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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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Röhre, sondern insbesondere anch den Heber, das Druckwerk, die Pumpe und
Spritze.*) Wahrscheinlich handelt es sich aber um die Anwendung beider
Formen: einmal um Spritzenschläuche, durch welche flüssiges Feuer auf das
feindliche Schiff gepumpt wurde, und zweitens um Feuerröhre, welche mit
langsam brennendem Ausstoßsatze gefüllt waren und einen Feuerstrom sprühten.
Die Erfindung solcher Satzröhren war nämlich damals längst gemacht, und sie
ist von ganz besonderer Wichtigkeit, weil von ihr die nächste bedeutende Ent¬
wickelung der Pyrotechnik ausgegangen ist.

Die vielfache Anfertigung von Feuerwerkskörpern, bei denen pulverartige
Massen in Gefäße mit engen Oeffnungen eingeschlossen wurden, hatte ja natürlich
wiederholt unbeabsichtigte Explosionen zur Folge. Denkende Techniker mußten
dadurch zu Versuchen veranlaßt werden, welchen Einfluß die Gestalt der Um¬
hüllung und die Dichtigkeit der Füllung auf den Verlauf der Explosion hätten.
Man füllte Röhren (Bambusrohr, Papyrustüten, Lederschläuche) mit explo¬
siblem Satze, stieß diesen fest und bemerkte nun, daß nach der Entzündung die
Flamme, anstatt auf einmal gewaltsam hervorzubrechen, nach und nach zischend
und brausend verbrannte, indem dabei das Rohr die Neigung zeigte, sich in
dem der Richtung der sprühenden Flamme entgegengesetzten Sinne zu be¬
wegen. Rohre solcher Art werden diejenigen gewesen sein, welche Leo von
den ans den Gallionen aufgestellten siphones ausdrücklich unterscheidet, indem
er sagt, daß sie unter Donner und Rauch Feuer entsendet hätten. Rohre
solcher Art werden jene kupfernen und eisernen Tuben gewesen sein, von denen
Anna Komnena berichtet, daß sie bemalt und vergoldet wurden, und daß ihre
Mündungen die Rachen von Löwen und anderen wilden Thieren nachahmten,
so daß es geschienen habe, als ob diese Rachen das Feuer spieen. Gleichartig,
nur von geringeren Dimensionen, erscheinen auch die Feuerlauzen, welche
sowohl arabische Manuskripte wie das Werk des Marianus Jakobus darstellen,
und welche auf demselben Prinzipe beruhen; endlich gewisse feuerspeiende Belage¬
rungsmaschinen, welche in der Gestalt von Thieren, namentlich in derjenigen riesiger
Mänse, zum Einäschern von Palissadirungen und Bohlenwerken verwendet
wurden.

Inzwischen empfand man die Schwierigkeit, den in den Rohren festge¬
stampfter Satz an der glatten Außenflüche zu entzünden. Man kam auf den
Gedanken, die explosible Masse zu durchbohren und einen Zündfaden einzu¬
führen. Mit Ueverraschung sah nun der Feuerwerker das sprühende Rohr



*) Vgl. Pape's Wörterbuch. Die Einrichtung von Feuerspritzen ist im ganzen
Orient uralt. Es lag sehr nahe, dasselbe Instrument, welches mit Wasser gefüllt das Feuer
löschte, im Kriege dazu anzuwenden, "Oel in's Feuer zu gießen", d. h. Naphtha, aons, aräens
u. tgi. auf den Feind zu spritzen.

Röhre, sondern insbesondere anch den Heber, das Druckwerk, die Pumpe und
Spritze.*) Wahrscheinlich handelt es sich aber um die Anwendung beider
Formen: einmal um Spritzenschläuche, durch welche flüssiges Feuer auf das
feindliche Schiff gepumpt wurde, und zweitens um Feuerröhre, welche mit
langsam brennendem Ausstoßsatze gefüllt waren und einen Feuerstrom sprühten.
Die Erfindung solcher Satzröhren war nämlich damals längst gemacht, und sie
ist von ganz besonderer Wichtigkeit, weil von ihr die nächste bedeutende Ent¬
wickelung der Pyrotechnik ausgegangen ist.

Die vielfache Anfertigung von Feuerwerkskörpern, bei denen pulverartige
Massen in Gefäße mit engen Oeffnungen eingeschlossen wurden, hatte ja natürlich
wiederholt unbeabsichtigte Explosionen zur Folge. Denkende Techniker mußten
dadurch zu Versuchen veranlaßt werden, welchen Einfluß die Gestalt der Um¬
hüllung und die Dichtigkeit der Füllung auf den Verlauf der Explosion hätten.
Man füllte Röhren (Bambusrohr, Papyrustüten, Lederschläuche) mit explo¬
siblem Satze, stieß diesen fest und bemerkte nun, daß nach der Entzündung die
Flamme, anstatt auf einmal gewaltsam hervorzubrechen, nach und nach zischend
und brausend verbrannte, indem dabei das Rohr die Neigung zeigte, sich in
dem der Richtung der sprühenden Flamme entgegengesetzten Sinne zu be¬
wegen. Rohre solcher Art werden diejenigen gewesen sein, welche Leo von
den ans den Gallionen aufgestellten siphones ausdrücklich unterscheidet, indem
er sagt, daß sie unter Donner und Rauch Feuer entsendet hätten. Rohre
solcher Art werden jene kupfernen und eisernen Tuben gewesen sein, von denen
Anna Komnena berichtet, daß sie bemalt und vergoldet wurden, und daß ihre
Mündungen die Rachen von Löwen und anderen wilden Thieren nachahmten,
so daß es geschienen habe, als ob diese Rachen das Feuer spieen. Gleichartig,
nur von geringeren Dimensionen, erscheinen auch die Feuerlauzen, welche
sowohl arabische Manuskripte wie das Werk des Marianus Jakobus darstellen,
und welche auf demselben Prinzipe beruhen; endlich gewisse feuerspeiende Belage¬
rungsmaschinen, welche in der Gestalt von Thieren, namentlich in derjenigen riesiger
Mänse, zum Einäschern von Palissadirungen und Bohlenwerken verwendet
wurden.

