nach Fabri so reichen Indien mit einer sieben Mal
größeren Einwohnerzahl brachte sie das klägliche Resultat von 10 Millionen
Mark und war obendrein mit so großen Erhebungskosten belastet, daß kein
Finanzminister Indien's wieder darauf zurückkommen wird. Sowohl Lord
Canning, der Vizekönig während des indischen Aufstandes, als auch der spätere
Vizekönig Lord Mayo erklärten, daß, wenn es sich um die Frage handle, ob in
Indien eine neue Steuer, z. B. die Einkommensteuer, eingeführt werden, oder
die Armee reduzirt werden sollte, Gefahr gegen Gefahr abgewogen, sie die
Reduzirung der Armee vorziehen würden. Als letztes Refugium blieben die
indirekten Steuern. Aber, sagt Prof. Fawcett, ein beredter Anwalt Indien's
im englischen Parlamente, in Indien ist die Masse des Volkes so arm, daß sie
weiter keinen steuerfähigen Artikel gebrauchen als Salz, und die Salzsteuer
hat schon den höchsten Punkt erreicht, dergestalt, daß jede weitere Erhöhung
eine erhebliche Verminderung des Konsums nach sich ziehen würde. Ist es da
ein Wunder, daß in England bereits das unheimliche Wort „Indien's Bank¬
rott" durch die Lust schwirrt? Und das nennt Fabri einen Zustand steigenden
Wohlstandes, der durch die gesunde englische Kolonialpolitik herbeigeführt worden
sein soll? Es gibt wohl kaum ein kaltblütiger egoistisches Ausbeutungssystem
als das von England gegen Indien befolgte. Die Hälfte aller Einnahmen
des indischen Budgets — 340 Millionen Mark — gehen jährlich nach England
für Gehälter, Pensionen, Urlaubsgelder der Beamten, Kosten der Verwaltung für
Armeebedürfnisse ?c. (torus en-u-Ass), von denen kein Pfennig nach Indien
zurückkehrt. Indien zahlt den afghanischen Krieg, der für England's Macht¬
stellung geführt worden ist. Indien zahlt 300 Millionen Mark jährlich für
die Armee, welche die Kolonie gegen einen neuen Aufstand sichern soll und
eventuell auch einmal für europäische oder afrikanische Händel bestimmt ist.
Und damit auch das Privatinteresse einflußreicher Klassen nicht zu kurz komme,
so muß dasselbe Indien, welches auf Salz eine Steuer von über 2000 Proz.
trägt und nur durch Anleihen sein Budget balanciren kann, den Zoll auf
feinere baumwollene Waaren verlieren, damit die Lancashire-Spinner bei diesen
schlechten Zeiten ihre Produkte besser verkaufen können!

Nach diesem Spezimen englischer Fürsorge für das materielle Wohl
Indien's erläutert sich wohl von selber die Behauptung Fabri's: „Hand in
Hand mit diesem materiellen Gedeihen ging auch die intellektuelle und mora¬
lische Hebung wie seiner eigenen Verwaltung so auch der eingeborenen Völker
und Volksstämme, wie denn überall und zu allen Zeiten der Weg versteint-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/501>, abgerufen am 20.10.2024.