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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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positiven Verfügungen, wie der Minister es auszuüben versuche. Der Ober¬
gespan ferner könne niemals als Vertreter des Nationsgrafen betrachtet werden,
da dies Amt durch das Gesetz aufgehoben sei, er selbst aber als Regierungs¬
beamter nicht von der Universität zur Verantwortung gezogen werden könne.
Ebendeshalb sei dieselbe nicht in der Lage, ihm eine Amtswohnung und Gehalt
aus ihren Mitteln zu gewähren. Die Universität müsse aber die "Aufforderung"
des Ministers wie die von ihm in Anspruch genommene Stellung des Ober¬
gespans um so mehr zurückweisen, als beides das feierlich gewährleistete, von
ihm ganz persönlich vertretene Eigenthumsrecht, das naturgemäß das freie
Verfügungsrecht in sich schließe, faktisch vernichte und somit dem Geist und
Wortlaut des Gesetzes schnurstracks zuwiderlaufe. Aus demselben Grunde
müsse das Recht jedes einzelnen Mitgliedes der Generalversammlung, gegen
die Beschlüsse der Majorität Berufung an die Regierung einzulegen, verworfen
werden; überdies widerspreche es jedem Rechtsgrundsätze über die Verwaltung
korporativen Eigenthums. Aus alleu diesen Gründen sei die Universität außer
Stand gesetzt, auf die Berathung der Statuten im Sinne der ministeriellen
"Aufforderung" einzugehen, müsse vielmehr die Bitte stellen, zuvor "die un¬
beschränkte Berathung und Beschlußfassung über die Organisationsstatute
zu gestatten."

Als diese mannhafte Erklärung am 2l. Oktober von der Kommission zur
Berathung im Plenum gestellt wurde, wagte der Vorsitzende Obergespan, der
Sachse Friedrich Wächter, einen einfachen Gewaltstreich. Die Kommission,
äußerte er, habe der ausdrücklich ertheilten Weisung des Ministers nicht ent¬
sprochen, und er sehe sich deshalb verpflichtet, zu erklären, daß er eine Ver¬
handlung über den Bericht nicht zulassen könne. Die Universität habe keinen
Spielraum in ihren diesbezüglichen Berathungen und Beschlüssen; ihre Aufgabe
sei vielmehr nur die, die Statuten nach den Weisungen des Ministers einzu¬
richten. Er werde demnach nöthigenfalls die Statute auch von einer Mino¬
rität feststellen lassen, um der klaren Weisung des Ministers nachzukommen.
Umsonst bemüht man sich, für diese "nie erhörte Verkehrung der parlamenta¬
rischen Berathungsformen" selbst in den einmal geltenden gesetzlichen Bestim¬
mungen irgend welchen Anhalt zu finden. Wo war darin der sächsischen
Universität die freie Diskussion verwehrt? Wo bewilligt das Gesetz dem
Minister etwas anderes als die "Genehmigung" beziehentlich Verwerfung der
Beschlüsse? Woher nimmt weiter der Obergespan die Rechtfertigung dafür,
eventuell Minoritätsbeschlüsse als Beschlüsse der Generalversammlung zu be¬
handeln? Etwa aus der Aufforderung seines Chefs, in den Statuten jedem
Mitgliede die Berufung gegen einen Mehrheitsbeschluß zu garantiren? Seit


positiven Verfügungen, wie der Minister es auszuüben versuche. Der Ober¬
gespan ferner könne niemals als Vertreter des Nationsgrafen betrachtet werden,
da dies Amt durch das Gesetz aufgehoben sei, er selbst aber als Regierungs¬
beamter nicht von der Universität zur Verantwortung gezogen werden könne.
Ebendeshalb sei dieselbe nicht in der Lage, ihm eine Amtswohnung und Gehalt
aus ihren Mitteln zu gewähren. Die Universität müsse aber die „Aufforderung"
des Ministers wie die von ihm in Anspruch genommene Stellung des Ober¬
gespans um so mehr zurückweisen, als beides das feierlich gewährleistete, von
ihm ganz persönlich vertretene Eigenthumsrecht, das naturgemäß das freie
Verfügungsrecht in sich schließe, faktisch vernichte und somit dem Geist und
Wortlaut des Gesetzes schnurstracks zuwiderlaufe. Aus demselben Grunde
müsse das Recht jedes einzelnen Mitgliedes der Generalversammlung, gegen
die Beschlüsse der Majorität Berufung an die Regierung einzulegen, verworfen
werden; überdies widerspreche es jedem Rechtsgrundsätze über die Verwaltung
korporativen Eigenthums. Aus alleu diesen Gründen sei die Universität außer
Stand gesetzt, auf die Berathung der Statuten im Sinne der ministeriellen
„Aufforderung" einzugehen, müsse vielmehr die Bitte stellen, zuvor „die un¬
beschränkte Berathung und Beschlußfassung über die Organisationsstatute
zu gestatten."

