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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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welche grundsätzlich Freihändler sind, könnte die nationalliberale Partei frei¬
stellen, um der Schutzzölle willen gegen den Tarif im Ganzen zu stimmen;
dieser selbst wäre dann gleichwohl gesichert.

Allein es scheint, als ob die Nationalliberalen nicht gewillt oder höchst
unentschlossen sind, diese einfache Rolle, die ihnen ihre ganze Vergangenheit
vorschreibt, zu ergreifen. Es hat sich eines Theils der Partei eine habituelle
Schmollsucht bemächtigt. Man will sich gekränkt, zurückgesetzt, verlassen fühlen,
und doch wäre man in Verlegenheit, zu sagen, wodurch denn die Partei in
ihren politischen Gedanken verletzt worden. Nur durch diese Verletzung dürfte
sich eine patriotische Partei gekränkt fühlen. Aber die Frage der Tarifpolitik
ist in der Partei immer für eine offene erklärt worden. Noch vor kurzem
warnte die National-Zeitung in einem nicht unwahrscheinlich aus Laster's
Feder geflossenem Artikel eindringlich davor, die Partei an einen wirthschaft¬
lichen Standpunkt zu binden. Laster selbst ist bekanntlich in der Zollpolitik
Opportunist. Dagegen scheint er in der Partei an der Spitze der Schmoll¬
süchtigen zu stehen. Aber weil ein, wenn auch einflußreiches Parteimitglied
parlamentarische Konflikte mit dem Reichskanzler gehabt hat, deren schuldiger
Theil jetzt nicht ermittelt werden soll, deswegen darf die Partei doch nicht
einem Akt nationaler Reform entgegentreten, gegen den sie sonst keine stichhal¬
tigen Gründe hat, der vielmehr ihrem Lebensmotiv und ihrer Vergangenheit
vollständig entspricht.

Allerdings würde bei einer solchen Haltung der Nationalliberalen der
Kanzler den Tarif bekommen, wie er ihn will: nämlich die Finanzzölle durch
die Nationalliberalen und Konservativen, die Schutzzölle durch das Zentrum
und die Konservativen, das Ganze durch einen Theil des Zentrums, einen
Theil der Nationalliberalen und die Konservativen. Gegen diese Eventualität
verwahrt sich nun die National-Zeitung mit dem Ausspruch, man wolle sich
nicht gebrauchen lassen zu eiuer Politik, welche das Ganze erreicht, indem sie
für die Stücke verschiedene Majoritäten gewinnt. Man will also den Theil,
den Haupttheil eines politischen Planes verwerfen, den Theil, welcher dem
eigenen politischen Gedanken entspricht, weil man den Kanzler nicht zwingen
kann, das Ganze nach den Wünschen der Nationalliberalen einzurichten, wobei
das Schönste ist, daß man einen eigenen Plan der ganzen Finanzreform nicht
besitzt oder keinesfalls, wenn er in einem Kopfe der Partei existiren sollte, über
denselben in der Partei einig ist. Denn ein auf die Beibehaltung und Aus¬
bildung der Freihandelspolitik gebauter Finanzplan würde nicht einmal den
größeren Theil der Nationalliberalen für sich haben.

Eine Opposition, wie die von der National-Zeitung, an der man freilich
jetzt eine vollkommene Direktionslosigkeit beobachten kann, durch deu erwähnten


welche grundsätzlich Freihändler sind, könnte die nationalliberale Partei frei¬
stellen, um der Schutzzölle willen gegen den Tarif im Ganzen zu stimmen;
dieser selbst wäre dann gleichwohl gesichert.

Allein es scheint, als ob die Nationalliberalen nicht gewillt oder höchst
unentschlossen sind, diese einfache Rolle, die ihnen ihre ganze Vergangenheit
vorschreibt, zu ergreifen. Es hat sich eines Theils der Partei eine habituelle
Schmollsucht bemächtigt. Man will sich gekränkt, zurückgesetzt, verlassen fühlen,
und doch wäre man in Verlegenheit, zu sagen, wodurch denn die Partei in
ihren politischen Gedanken verletzt worden. Nur durch diese Verletzung dürfte
sich eine patriotische Partei gekränkt fühlen. Aber die Frage der Tarifpolitik
ist in der Partei immer für eine offene erklärt worden. Noch vor kurzem
warnte die National-Zeitung in einem nicht unwahrscheinlich aus Laster's
Feder geflossenem Artikel eindringlich davor, die Partei an einen wirthschaft¬
lichen Standpunkt zu binden. Laster selbst ist bekanntlich in der Zollpolitik
Opportunist. Dagegen scheint er in der Partei an der Spitze der Schmoll¬
süchtigen zu stehen. Aber weil ein, wenn auch einflußreiches Parteimitglied
parlamentarische Konflikte mit dem Reichskanzler gehabt hat, deren schuldiger
Theil jetzt nicht ermittelt werden soll, deswegen darf die Partei doch nicht
einem Akt nationaler Reform entgegentreten, gegen den sie sonst keine stichhal¬
tigen Gründe hat, der vielmehr ihrem Lebensmotiv und ihrer Vergangenheit
vollständig entspricht.

Allerdings würde bei einer solchen Haltung der Nationalliberalen der
Kanzler den Tarif bekommen, wie er ihn will: nämlich die Finanzzölle durch
die Nationalliberalen und Konservativen, die Schutzzölle durch das Zentrum
und die Konservativen, das Ganze durch einen Theil des Zentrums, einen
Theil der Nationalliberalen und die Konservativen. Gegen diese Eventualität
verwahrt sich nun die National-Zeitung mit dem Ausspruch, man wolle sich
nicht gebrauchen lassen zu eiuer Politik, welche das Ganze erreicht, indem sie
für die Stücke verschiedene Majoritäten gewinnt. Man will also den Theil,
den Haupttheil eines politischen Planes verwerfen, den Theil, welcher dem
eigenen politischen Gedanken entspricht, weil man den Kanzler nicht zwingen
kann, das Ganze nach den Wünschen der Nationalliberalen einzurichten, wobei
das Schönste ist, daß man einen eigenen Plan der ganzen Finanzreform nicht
besitzt oder keinesfalls, wenn er in einem Kopfe der Partei existiren sollte, über
denselben in der Partei einig ist. Denn ein auf die Beibehaltung und Aus¬
bildung der Freihandelspolitik gebauter Finanzplan würde nicht einmal den
größeren Theil der Nationalliberalen für sich haben.

Eine Opposition, wie die von der National-Zeitung, an der man freilich
jetzt eine vollkommene Direktionslosigkeit beobachten kann, durch deu erwähnten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/484>, abgerufen am 28.12.2024.