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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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Antwort lautet: aus den Nachwirkungen des Universitätslebens. Wer erinnert
sich nicht der Streitigkeiten bei den studentischen Fackelzügen, welches Korps
voranschreiten, in welcher Folge die Marschülle gereiht werden, wer bei dem
allgemeinen Kommers den Präses stellen soll. Unsere parlamentarischen Frak¬
tionen bilden sich nach den Erinnerungen der Studentenkorps. Sie streiten,
wie diese um den Vortritt bei Fackelzug und Kommers, um den Vorsitz im
Parlamente. Die Sitte ist so abgeschmackt, wie es gar nicht zu sagen ist, aber
sie besteht einstweilen; messen wir an ihr den jüngsten parlamentarischen Vorfall.

Wenn Herr v. Forckenbeck sich als Repräsentanten der Majorität betrachtete,
so durfte er nicht bei einem politischen Bankette sich gegen diese Majorität
erklären. Allein er mußte schon seit der Wahl des jetzigen Reichstages wissen,
daß er nicht mehr der Repräsentant der politischen Majorität war. Wenn er
dennoch das Präsidium annahm, so konnte man dahinter nur den lobens-
werthen Gedanken suchen, die deutsche Prüsidentenstellung in die allein richtige
Bahn des englischen Sprecheramtes zu leiten. Die Grenzen dieses Amtes
mußte Herr v. Forckenbeck jedenfalls so lange innehalten, als er Präsident war.
Drängte es ihn wieder nach dem Parteileben, fo mußte er erklären, er glaube
seiner Pflicht jetzt besser als thätiges Parteiglied zu entsprechen und mußte
diesen Glauben zum Grunde seines Rücktrittes vom Präsidentenstuhl machen,
bevor er irgend einen politischen Akt außerhalb des Parlamentes unternahm.
Daß er den politischen Akt als ein scharfer Parteimann noch als Präsident
außerhalb des Parlamentes unternahm und daß er dann, was erklärlich, nicht
nur den Sonntag, sondern auch noch den Montag vergehen ließ, bevor er
seine Resignation einreichte, daß er, wie es scheint, am Montag noch zweifelte,
ob er sie einzureichen habe -- dafür haben wir keine Erklärung.

Mit Herrn v. Forckenbeck war der Vizepräsident, Herr v. Stauffenberg,
was das politische Verhältniß zur Majorität betrifft, in gleicher Lage. Nach¬
dem Herr v. Forckenbeck seinen Rücktritt durch den politischen Gegensatz zur
Majorität begründet, mußte Herr v. Stauffenberg ihm folgen. Da er krank
war, konnte er die Krankheit zum Motiv wählen.

Diese beiden Rücktritte haben die Folge gehabt, die sie nach der deutschen
Sitte haben mußten. Die beiden stärksten Korps haben ihre Senioren auf
die Präsidentensitze gebracht. Da das eine Korps, dessen Repräsentant den
Vizepräsidentensitz erhalten hat, bis dahin in eine Art parlamentarischen Verruf
gethan war, weil es, das Korps Germania, parlamentarisch Zentrum genannt,
gewisse Staatsgesetze für sein Gewissen nicht bindend erklärt hatte, so ist die
neue Präsidentenwahl von manchen Seiten als ein befremdliches, den Komment
umstürzendes Ereigniß charakterisirt worden. Wir sehen im Gegentheil in
dem Umstände, daß eine ungleichartige Majorität genöthigt war, die Präsi-


Antwort lautet: aus den Nachwirkungen des Universitätslebens. Wer erinnert
sich nicht der Streitigkeiten bei den studentischen Fackelzügen, welches Korps
voranschreiten, in welcher Folge die Marschülle gereiht werden, wer bei dem
allgemeinen Kommers den Präses stellen soll. Unsere parlamentarischen Frak¬
tionen bilden sich nach den Erinnerungen der Studentenkorps. Sie streiten,
wie diese um den Vortritt bei Fackelzug und Kommers, um den Vorsitz im
Parlamente. Die Sitte ist so abgeschmackt, wie es gar nicht zu sagen ist, aber
sie besteht einstweilen; messen wir an ihr den jüngsten parlamentarischen Vorfall.

Wenn Herr v. Forckenbeck sich als Repräsentanten der Majorität betrachtete,
so durfte er nicht bei einem politischen Bankette sich gegen diese Majorität
erklären. Allein er mußte schon seit der Wahl des jetzigen Reichstages wissen,
daß er nicht mehr der Repräsentant der politischen Majorität war. Wenn er
dennoch das Präsidium annahm, so konnte man dahinter nur den lobens-
werthen Gedanken suchen, die deutsche Prüsidentenstellung in die allein richtige
Bahn des englischen Sprecheramtes zu leiten. Die Grenzen dieses Amtes
mußte Herr v. Forckenbeck jedenfalls so lange innehalten, als er Präsident war.
Drängte es ihn wieder nach dem Parteileben, fo mußte er erklären, er glaube
seiner Pflicht jetzt besser als thätiges Parteiglied zu entsprechen und mußte
diesen Glauben zum Grunde seines Rücktrittes vom Präsidentenstuhl machen,
bevor er irgend einen politischen Akt außerhalb des Parlamentes unternahm.
Daß er den politischen Akt als ein scharfer Parteimann noch als Präsident
außerhalb des Parlamentes unternahm und daß er dann, was erklärlich, nicht
nur den Sonntag, sondern auch noch den Montag vergehen ließ, bevor er
seine Resignation einreichte, daß er, wie es scheint, am Montag noch zweifelte,
ob er sie einzureichen habe — dafür haben wir keine Erklärung.

