Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

ihm ein herzogliches Dekret nicht, so ließ er es durch die ihm allezeit gehor¬
samen Räthe kassiren oder umändern.

Seit 1734 hatte Süß die Münze gepachtet, und obwohl das von ihm
geprägte Geld nicht das schlechteste war, warf ihm das Geschäft schon während
des Krieges und nach demselben, wo er einen neuen Pacht abschloß, der gün¬
stiger war, erkleckliche Summen ab, sodaß ihm der Herzog einmal sagte: "Du
Spitzbub hast mehr Profit an meiner Münze als ich selbst."

Schlimmer war die Ausbeutung einer herzoglichen Verordnung, die gleich
nach dem Regierungsantritte Karl Alexander's ergangen war und "Landes¬
kommissionen" zur Säuberung des Beamtenstandes von den unter dem Gräve-
nitz'schen Regiments in denselben eingeführten schlechten Elementen eingesetzt
hatte. Diese Kommissionen, welche die massenhaft eingelaufenen Klagen und
Beschwerden zu prüfen und die Schuldigen zur Bestrafung zu ziehen hatten,
besetzte Süß mit seinen Leuten, und "wenn es dann zum Vergleichen oder
Geldgeben gekommen war, hatten die Parteien sich an ihn selbst zu adressiren".
Denn auf Gelderpressung und Beutelschneiderei lief Alles hinaus. Die Unter¬
suchenden nahmen dabei an, daß jeder Beamte schuldig, und daß er nur mit
Geld zu bestrafen sei. Wirklich nachlässige oder untreue Leute aber wurden
nicht uach ihrem Vergehen, sondern nach ihrem Vermögen gebüßt; der reiche
Vogt Zeller von Balingen z. B. mußte "vor Pardoniren" 20000 Gulden ent¬
richten. Die pflichttreu befundenen Beamten drangsalirte und bedrohte man
so lange, bis sie sich, um nur die Kommission los zu werden, in der Regel
entschlossen, die ihnen zugemuthete Geldsumme zu bezahlen.

Von den Beamten kam man bald auf vermögende Privatleute, die, durch
besondere Agenten aufgespürt, sich über die Wege verantworten mußten, auf
denen sie sich ihren Reichthum erworben. Viele kauften sich mit Geld von
solcher Untersuchung los, andere wurden ohne Beweis, blos "weil sie Ver¬
mögen hatten", zur Zahlung hoher Summen verurtheilt; der Kammerrath Wolff
z. B. zu 13000, der Schultheiß Binder zu 3000 Gulden angehalten. Das
Geld floß nur zum Theil in die herzogliche Kasse, da Süß gewisse Prozente
daran zugesichert waren, und seine Helfershelfer sich selbstverständlich auch nicht
vergaßen.

Wieder ein anderes, von Süß zwar nicht erfundenes, aber vervollkomm¬
netes Mittel zur Füllung der Kasse des Herzogs war der schon unter dem
Vorgänger Karl Alexander's üblich gewesene Aemter- und Stellenhandel, der
mit der Schöpfung neuer Aemter und Titel einträglicher gemacht und auf die
Gemeindebediensteten ausgedehnt wurde, obwohl nach den Landesfreiheiten das
Ernennungsrecht den Gemeinden zustand. Jedes Amt, auch das kleinste, wurde
im Wege der Versteigerung dem Meistbietenden übertragen. Zwar sollten


ihm ein herzogliches Dekret nicht, so ließ er es durch die ihm allezeit gehor¬
samen Räthe kassiren oder umändern.

Seit 1734 hatte Süß die Münze gepachtet, und obwohl das von ihm
geprägte Geld nicht das schlechteste war, warf ihm das Geschäft schon während
des Krieges und nach demselben, wo er einen neuen Pacht abschloß, der gün¬
stiger war, erkleckliche Summen ab, sodaß ihm der Herzog einmal sagte: „Du
Spitzbub hast mehr Profit an meiner Münze als ich selbst."

Schlimmer war die Ausbeutung einer herzoglichen Verordnung, die gleich
nach dem Regierungsantritte Karl Alexander's ergangen war und „Landes¬
kommissionen" zur Säuberung des Beamtenstandes von den unter dem Gräve-
nitz'schen Regiments in denselben eingeführten schlechten Elementen eingesetzt
hatte. Diese Kommissionen, welche die massenhaft eingelaufenen Klagen und
Beschwerden zu prüfen und die Schuldigen zur Bestrafung zu ziehen hatten,
besetzte Süß mit seinen Leuten, und „wenn es dann zum Vergleichen oder
Geldgeben gekommen war, hatten die Parteien sich an ihn selbst zu adressiren".
Denn auf Gelderpressung und Beutelschneiderei lief Alles hinaus. Die Unter¬
suchenden nahmen dabei an, daß jeder Beamte schuldig, und daß er nur mit
Geld zu bestrafen sei. Wirklich nachlässige oder untreue Leute aber wurden
nicht uach ihrem Vergehen, sondern nach ihrem Vermögen gebüßt; der reiche
Vogt Zeller von Balingen z. B. mußte „vor Pardoniren" 20000 Gulden ent¬
richten. Die pflichttreu befundenen Beamten drangsalirte und bedrohte man
so lange, bis sie sich, um nur die Kommission los zu werden, in der Regel
entschlossen, die ihnen zugemuthete Geldsumme zu bezahlen.

