Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.versichert, der Menge wohlgesinnt zu sein". Auf das Athen des antalkidischen Eine unverkennbare Analogie mit der herrschenden Philosophen-Kaste versichert, der Menge wohlgesinnt zu sein". Auf das Athen des antalkidischen Eine unverkennbare Analogie mit der herrschenden Philosophen-Kaste <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0464" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142419"/> <p xml:id="ID_1411" prev="#ID_1410"> versichert, der Menge wohlgesinnt zu sein". Auf das Athen des antalkidischen<lb/> Friedens passen fast Wort für Wort die Züge, welche Platon als Kennzeichen<lb/> der Demokratie aufzählt: „daß kein Zwang besteht, an der Regierung theilzu¬<lb/> nehmen in solchem Staate.....noch auch sich regieren zu lassen, wenn<lb/> man nicht will, und ebensowenig in's Feld zu ziehen, wenn in's Feld gezogen<lb/> wird, oder Frieden zu halten, wenn die Anderen ihn halten, man selbst ihn<lb/> aber nicht begehrt; und andererseits, wenn auch ein Gesetz dir verbietet, ein<lb/> Amt zu bekleiden oder zu Gericht zu sitzen, du nichtsdestoweniger regieren und<lb/> Recht sprechen kannst, wenn es dir nur selber einfällt . . . daß in solchem<lb/> Staate Menschen, die zum Tode verurtheilt oder verbannt sind, nichtsdesto¬<lb/> weniger bleiben und offen herumgehen." Betrachtet man den kläglichen Zu¬<lb/> stand der damaligen athenischen Demokratie, in der nichts mehr feststand,<lb/> weder Sitte und Glauben, noch Gesetze, Regierung, Verwaltung, Gerichte und<lb/> auswärtige Politik, so wird es vollkommen begreiflich, warum Platon so nach¬<lb/> drücklich auf einem streng konservativen und einheitlichen Charakter der Insti¬<lb/> tutionen besteht. Der Verfall Athen's demonstrirte anf's deutlichste, daß die<lb/> Staatsleitung nicht in den Händen einer wankelmüthigen, z. Th. ungebildeten<lb/> und leidenschaftlichen Menge, sondern bei verständigen, charakterfester und sach-<lb/> kundigen Staatsmännern sein müsse, daß nicht uneingeschränkte Freiheit und<lb/> persönliche Willkür, sondern die strikteste Ordnung und gesetzliche Nothwendig¬<lb/> keit das Ganze beherrschen müsse. Aus diesem Grunde hat er über die oberste<lb/> Gewalt in seinem Staate so disponirt, daß dieser weit weniger eine Aristokratie<lb/> als vielmehr eine Monarchie mit wechselnder Person des Herrschers zu nennen<lb/> ist. Denn wenn auch ein Kollegium von Gleichberechtigten den obersten Stand<lb/> bildet, so wird doch ausdrücklich bestimmt, daß sie nicht gemeinschaftlich, sondern<lb/> abwechselnd die Regierung führen sollen. Dadurch war einerseits die mög¬<lb/> lichste Garantie der Einheit und Stabilität der Staatsverwaltung gegeben,<lb/> andrerseits für gleichmäßige Theilnahme aller Weisen an derselben gesorgt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1412" next="#ID_1413"> Eine unverkennbare Analogie mit der herrschenden Philosophen-Kaste<lb/> Platon's zeigt sich im Pythagoreer-Bunde, dessen Organisation gewiß nicht ohne<lb/> Einfluß auf den Entwurf Platon's gewesen ist; hatte er doch um 337 mehrere<lb/> Städte Unteritalien's besucht und die dortigen Pythagoreer kennen gelernt.<lb/> Der anfangs ethisch-religiöse Orden, den Pythagoras in Kroton gestiftet, hatte<lb/> bald auch politische Tendenzen angenommen und in mehreren Republiken Unter-<lb/> italien's wirklich eine ähnliche Stellung erlangt, wie sie Platon für seinen<lb/> Philosophenstand fordert. Das öffentliche Leben hatte sich dort, anders als<lb/> im Mutterlands, philosophischem Einflüsse untergeordnet. Die Philosophie,<lb/> verbunden mit der Musik und Gymnastik, wie sie Jkkos von Tarent nach den<lb/> Perserkriegen zuerst organisirt hatte, wurde die Grundlage der politischen Er-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0464]
