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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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schloß die beiden andern Stände vom Waffendienste aus. Was er forderte,
war eine Berufsarmee, ein stehendes Heer, während in Sparta eine Bürger¬
miliz bestand. Der Spartaner, welcher als Bürger Haus und Hof, Familie
und persönliches Eigenthum besaß, war als Krieger zum Schutze dieses feines
Eigenthums berufen; bei Platon hat der Kriegerstand die Aufgabe, den beiden
andern Ständen zum Schutze zu dienen. Der Grundgedanke feines Staats¬
entwurfes, daß alle bürgerlichen Aufgaben zweckmäßig vertheilt und jedem nur
eine bestimmte Thätigkeit überwiesen werden müsse, brachte jenes mit Noth¬
wendigkeit mit sich. Denn da die Arbeiter und die Regierer sich nicht mit
Waffenübungen beschäftigen konnten, Waffenkuudige aber zum Schutze des
Gemeinwesens erforderlich waren, so bedurfte man einer Klasse, die sich aus¬
schließlich den Waffen widmete, dagegen von allen andern Diensten befreit war,
aber auch keine höhere Stellung erstreben durfte. Hierin liegt der Gegensatz
zu den lakedämomschen Zuständen.

Im Uebrigen finden sich natürlich zahlreiche Analogieen, welche die im
Erziehungswesen beobachteten vervollständigen. Die Knabenerziehnng -- bei
Platon auch die der Mädchen, da er sie ganz wie die Knaben behandelt --
gilt mit dem 18. Lebensjahre als beendet, und es treten die Waffenübungen
ein. Im 20. Jahre erfolgt der Eintritt in das Heer; doch galt dieses Alter
noch keineswegs für hoch genug, um die volle Selbständigkeit -- soweit die
Verfassung sie überhaupt zuließ -- eintreten zu lassen. Vielmehr wurden die
Spartaner bis zum 30. Jahre noch gar nicht zu den Männern gerechnet; sie
mußten an den Uebungen der Jünglings-Abtheilungen theilnehmen und durften
keinen eignen Hausstand begründen. Analog schiebt Platon bis zum 30. Jahre
die Entscheidung über den definitiven Beruf der Bürger zu kriegerischer oder
dialektischer Thätigkeit hinaus, nachdem schon im 30. Jahre die zum Krieger¬
stande nicht geeignete Mehrzahl der Arbeiterklasse zugewiesen worden ist. Die
weite Hinausschiebuug des Mündigkeitstermins scheint bei beiden Gesetzgebern
mit den Ansichten über die Geschlechtsreife zusammenzuhängen. Wenigstens
gibt Platon ausdrücklich das 30. Jahr als den Zeitpunkt dafür an, und in
Sparta war es wo nicht Gesetz, doch Sitte, nicht vor dem 30. Jahre zu
heirathen. In Athen war man hierin minder skrupulös. Wenn anch die
Wahlfähigkeit zu öffentlichen Aemtern, zum Rath und zu den Richterstellen
gleichfalls erst mit zurückgelegtem 30. Lebensjahre eintrat, so war der Besuch
der Volksversammlungen sowie das Reden und Abstimmen in denselben schon
vom 20. Jahre an gestattet, und die privatrechtliche Mündigkeit trat sogar
schon mit dem 18. Jahre ein.

Eine hervorstechende Einrichtung echt sozialistischen Charakters ist die ge¬
nossenschaftliche Lebensweise, namentlich die gemeinsamen Mahle der Bürger,


Grenzboten II. 1879. SS

schloß die beiden andern Stände vom Waffendienste aus. Was er forderte,
war eine Berufsarmee, ein stehendes Heer, während in Sparta eine Bürger¬
miliz bestand. Der Spartaner, welcher als Bürger Haus und Hof, Familie
und persönliches Eigenthum besaß, war als Krieger zum Schutze dieses feines
Eigenthums berufen; bei Platon hat der Kriegerstand die Aufgabe, den beiden
andern Ständen zum Schutze zu dienen. Der Grundgedanke feines Staats¬
entwurfes, daß alle bürgerlichen Aufgaben zweckmäßig vertheilt und jedem nur
eine bestimmte Thätigkeit überwiesen werden müsse, brachte jenes mit Noth¬
wendigkeit mit sich. Denn da die Arbeiter und die Regierer sich nicht mit
Waffenübungen beschäftigen konnten, Waffenkuudige aber zum Schutze des
Gemeinwesens erforderlich waren, so bedurfte man einer Klasse, die sich aus¬
schließlich den Waffen widmete, dagegen von allen andern Diensten befreit war,
aber auch keine höhere Stellung erstreben durfte. Hierin liegt der Gegensatz
zu den lakedämomschen Zuständen.

