Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.Bedeutung, und das vom Autor zitirte arabische Sprichwort wird man füglich Den Ausgangspunkt für das erste Kapitel bildet das berühmte Wort des Es geschieht dies nach Kapp in zweifacher Weise. Einestheils ist jedes Bedeutung, und das vom Autor zitirte arabische Sprichwort wird man füglich Den Ausgangspunkt für das erste Kapitel bildet das berühmte Wort des Es geschieht dies nach Kapp in zweifacher Weise. Einestheils ist jedes <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0049" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142004"/> <p xml:id="ID_140" prev="#ID_139"> Bedeutung, und das vom Autor zitirte arabische Sprichwort wird man füglich<lb/> ihm selbst gegenüber anwenden dürfen: „Das Verdienst dem Begründer, wenn<lb/> auch der Nachfolger es besser machen sollte."</p><lb/> <p xml:id="ID_141"> Den Ausgangspunkt für das erste Kapitel bildet das berühmte Wort des<lb/> Protagoras: „Der Mensch ist das Maß der Dinge". Mit diesem Satze, sagt<lb/> Kapp, war ein für allemal der anthropologische Maßstab formulirt und der<lb/> eigentliche Kern menschlichen Wissens und Könnens kenntlich gemacht. Ihm<lb/> verdankt ihren ewigen Inhalt die griechische Kunst, deren Meißel in Götter¬<lb/> bildern den Idealmenschen verkörperte, und es ist immerhin bezeichnend, daß<lb/> sür Sokrates die Bildhauerkunst, der er sich in jüngeren Jahren gewidmet, die<lb/> Vorstufe gewesen ist zu seiner späteren geistigen oder ethischen Plastik, ans<lb/> Grund der bekannten Tempeliuschrift „Erkenne dich selbst". Hand in Hand<lb/> mit der unseren Tagen vorbehalten gewesenen Entdeckung der Einheit der<lb/> Naturkräfte geht die Enthüllung auch der Einheit der Menschennatur. Denn<lb/> indem der Mensch sich der Einheit seines Wesens, als des ihm bisher unbe¬<lb/> wußten Grundes seiner aus den Zusammenhang der Naturkräfte gerichteten<lb/> Forschung, bewußt wird, indem er in und aus der Natur, nicht über und<lb/> außer ihr denkt, ist sein Denken die Uebereinstimmung der physiologischen An¬<lb/> lage mit den kosmischen Bedingungen. Der Mensch nimmt die Außenwelt<lb/> nicht blos sinnlich wahr, wie das Thier, sondern er begreift sie, und er unter¬<lb/> scheidet in ihr Natur- und Menschenwerk. Von den ersten rohen Werkzeugen,<lb/> geeignet, die Kraft und Geschicklichkeit der Hand im Verbinden und Trennen<lb/> materieller Stoffe zu steigern, bis zu dem mannichfaltigst ausgebildeten „System<lb/> der Bedürfnisse", wie es eine Weltausstellung gedrängt vorführt, sieht und er¬<lb/> kennt der Mensch in all' diesen Außendingen, im Unterschiede von den unver¬<lb/> änderten Naturobjekten, Gebilde der Menschenhand, Thaten des Menschengeistes,<lb/> den sowohl unbewußt findenden, wie bewußt erfindenden Menschen—sich selbst.</p><lb/> <p xml:id="ID_142" next="#ID_143"> Es geschieht dies nach Kapp in zweifacher Weise. Einestheils ist jedes<lb/> Werkzeug im weiteren Sinne des Wortes, als Mittel der Erhöhung der Sinnes¬<lb/> thätigkeit, die einzige Möglichkeit, um über die unmittelbare oberflächliche Wahr¬<lb/> nehmung der Dinge Hinauszugelangen, anderentheils steht es als Werk der<lb/> Thätigkeit von Hirn und Hand so wesentlich in innerster Verwandtschaft mit<lb/> dem Menschen selbst, daß er in der Schöpfung seiner Hand ein Etwas von<lb/> seinem eigenen Sein, seine im Stoff verkörperte Vorstellungswelt, ein Spiegel-<lb/> und Nachbild seines Innern, kurz einen Theil von sich vor seine Augen gestellt<lb/> erblickt. Da aber das Selbst nur in seinem Leibe „leibt und lebt", so kann<lb/> diese vom Menschen ausgehende äußere Welt mechanischer Werkthätigkeit auch<lb/> nur als reale Fortsetzung des Organismus und als Hinausverlegung der<lb/> inneren Vorstellungswelt begriffen werden. Der Mensch produzirt und pro-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0049]
Bedeutung, und das vom Autor zitirte arabische Sprichwort wird man füglich
ihm selbst gegenüber anwenden dürfen: „Das Verdienst dem Begründer, wenn
auch der Nachfolger es besser machen sollte."