versichert, der Menge wohlgesinnt zu sein". Auf das Athen des antalkidischen
Friedens passen fast Wort für Wort die Züge, welche Platon als Kennzeichen
der Demokratie aufzählt: „daß kein Zwang besteht, an der Regierung theilzu¬
nehmen in solchem Staate.....noch auch sich regieren zu lassen, wenn
man nicht will, und ebensowenig in's Feld zu ziehen, wenn in's Feld gezogen
wird, oder Frieden zu halten, wenn die Anderen ihn halten, man selbst ihn
aber nicht begehrt; und andererseits, wenn auch ein Gesetz dir verbietet, ein
Amt zu bekleiden oder zu Gericht zu sitzen, du nichtsdestoweniger regieren und
Recht sprechen kannst, wenn es dir nur selber einfällt . . . daß in solchem
Staate Menschen, die zum Tode verurtheilt oder verbannt sind, nichtsdesto¬
weniger bleiben und offen herumgehen." Betrachtet man den kläglichen Zu¬
stand der damaligen athenischen Demokratie, in der nichts mehr feststand,
weder Sitte und Glauben, noch Gesetze, Regierung, Verwaltung, Gerichte und
auswärtige Politik, so wird es vollkommen begreiflich, warum Platon so nach¬
drücklich auf einem streng konservativen und einheitlichen Charakter der Insti¬
tutionen besteht. Der Verfall Athen's demonstrirte anf's deutlichste, daß die
Staatsleitung nicht in den Händen einer wankelmüthigen, z. Th. ungebildeten
und leidenschaftlichen Menge, sondern bei verständigen, charakterfester und sach-
kundigen Staatsmännern sein müsse, daß nicht uneingeschränkte Freiheit und
persönliche Willkür, sondern die strikteste Ordnung und gesetzliche Nothwendig¬
keit das Ganze beherrschen müsse. Aus diesem Grunde hat er über die oberste
Gewalt in seinem Staate so disponirt, daß dieser weit weniger eine Aristokratie
als vielmehr eine Monarchie mit wechselnder Person des Herrschers zu nennen
ist. Denn wenn auch ein Kollegium von Gleichberechtigten den obersten Stand
bildet, so wird doch ausdrücklich bestimmt, daß sie nicht gemeinschaftlich, sondern
abwechselnd die Regierung führen sollen. Dadurch war einerseits die mög¬
lichste Garantie der Einheit und Stabilität der Staatsverwaltung gegeben,
andrerseits für gleichmäßige Theilnahme aller Weisen an derselben gesorgt.
Eine unverkennbare Analogie mit der herrschenden Philosophen-Kaste
Platon's zeigt sich im Pythagoreer-Bunde, dessen Organisation gewiß nicht ohne
Einfluß auf den Entwurf Platon's gewesen ist; hatte er doch um 337 mehrere
Städte Unteritalien's besucht und die dortigen Pythagoreer kennen gelernt.
Der anfangs ethisch-religiöse Orden, den Pythagoras in Kroton gestiftet, hatte
bald auch politische Tendenzen angenommen und in mehreren Republiken Unter-
italien's wirklich eine ähnliche Stellung erlangt, wie sie Platon für seinen
Philosophenstand fordert. Das öffentliche Leben hatte sich dort, anders als
im Mutterlands, philosophischem Einflüsse untergeordnet. Die Philosophie,
verbunden mit der Musik und Gymnastik, wie sie Jkkos von Tarent nach den
Perserkriegen zuerst organisirt hatte, wurde die Grundlage der politischen Er-
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