Von den Beamten kam man bald auf vermögende Privatleute, die, durch
besondere Agenten aufgespürt, sich über die Wege verantworten mußten, auf
denen sie sich ihren Reichthum erworben. Viele kauften sich mit Geld von
solcher Untersuchung los, andere wurden ohne Beweis, blos „weil sie Ver¬
mögen hatten", zur Zahlung hoher Summen verurtheilt; der Kammerrath Wolff
z. B. zu 13000, der Schultheiß Binder zu 3000 Gulden angehalten. Das
Geld floß nur zum Theil in die herzogliche Kasse, da Süß gewisse Prozente
daran zugesichert waren, und seine Helfershelfer sich selbstverständlich auch nicht
vergaßen.

Wieder ein anderes, von Süß zwar nicht erfundenes, aber vervollkomm¬
netes Mittel zur Füllung der Kasse des Herzogs war der schon unter dem
Vorgänger Karl Alexander's üblich gewesene Aemter- und Stellenhandel, der
mit der Schöpfung neuer Aemter und Titel einträglicher gemacht und auf die
Gemeindebediensteten ausgedehnt wurde, obwohl nach den Landesfreiheiten das
Ernennungsrecht den Gemeinden zustand. Jedes Amt, auch das kleinste, wurde
im Wege der Versteigerung dem Meistbietenden übertragen. Zwar sollten