Als diese mannhafte Erklärung am 2l. Oktober von der Kommission zur
Berathung im Plenum gestellt wurde, wagte der Vorsitzende Obergespan, der
Sachse Friedrich Wächter, einen einfachen Gewaltstreich. Die Kommission,
äußerte er, habe der ausdrücklich ertheilten Weisung des Ministers nicht ent¬
sprochen, und er sehe sich deshalb verpflichtet, zu erklären, daß er eine Ver¬
handlung über den Bericht nicht zulassen könne. Die Universität habe keinen
Spielraum in ihren diesbezüglichen Berathungen und Beschlüssen; ihre Aufgabe
sei vielmehr nur die, die Statuten nach den Weisungen des Ministers einzu¬
richten. Er werde demnach nöthigenfalls die Statute auch von einer Mino¬
rität feststellen lassen, um der klaren Weisung des Ministers nachzukommen.
Umsonst bemüht man sich, für diese „nie erhörte Verkehrung der parlamenta¬
rischen Berathungsformen" selbst in den einmal geltenden gesetzlichen Bestim¬
mungen irgend welchen Anhalt zu finden. Wo war darin der sächsischen
Universität die freie Diskussion verwehrt? Wo bewilligt das Gesetz dem
Minister etwas anderes als die „Genehmigung" beziehentlich Verwerfung der
Beschlüsse? Woher nimmt weiter der Obergespan die Rechtfertigung dafür,
eventuell Minoritätsbeschlüsse als Beschlüsse der Generalversammlung zu be¬
handeln? Etwa aus der Aufforderung seines Chefs, in den Statuten jedem
Mitgliede die Berufung gegen einen Mehrheitsbeschluß zu garantiren? Seit


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[0419] positiven Verfügungen, wie der Minister es auszuüben versuche. Der Ober¬ gespan ferner könne niemals als Vertreter des Nationsgrafen betrachtet werden, da dies Amt durch das Gesetz aufgehoben sei, er selbst aber als Regierungs¬ beamter nicht von der Universität zur Verantwortung gezogen werden könne. Ebendeshalb sei dieselbe nicht in der Lage, ihm eine Amtswohnung und Gehalt aus ihren Mitteln zu gewähren. Die Universität müsse aber die „Aufforderung" des Ministers wie die von ihm in Anspruch genommene Stellung des Ober¬ gespans um so mehr zurückweisen, als beides das feierlich gewährleistete, von ihm ganz persönlich vertretene Eigenthumsrecht, das naturgemäß das freie Verfügungsrecht in sich schließe, faktisch vernichte und somit dem Geist und Wortlaut des Gesetzes schnurstracks zuwiderlaufe. Aus demselben Grunde müsse das Recht jedes einzelnen Mitgliedes der Generalversammlung, gegen die Beschlüsse der Majorität Berufung an die Regierung einzulegen, verworfen werden; überdies widerspreche es jedem Rechtsgrundsätze über die Verwaltung korporativen Eigenthums. Aus alleu diesen Gründen sei die Universität außer Stand gesetzt, auf die Berathung der Statuten im Sinne der ministeriellen „Aufforderung" einzugehen, müsse vielmehr die Bitte stellen, zuvor „die un¬ beschränkte Berathung und Beschlußfassung über die Organisationsstatute zu gestatten." Als diese mannhafte Erklärung am 2l. Oktober von der Kommission zur Berathung im Plenum gestellt wurde, wagte der Vorsitzende Obergespan, der Sachse Friedrich Wächter, einen einfachen Gewaltstreich. Die Kommission, äußerte er, habe der ausdrücklich ertheilten Weisung des Ministers nicht ent¬ sprochen, und er sehe sich deshalb verpflichtet, zu erklären, daß er eine Ver¬ handlung über den Bericht nicht zulassen könne. Die Universität habe keinen Spielraum in ihren diesbezüglichen Berathungen und Beschlüssen; ihre Aufgabe sei vielmehr nur die, die Statuten nach den Weisungen des Ministers einzu¬ richten. Er werde demnach nöthigenfalls die Statute auch von einer Mino¬ rität feststellen lassen, um der klaren Weisung des Ministers nachzukommen. Umsonst bemüht man sich, für diese „nie erhörte Verkehrung der parlamenta¬ rischen Berathungsformen" selbst in den einmal geltenden gesetzlichen Bestim¬ mungen irgend welchen Anhalt zu finden. Wo war darin der sächsischen Universität die freie Diskussion verwehrt? Wo bewilligt das Gesetz dem Minister etwas anderes als die „Genehmigung" beziehentlich Verwerfung der Beschlüsse? Woher nimmt weiter der Obergespan die Rechtfertigung dafür, eventuell Minoritätsbeschlüsse als Beschlüsse der Generalversammlung zu be¬ handeln? Etwa aus der Aufforderung seines Chefs, in den Statuten jedem Mitgliede die Berufung gegen einen Mehrheitsbeschluß zu garantiren? Seit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/419>, abgerufen am 27.09.2024.