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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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sie seit 1446 eine einheitliche Genossenschaft, die univsrsitas SÄxcmicÄ, die seit
1485 auch ihren gemeinschaftlichen Landtag beschickte, und standen, in sieben und
zwei "Stühle" oder "Gerichte", außerdem in zwei "Bezirke" (um Kronstäbe
und Bistritz) gegliedert, unter einem zuerst von der Krone ernannten, seit 1464
von der Nation auf Lebenszeit erwählten Grafen (oornizs), der im ganzen
Gebiete als oberster Richter fungirte, während ein Zentralamt als Organ der
"Universität" die politische und finanzielle Verwaltung leitete. So stellten die
Sachsen neben den beiden anderen ständischen Nationen Siebenbürgen's, den
Ungarn und Szeklern, allerdings einen Staat im Staate dar, der durch einen
engeren Bund mit jenen beiden Nationen das Großfürstenthum Siebenbürgen
konstituirte, durch einen weiteren mit dem Königreich Ungarn selbst zusammenhing.
Aber dieser staatenbündische Charakter ist allen mittelalterlichen politischen
Organismen eigen und hat sich in der Habsburgischen Monarchie länger als
anderswo behauptet, nur daß allerorten sonst der Adel mit dem hohen Klerus
als Träger der landschaftlichen Selbständigkeit erscheint, während bei den
siebenbürger Sachsen die freien Städte und Landgemeinden diese Stellung
einnahmen. Dem sehr langsamen Uebergange Oesterreich's von landschaftlich-
ständischen zu zentralistisch-monarchischen Ordnungen entspricht es nun durchaus,
wenn auch die sächsische Universität ihre Sonderstellung ungeschmälert so lange
aufrecht erhielt, wenn Leopold I. bei der Huldigung Siebenbürgen's 1691 sie
bestätigte, wenn wiederum 100 Jahre später unter Beseitigung der hastigen
Reformen Josef's II. Kaiser Leopold II. dasselbe that, wenn endlich selbst der
siebenbürgische Landtag von 1848, als er die Union mit Ungarn beschloß,
die Rechte der Sachsen wahrte, und wenn dann auch nachher noch die öster¬
reichische Regierung in dem Streben, den Magyaren ein Gegengewicht zu geben,
sie schützte, ja daran dachte, das sächsische Territorium als ein selbständiges
Kronland direkt unter die Wiener Regierung zu stellen, wie das mit der ser¬
bischen Wojwodina (Banat) thatsächlich geschah. Jedenfalls bildete damals
das Land der Sachsen eines der blühendsten und bestverwalteten Territorien
im ganzen Umfange des Kaiserstaates, hervorragend zugleich durch emsige Pflege
aller geistigen Bildung und durch den lebendigen Zusammenhang, den der weit¬
verschlagene Stamm mit dem Kulturleben der fernen Heimat zu behaupten
wußte. Inwieweit freilich die abgeschlossene Sonderstellung dein Zuge nach
schärferer Zusammenfassung aller rein staatlichen Gewalt werde widerstehen
können, blieb eine offene Frage.

Sie schien sich zunächst zu Gunsten der Sachsen lösen zu sollen. Denn
auch das Unionsgesetz von 1868, welches Siebenbürgen mit Ungarn zu einem
Ganzen vereinigte, garantirte in den bindendsten Ausdrücken die Rechte der
Sachsen. Das ungarische Ministerium wurde beauftragt, zur Sicherstellung


sie seit 1446 eine einheitliche Genossenschaft, die univsrsitas SÄxcmicÄ, die seit
1485 auch ihren gemeinschaftlichen Landtag beschickte, und standen, in sieben und
zwei „Stühle" oder „Gerichte", außerdem in zwei „Bezirke" (um Kronstäbe
und Bistritz) gegliedert, unter einem zuerst von der Krone ernannten, seit 1464
von der Nation auf Lebenszeit erwählten Grafen (oornizs), der im ganzen
Gebiete als oberster Richter fungirte, während ein Zentralamt als Organ der
„Universität" die politische und finanzielle Verwaltung leitete. So stellten die
Sachsen neben den beiden anderen ständischen Nationen Siebenbürgen's, den
Ungarn und Szeklern, allerdings einen Staat im Staate dar, der durch einen
engeren Bund mit jenen beiden Nationen das Großfürstenthum Siebenbürgen
konstituirte, durch einen weiteren mit dem Königreich Ungarn selbst zusammenhing.
Aber dieser staatenbündische Charakter ist allen mittelalterlichen politischen
Organismen eigen und hat sich in der Habsburgischen Monarchie länger als
anderswo behauptet, nur daß allerorten sonst der Adel mit dem hohen Klerus
als Träger der landschaftlichen Selbständigkeit erscheint, während bei den
siebenbürger Sachsen die freien Städte und Landgemeinden diese Stellung
einnahmen. Dem sehr langsamen Uebergange Oesterreich's von landschaftlich-
ständischen zu zentralistisch-monarchischen Ordnungen entspricht es nun durchaus,
wenn auch die sächsische Universität ihre Sonderstellung ungeschmälert so lange
aufrecht erhielt, wenn Leopold I. bei der Huldigung Siebenbürgen's 1691 sie
bestätigte, wenn wiederum 100 Jahre später unter Beseitigung der hastigen
Reformen Josef's II. Kaiser Leopold II. dasselbe that, wenn endlich selbst der
siebenbürgische Landtag von 1848, als er die Union mit Ungarn beschloß,
die Rechte der Sachsen wahrte, und wenn dann auch nachher noch die öster¬
reichische Regierung in dem Streben, den Magyaren ein Gegengewicht zu geben,
sie schützte, ja daran dachte, das sächsische Territorium als ein selbständiges
Kronland direkt unter die Wiener Regierung zu stellen, wie das mit der ser¬
bischen Wojwodina (Banat) thatsächlich geschah. Jedenfalls bildete damals
das Land der Sachsen eines der blühendsten und bestverwalteten Territorien
im ganzen Umfange des Kaiserstaates, hervorragend zugleich durch emsige Pflege
aller geistigen Bildung und durch den lebendigen Zusammenhang, den der weit¬
verschlagene Stamm mit dem Kulturleben der fernen Heimat zu behaupten
wußte. Inwieweit freilich die abgeschlossene Sonderstellung dein Zuge nach
schärferer Zusammenfassung aller rein staatlichen Gewalt werde widerstehen
können, blieb eine offene Frage.

Sie schien sich zunächst zu Gunsten der Sachsen lösen zu sollen. Denn
auch das Unionsgesetz von 1868, welches Siebenbürgen mit Ungarn zu einem
Ganzen vereinigte, garantirte in den bindendsten Ausdrücken die Rechte der
Sachsen. Das ungarische Ministerium wurde beauftragt, zur Sicherstellung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/411>, abgerufen am 27.09.2024.