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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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durfte. Bei den großen Faschingsbelustigungen in Stuttgart und Ludwigsburg
verlieh er Maskenanzüge und stellte Glückshäfen und Spieltische auf.

Süß brauchte aber auch viel, und einen großen Theil dessen, was er ver¬
diente oder erpreßte, verschwendete er alsbald. Er hielt sich eine Art Hofstaat,
zu dem die Räthe des Landes, ans Furcht vor ihm anch manche von den
besseren, mit ihren Frauen und Töchtern ihr Kontingent stellten. Seine Ein¬
richtung war fürstlich, seine Tafel besser als die des Herzogs. Er gab Bälle,
die mit verschwenderischer Pracht ausgestattet waren. Selbstverständlich hatte
die "hebräische Excellenz" auch ihre Maitresse, daneben wußte er sich aber
auch, wie später die Untersuchung erwies, durch reiche Geschenke eine große
Anzahl vornehmer Frauen und Mädchen zur Befriedigung seiner Sinnlichkeit
ohne viele Mühe geneigt zu machen; denn er war nicht blos ein reicher, sondern
auch ein ungewöhnlich schöner Mann, den der hirschbraune, mit Goldtressen
besetzte Klapprock, die scharlachrothe Weste, über die eine schwere goldene Uhr¬
kette herabhing, die breitgestreiften seidenen Beinkleider und die Schuhe mit
dicken goldenen Schnallen, die er trug, nach damaligen Begriffen sehr gut klei¬
deten. Alles beugte sich vor ihm, nur die, welche nichts zu hoffen und nichts
zu verlieren hatten, spotteten und fluchten, wenn er sich öffentlich zeigte. Aber
wenn ihm auch alles gelungen war, eins gelang ihm nicht: er versuchte zwei
Mal, sich in den Adelsstand erheben zu lassen, und das zweite Mal unter¬
stützte der Herzog sein dahingehendes Gesuch in Wien; aber obwohl Süß
tausend Dukaten für Erfüllung seines Verlangens bot, ging das kaiserliche
Kabinet nicht darauf ein.

Doch der Krug geht fo lange zu Wasser, bis er bricht. Das sollte auch
dieser jüdische Blutegel am Leibe Württemberg's erfahren. Die Ränke zwar,
die man am Hofe gegen ihn spann, und die ihn bewogen, um seine Entlassung
zu bitten, führten zu nichts. Der Herzog ging auf den Antrag, die Rechnungen
seines Finanziers einer Untersuchung zu unterwerfen, wohl ein, stellte ihm aber
zugleich ein Absolutorium aus, nach welchem er für alle feine Handlungen,
auch die zukünftigen, von jeder Verantwortlichkeit frei sein sollte; aber erließ
ihn auch nicht abziehen, obwohl ihm Süß, dem allmählich doch bange geworden,
zuerst 20000, dann 50000 Gulden für die Erlaubniß bot, und obwohl er die
Rechnungen in der Ordnung fand. Karl Alexander wartete indeß nur auf
eine Gelegenheit, dem Schwämme alles wieder abzupressen, was er eingesogen
hatte. Süß wußte, daß er zu mehreren Offizieren geäußert, er wolle "den
Juden beim Kopfe nehmen und anf eine Festung setzen", und daß er zu
Scheffer gesagt, er "brauche den Juden jetzt noch, wolle ihn aber bald so fassen,
daß sich Jedermann darüber verwundern solle". Inzwischen ließ er sich von


durfte. Bei den großen Faschingsbelustigungen in Stuttgart und Ludwigsburg
verlieh er Maskenanzüge und stellte Glückshäfen und Spieltische auf.

Süß brauchte aber auch viel, und einen großen Theil dessen, was er ver¬
diente oder erpreßte, verschwendete er alsbald. Er hielt sich eine Art Hofstaat,
zu dem die Räthe des Landes, ans Furcht vor ihm anch manche von den
besseren, mit ihren Frauen und Töchtern ihr Kontingent stellten. Seine Ein¬
richtung war fürstlich, seine Tafel besser als die des Herzogs. Er gab Bälle,
die mit verschwenderischer Pracht ausgestattet waren. Selbstverständlich hatte
die „hebräische Excellenz" auch ihre Maitresse, daneben wußte er sich aber
auch, wie später die Untersuchung erwies, durch reiche Geschenke eine große
Anzahl vornehmer Frauen und Mädchen zur Befriedigung seiner Sinnlichkeit
ohne viele Mühe geneigt zu machen; denn er war nicht blos ein reicher, sondern
auch ein ungewöhnlich schöner Mann, den der hirschbraune, mit Goldtressen
besetzte Klapprock, die scharlachrothe Weste, über die eine schwere goldene Uhr¬
kette herabhing, die breitgestreiften seidenen Beinkleider und die Schuhe mit
dicken goldenen Schnallen, die er trug, nach damaligen Begriffen sehr gut klei¬
deten. Alles beugte sich vor ihm, nur die, welche nichts zu hoffen und nichts
zu verlieren hatten, spotteten und fluchten, wenn er sich öffentlich zeigte. Aber
wenn ihm auch alles gelungen war, eins gelang ihm nicht: er versuchte zwei
Mal, sich in den Adelsstand erheben zu lassen, und das zweite Mal unter¬
stützte der Herzog sein dahingehendes Gesuch in Wien; aber obwohl Süß
tausend Dukaten für Erfüllung seines Verlangens bot, ging das kaiserliche
Kabinet nicht darauf ein.

Doch der Krug geht fo lange zu Wasser, bis er bricht. Das sollte auch
dieser jüdische Blutegel am Leibe Württemberg's erfahren. Die Ränke zwar,
die man am Hofe gegen ihn spann, und die ihn bewogen, um seine Entlassung
zu bitten, führten zu nichts. Der Herzog ging auf den Antrag, die Rechnungen
seines Finanziers einer Untersuchung zu unterwerfen, wohl ein, stellte ihm aber
zugleich ein Absolutorium aus, nach welchem er für alle feine Handlungen,
auch die zukünftigen, von jeder Verantwortlichkeit frei sein sollte; aber erließ
ihn auch nicht abziehen, obwohl ihm Süß, dem allmählich doch bange geworden,
zuerst 20000, dann 50000 Gulden für die Erlaubniß bot, und obwohl er die
Rechnungen in der Ordnung fand. Karl Alexander wartete indeß nur auf
eine Gelegenheit, dem Schwämme alles wieder abzupressen, was er eingesogen
hatte. Süß wußte, daß er zu mehreren Offizieren geäußert, er wolle „den
Juden beim Kopfe nehmen und anf eine Festung setzen", und daß er zu
Scheffer gesagt, er „brauche den Juden jetzt noch, wolle ihn aber bald so fassen,
daß sich Jedermann darüber verwundern solle". Inzwischen ließ er sich von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/399>, abgerufen am 27.09.2024.