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0396" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142351"/>
          <p xml:id="ID_1196" prev="#ID_1195"> ihm ein herzogliches Dekret nicht, so ließ er es durch die ihm allezeit gehor¬<lb/>
samen Räthe kassiren oder umändern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1197"> Seit 1734 hatte Süß die Münze gepachtet, und obwohl das von ihm<lb/>
geprägte Geld nicht das schlechteste war, warf ihm das Geschäft schon während<lb/>
des Krieges und nach demselben, wo er einen neuen Pacht abschloß, der gün¬<lb/>
stiger war, erkleckliche Summen ab, sodaß ihm der Herzog einmal sagte: &#x201E;Du<lb/>
Spitzbub hast mehr Profit an meiner Münze als ich selbst."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1198"> Schlimmer war die Ausbeutung einer herzoglichen Verordnung, die gleich<lb/>
nach dem Regierungsantritte Karl Alexander's ergangen war und &#x201E;Landes¬<lb/>
kommissionen" zur Säuberung des Beamtenstandes von den unter dem Gräve-<lb/>
nitz'schen Regiments in denselben eingeführten schlechten Elementen eingesetzt<lb/>
hatte. Diese Kommissionen, welche die massenhaft eingelaufenen Klagen und<lb/>
Beschwerden zu prüfen und die Schuldigen zur Bestrafung zu ziehen hatten,<lb/>
besetzte Süß mit seinen Leuten, und &#x201E;wenn es dann zum Vergleichen oder<lb/>
Geldgeben gekommen war, hatten die Parteien sich an ihn selbst zu adressiren".<lb/>
Denn auf Gelderpressung und Beutelschneiderei lief Alles hinaus. Die Unter¬<lb/>
suchenden nahmen dabei an, daß jeder Beamte schuldig, und daß er nur mit<lb/>
Geld zu bestrafen sei. Wirklich nachlässige oder untreue Leute aber wurden<lb/>
nicht uach ihrem Vergehen, sondern nach ihrem Vermögen gebüßt; der reiche<lb/>
Vogt Zeller von Balingen z. B. mußte &#x201E;vor Pardoniren" 20000 Gulden ent¬<lb/>
richten. Die pflichttreu befundenen Beamten drangsalirte und bedrohte man<lb/>
so lange, bis sie sich, um nur die Kommission los zu werden, in der Regel<lb/>
entschlossen, die ihnen zugemuthete Geldsumme zu bezahlen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1199"> Von den Beamten kam man bald auf vermögende Privatleute, die, durch<lb/>
besondere Agenten aufgespürt, sich über die Wege verantworten mußten, auf<lb/>
denen sie sich ihren Reichthum erworben. Viele kauften sich mit Geld von<lb/>
solcher Untersuchung los, andere wurden ohne Beweis, blos &#x201E;weil sie Ver¬<lb/>
mögen hatten", zur Zahlung hoher Summen verurtheilt; der Kammerrath Wolff<lb/>
z. B. zu 13000, der Schultheiß Binder zu 3000 Gulden angehalten. Das<lb/>
Geld floß nur zum Theil in die herzogliche Kasse, da Süß gewisse Prozente<lb/>
daran zugesichert waren, und seine Helfershelfer sich selbstverständlich auch nicht<lb/>
vergaßen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1200" next="#ID_1201"> Wieder ein anderes, von Süß zwar nicht erfundenes, aber vervollkomm¬<lb/>
netes Mittel zur Füllung der Kasse des Herzogs war der schon unter dem<lb/>
Vorgänger Karl Alexander's üblich gewesene Aemter- und Stellenhandel, der<lb/>
mit der Schöpfung neuer Aemter und Titel einträglicher gemacht und auf die<lb/>
Gemeindebediensteten ausgedehnt wurde, obwohl nach den Landesfreiheiten das<lb/>
Ernennungsrecht den Gemeinden zustand. Jedes Amt, auch das kleinste, wurde<lb/>
im Wege der Versteigerung dem Meistbietenden übertragen. Zwar sollten</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0396] ihm ein herzogliches Dekret nicht, so ließ er es durch die ihm allezeit gehor¬ samen Räthe kassiren oder umändern. Seit 1734 hatte Süß die Münze gepachtet, und obwohl das von ihm geprägte Geld nicht das schlechteste war, warf ihm das Geschäft schon während des Krieges und nach demselben, wo er einen neuen Pacht abschloß, der gün¬ stiger war, erkleckliche Summen ab, sodaß ihm der Herzog einmal sagte: „Du Spitzbub hast mehr Profit an meiner Münze als ich selbst." Schlimmer war die Ausbeutung einer herzoglichen Verordnung, die gleich nach dem Regierungsantritte Karl Alexander's ergangen war und „Landes¬ kommissionen" zur Säuberung des Beamtenstandes von den unter dem Gräve- nitz'schen Regiments in denselben eingeführten schlechten Elementen eingesetzt hatte. Diese Kommissionen, welche die massenhaft eingelaufenen Klagen und Beschwerden zu prüfen und die Schuldigen zur Bestrafung zu ziehen hatten, besetzte Süß mit seinen Leuten, und „wenn es dann zum Vergleichen oder Geldgeben gekommen war, hatten die Parteien sich an ihn selbst zu adressiren". Denn auf Gelderpressung und Beutelschneiderei lief Alles hinaus. Die Unter¬ suchenden nahmen dabei an, daß jeder Beamte schuldig, und daß er nur mit Geld zu bestrafen sei. Wirklich nachlässige oder untreue Leute aber wurden nicht uach ihrem Vergehen, sondern nach ihrem Vermögen gebüßt; der reiche Vogt Zeller von Balingen z. B. mußte „vor Pardoniren" 20000 Gulden ent¬ richten. Die pflichttreu befundenen Beamten drangsalirte und bedrohte man so lange, bis sie sich, um nur die Kommission los zu werden, in der Regel entschlossen, die ihnen zugemuthete Geldsumme zu bezahlen. Von den Beamten kam man bald auf vermögende Privatleute, die, durch besondere Agenten aufgespürt, sich über die Wege verantworten mußten, auf denen sie sich ihren Reichthum erworben. Viele kauften sich mit Geld von solcher Untersuchung los, andere wurden ohne Beweis, blos „weil sie Ver¬ mögen hatten", zur Zahlung hoher Summen verurtheilt; der Kammerrath Wolff z. B. zu 13000, der Schultheiß Binder zu 3000 Gulden angehalten. Das Geld floß nur zum Theil in die herzogliche Kasse, da Süß gewisse Prozente daran zugesichert waren, und seine Helfershelfer sich selbstverständlich auch nicht vergaßen. Wieder ein anderes, von Süß zwar nicht erfundenes, aber vervollkomm¬ netes Mittel zur Füllung der Kasse des Herzogs war der schon unter dem Vorgänger Karl Alexander's üblich gewesene Aemter- und Stellenhandel, der mit der Schöpfung neuer Aemter und Titel einträglicher gemacht und auf die Gemeindebediensteten ausgedehnt wurde, obwohl nach den Landesfreiheiten das Ernennungsrecht den Gemeinden zustand. Jedes Amt, auch das kleinste, wurde im Wege der Versteigerung dem Meistbietenden übertragen. Zwar sollten

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/396
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/396>, abgerufen am 27.09.2024.