Inzwischen empfand man die Schwierigkeit, den in den Rohren festge¬
stampfter Satz an der glatten Außenflüche zu entzünden. Man kam auf den
Gedanken, die explosible Masse zu durchbohren und einen Zündfaden einzu¬
führen. Mit Ueverraschung sah nun der Feuerwerker das sprühende Rohr



*) Vgl. Pape's Wörterbuch. Die Einrichtung von Feuerspritzen ist im ganzen
Orient uralt. Es lag sehr nahe, dasselbe Instrument, welches mit Wasser gefüllt das Feuer
löschte, im Kriege dazu anzuwenden, „Oel in's Feuer zu gießen", d. h. Naphtha, aons, aräens
u. tgi. auf den Feind zu spritzen.
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[0350] Röhre, sondern insbesondere anch den Heber, das Druckwerk, die Pumpe und Spritze.*) Wahrscheinlich handelt es sich aber um die Anwendung beider Formen: einmal um Spritzenschläuche, durch welche flüssiges Feuer auf das feindliche Schiff gepumpt wurde, und zweitens um Feuerröhre, welche mit langsam brennendem Ausstoßsatze gefüllt waren und einen Feuerstrom sprühten. Die Erfindung solcher Satzröhren war nämlich damals längst gemacht, und sie ist von ganz besonderer Wichtigkeit, weil von ihr die nächste bedeutende Ent¬ wickelung der Pyrotechnik ausgegangen ist. Die vielfache Anfertigung von Feuerwerkskörpern, bei denen pulverartige Massen in Gefäße mit engen Oeffnungen eingeschlossen wurden, hatte ja natürlich wiederholt unbeabsichtigte Explosionen zur Folge. Denkende Techniker mußten dadurch zu Versuchen veranlaßt werden, welchen Einfluß die Gestalt der Um¬ hüllung und die Dichtigkeit der Füllung auf den Verlauf der Explosion hätten. Man füllte Röhren (Bambusrohr, Papyrustüten, Lederschläuche) mit explo¬ siblem Satze, stieß diesen fest und bemerkte nun, daß nach der Entzündung die Flamme, anstatt auf einmal gewaltsam hervorzubrechen, nach und nach zischend und brausend verbrannte, indem dabei das Rohr die Neigung zeigte, sich in dem der Richtung der sprühenden Flamme entgegengesetzten Sinne zu be¬ wegen. Rohre solcher Art werden diejenigen gewesen sein, welche Leo von den ans den Gallionen aufgestellten siphones ausdrücklich unterscheidet, indem er sagt, daß sie unter Donner und Rauch Feuer entsendet hätten. Rohre solcher Art werden jene kupfernen und eisernen Tuben gewesen sein, von denen Anna Komnena berichtet, daß sie bemalt und vergoldet wurden, und daß ihre Mündungen die Rachen von Löwen und anderen wilden Thieren nachahmten, so daß es geschienen habe, als ob diese Rachen das Feuer spieen. Gleichartig, nur von geringeren Dimensionen, erscheinen auch die Feuerlauzen, welche sowohl arabische Manuskripte wie das Werk des Marianus Jakobus darstellen, und welche auf demselben Prinzipe beruhen; endlich gewisse feuerspeiende Belage¬ rungsmaschinen, welche in der Gestalt von Thieren, namentlich in derjenigen riesiger Mänse, zum Einäschern von Palissadirungen und Bohlenwerken verwendet wurden. Inzwischen empfand man die Schwierigkeit, den in den Rohren festge¬ stampfter Satz an der glatten Außenflüche zu entzünden. Man kam auf den Gedanken, die explosible Masse zu durchbohren und einen Zündfaden einzu¬ führen. Mit Ueverraschung sah nun der Feuerwerker das sprühende Rohr *) Vgl. Pape's Wörterbuch. Die Einrichtung von Feuerspritzen ist im ganzen Orient uralt. Es lag sehr nahe, dasselbe Instrument, welches mit Wasser gefüllt das Feuer löschte, im Kriege dazu anzuwenden, „Oel in's Feuer zu gießen", d. h. Naphtha, aons, aräens u. tgi. auf den Feind zu spritzen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/350>, abgerufen am 27.09.2024.