Mit Herrn v. Forckenbeck war der Vizepräsident, Herr v. Stauffenberg,
was das politische Verhältniß zur Majorität betrifft, in gleicher Lage. Nach¬
dem Herr v. Forckenbeck seinen Rücktritt durch den politischen Gegensatz zur
Majorität begründet, mußte Herr v. Stauffenberg ihm folgen. Da er krank
war, konnte er die Krankheit zum Motiv wählen.

Diese beiden Rücktritte haben die Folge gehabt, die sie nach der deutschen
Sitte haben mußten. Die beiden stärksten Korps haben ihre Senioren auf
die Präsidentensitze gebracht. Da das eine Korps, dessen Repräsentant den
Vizepräsidentensitz erhalten hat, bis dahin in eine Art parlamentarischen Verruf
gethan war, weil es, das Korps Germania, parlamentarisch Zentrum genannt,
gewisse Staatsgesetze für sein Gewissen nicht bindend erklärt hatte, so ist die
neue Präsidentenwahl von manchen Seiten als ein befremdliches, den Komment
umstürzendes Ereigniß charakterisirt worden. Wir sehen im Gegentheil in
dem Umstände, daß eine ungleichartige Majorität genöthigt war, die Präsi-


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[0367] Antwort lautet: aus den Nachwirkungen des Universitätslebens. Wer erinnert sich nicht der Streitigkeiten bei den studentischen Fackelzügen, welches Korps voranschreiten, in welcher Folge die Marschülle gereiht werden, wer bei dem allgemeinen Kommers den Präses stellen soll. Unsere parlamentarischen Frak¬ tionen bilden sich nach den Erinnerungen der Studentenkorps. Sie streiten, wie diese um den Vortritt bei Fackelzug und Kommers, um den Vorsitz im Parlamente. Die Sitte ist so abgeschmackt, wie es gar nicht zu sagen ist, aber sie besteht einstweilen; messen wir an ihr den jüngsten parlamentarischen Vorfall. Wenn Herr v. Forckenbeck sich als Repräsentanten der Majorität betrachtete, so durfte er nicht bei einem politischen Bankette sich gegen diese Majorität erklären. Allein er mußte schon seit der Wahl des jetzigen Reichstages wissen, daß er nicht mehr der Repräsentant der politischen Majorität war. Wenn er dennoch das Präsidium annahm, so konnte man dahinter nur den lobens- werthen Gedanken suchen, die deutsche Prüsidentenstellung in die allein richtige Bahn des englischen Sprecheramtes zu leiten. Die Grenzen dieses Amtes mußte Herr v. Forckenbeck jedenfalls so lange innehalten, als er Präsident war. Drängte es ihn wieder nach dem Parteileben, fo mußte er erklären, er glaube seiner Pflicht jetzt besser als thätiges Parteiglied zu entsprechen und mußte diesen Glauben zum Grunde seines Rücktrittes vom Präsidentenstuhl machen, bevor er irgend einen politischen Akt außerhalb des Parlamentes unternahm. Daß er den politischen Akt als ein scharfer Parteimann noch als Präsident außerhalb des Parlamentes unternahm und daß er dann, was erklärlich, nicht nur den Sonntag, sondern auch noch den Montag vergehen ließ, bevor er seine Resignation einreichte, daß er, wie es scheint, am Montag noch zweifelte, ob er sie einzureichen habe — dafür haben wir keine Erklärung. Mit Herrn v. Forckenbeck war der Vizepräsident, Herr v. Stauffenberg, was das politische Verhältniß zur Majorität betrifft, in gleicher Lage. Nach¬ dem Herr v. Forckenbeck seinen Rücktritt durch den politischen Gegensatz zur Majorität begründet, mußte Herr v. Stauffenberg ihm folgen. Da er krank war, konnte er die Krankheit zum Motiv wählen. Diese beiden Rücktritte haben die Folge gehabt, die sie nach der deutschen Sitte haben mußten. Die beiden stärksten Korps haben ihre Senioren auf die Präsidentensitze gebracht. Da das eine Korps, dessen Repräsentant den Vizepräsidentensitz erhalten hat, bis dahin in eine Art parlamentarischen Verruf gethan war, weil es, das Korps Germania, parlamentarisch Zentrum genannt, gewisse Staatsgesetze für sein Gewissen nicht bindend erklärt hatte, so ist die neue Präsidentenwahl von manchen Seiten als ein befremdliches, den Komment umstürzendes Ereigniß charakterisirt worden. Wir sehen im Gegentheil in dem Umstände, daß eine ungleichartige Majorität genöthigt war, die Präsi-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/367>, abgerufen am 29.12.2024.