Den Ausgangspunkt für das erste Kapitel bildet das berühmte Wort des
Protagoras: „Der Mensch ist das Maß der Dinge". Mit diesem Satze, sagt
Kapp, war ein für allemal der anthropologische Maßstab formulirt und der
eigentliche Kern menschlichen Wissens und Könnens kenntlich gemacht. Ihm
verdankt ihren ewigen Inhalt die griechische Kunst, deren Meißel in Götter¬
bildern den Idealmenschen verkörperte, und es ist immerhin bezeichnend, daß
sür Sokrates die Bildhauerkunst, der er sich in jüngeren Jahren gewidmet, die
Vorstufe gewesen ist zu seiner späteren geistigen oder ethischen Plastik, ans
Grund der bekannten Tempeliuschrift „Erkenne dich selbst". Hand in Hand
mit der unseren Tagen vorbehalten gewesenen Entdeckung der Einheit der
Naturkräfte geht die Enthüllung auch der Einheit der Menschennatur. Denn
indem der Mensch sich der Einheit seines Wesens, als des ihm bisher unbe¬
wußten Grundes seiner aus den Zusammenhang der Naturkräfte gerichteten
Forschung, bewußt wird, indem er in und aus der Natur, nicht über und
außer ihr denkt, ist sein Denken die Uebereinstimmung der physiologischen An¬
lage mit den kosmischen Bedingungen. Der Mensch nimmt die Außenwelt
nicht blos sinnlich wahr, wie das Thier, sondern er begreift sie, und er unter¬
scheidet in ihr Natur- und Menschenwerk. Von den ersten rohen Werkzeugen,
geeignet, die Kraft und Geschicklichkeit der Hand im Verbinden und Trennen
materieller Stoffe zu steigern, bis zu dem mannichfaltigst ausgebildeten „System
der Bedürfnisse", wie es eine Weltausstellung gedrängt vorführt, sieht und er¬
kennt der Mensch in all' diesen Außendingen, im Unterschiede von den unver¬
änderten Naturobjekten, Gebilde der Menschenhand, Thaten des Menschengeistes,
den sowohl unbewußt findenden, wie bewußt erfindenden Menschen—sich selbst.
Es geschieht dies nach Kapp in zweifacher Weise. Einestheils ist jedes
Werkzeug im weiteren Sinne des Wortes, als Mittel der Erhöhung der Sinnes¬
thätigkeit, die einzige Möglichkeit, um über die unmittelbare oberflächliche Wahr¬
nehmung der Dinge Hinauszugelangen, anderentheils steht es als Werk der
Thätigkeit von Hirn und Hand so wesentlich in innerster Verwandtschaft mit
dem Menschen selbst, daß er in der Schöpfung seiner Hand ein Etwas von
seinem eigenen Sein, seine im Stoff verkörperte Vorstellungswelt, ein Spiegel-
und Nachbild seines Innern, kurz einen Theil von sich vor seine Augen gestellt
erblickt. Da aber das Selbst nur in seinem Leibe „leibt und lebt", so kann
diese vom Menschen ausgehende äußere Welt mechanischer Werkthätigkeit auch
nur als reale Fortsetzung des Organismus und als Hinausverlegung der
inneren Vorstellungswelt begriffen werden. Der Mensch produzirt und pro-
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