Im Uebrigen finden sich natürlich zahlreiche Analogieen, welche die im
Erziehungswesen beobachteten vervollständigen. Die Knabenerziehnng — bei
Platon auch die der Mädchen, da er sie ganz wie die Knaben behandelt —
gilt mit dem 18. Lebensjahre als beendet, und es treten die Waffenübungen
ein. Im 20. Jahre erfolgt der Eintritt in das Heer; doch galt dieses Alter
noch keineswegs für hoch genug, um die volle Selbständigkeit — soweit die
Verfassung sie überhaupt zuließ — eintreten zu lassen. Vielmehr wurden die
Spartaner bis zum 30. Jahre noch gar nicht zu den Männern gerechnet; sie
mußten an den Uebungen der Jünglings-Abtheilungen theilnehmen und durften
keinen eignen Hausstand begründen. Analog schiebt Platon bis zum 30. Jahre
die Entscheidung über den definitiven Beruf der Bürger zu kriegerischer oder
dialektischer Thätigkeit hinaus, nachdem schon im 30. Jahre die zum Krieger¬
stande nicht geeignete Mehrzahl der Arbeiterklasse zugewiesen worden ist. Die
weite Hinausschiebuug des Mündigkeitstermins scheint bei beiden Gesetzgebern
mit den Ansichten über die Geschlechtsreife zusammenzuhängen. Wenigstens
gibt Platon ausdrücklich das 30. Jahr als den Zeitpunkt dafür an, und in
Sparta war es wo nicht Gesetz, doch Sitte, nicht vor dem 30. Jahre zu
heirathen. In Athen war man hierin minder skrupulös. Wenn anch die
Wahlfähigkeit zu öffentlichen Aemtern, zum Rath und zu den Richterstellen
gleichfalls erst mit zurückgelegtem 30. Lebensjahre eintrat, so war der Besuch
der Volksversammlungen sowie das Reden und Abstimmen in denselben schon
vom 20. Jahre an gestattet, und die privatrechtliche Mündigkeit trat sogar
schon mit dem 18. Jahre ein.

Eine hervorstechende Einrichtung echt sozialistischen Charakters ist die ge¬
nossenschaftliche Lebensweise, namentlich die gemeinsamen Mahle der Bürger,


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[0457] schloß die beiden andern Stände vom Waffendienste aus. Was er forderte, war eine Berufsarmee, ein stehendes Heer, während in Sparta eine Bürger¬ miliz bestand. Der Spartaner, welcher als Bürger Haus und Hof, Familie und persönliches Eigenthum besaß, war als Krieger zum Schutze dieses feines Eigenthums berufen; bei Platon hat der Kriegerstand die Aufgabe, den beiden andern Ständen zum Schutze zu dienen. Der Grundgedanke feines Staats¬ entwurfes, daß alle bürgerlichen Aufgaben zweckmäßig vertheilt und jedem nur eine bestimmte Thätigkeit überwiesen werden müsse, brachte jenes mit Noth¬ wendigkeit mit sich. Denn da die Arbeiter und die Regierer sich nicht mit Waffenübungen beschäftigen konnten, Waffenkuudige aber zum Schutze des Gemeinwesens erforderlich waren, so bedurfte man einer Klasse, die sich aus¬ schließlich den Waffen widmete, dagegen von allen andern Diensten befreit war, aber auch keine höhere Stellung erstreben durfte. Hierin liegt der Gegensatz zu den lakedämomschen Zuständen. Im Uebrigen finden sich natürlich zahlreiche Analogieen, welche die im Erziehungswesen beobachteten vervollständigen. Die Knabenerziehnng — bei Platon auch die der Mädchen, da er sie ganz wie die Knaben behandelt — gilt mit dem 18. Lebensjahre als beendet, und es treten die Waffenübungen ein. Im 20. Jahre erfolgt der Eintritt in das Heer; doch galt dieses Alter noch keineswegs für hoch genug, um die volle Selbständigkeit — soweit die Verfassung sie überhaupt zuließ — eintreten zu lassen. Vielmehr wurden die Spartaner bis zum 30. Jahre noch gar nicht zu den Männern gerechnet; sie mußten an den Uebungen der Jünglings-Abtheilungen theilnehmen und durften keinen eignen Hausstand begründen. Analog schiebt Platon bis zum 30. Jahre die Entscheidung über den definitiven Beruf der Bürger zu kriegerischer oder dialektischer Thätigkeit hinaus, nachdem schon im 30. Jahre die zum Krieger¬ stande nicht geeignete Mehrzahl der Arbeiterklasse zugewiesen worden ist. Die weite Hinausschiebuug des Mündigkeitstermins scheint bei beiden Gesetzgebern mit den Ansichten über die Geschlechtsreife zusammenzuhängen. Wenigstens gibt Platon ausdrücklich das 30. Jahr als den Zeitpunkt dafür an, und in Sparta war es wo nicht Gesetz, doch Sitte, nicht vor dem 30. Jahre zu heirathen. In Athen war man hierin minder skrupulös. Wenn anch die Wahlfähigkeit zu öffentlichen Aemtern, zum Rath und zu den Richterstellen gleichfalls erst mit zurückgelegtem 30. Lebensjahre eintrat, so war der Besuch der Volksversammlungen sowie das Reden und Abstimmen in denselben schon vom 20. Jahre an gestattet, und die privatrechtliche Mündigkeit trat sogar schon mit dem 18. Jahre ein. Eine hervorstechende Einrichtung echt sozialistischen Charakters ist die ge¬ nossenschaftliche Lebensweise, namentlich die gemeinsamen Mahle der Bürger, Grenzboten II. 1879. SS

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/457>, abgerufen am 20.10.2024.