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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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Beurtheilungen heraus, um sie entweder ganz oder nach ihrem Hauptinhalte
mitzutheilen, wobei wir uns ausführlicher Kommentare enthalten und nur hie
und da eine Glosse einschalten, mit welcher der Verfasser jenes Aufsatzes ein¬
verstanden sein dürfte. In etwas komischem Lichte wird dabei die Allwissen¬
heit erscheinen, welche die Presse in Bezug auf die Person desselben entwickelt,
und noch wunderlicher wird Manchem die Verschiedenheit der Ergebnisse vor¬
kommen, zu der diese Allwissenheit gelangt ist.

Die Wiener "Presse" nennt den Artikel einen "offenbar wohlunterrichteten"
und findet es "bezeichnend für die Stellung des Fürsten Bismarck zu der
Vermitteluugs-Mission Schuwaloff's, daß der Kanzler eben wieder eine kleine
publizistische Fehde gegen dessen Vorgesetzten und Nebenbuhler eröffnet hat".
Das Hauptgewicht des Artikels aber liegt, wie das Blatt findet, in der An¬
deutung, daß Gortschakoff noch immer ein Zusammengehen mit Frankreich im
Auge zu haben scheine, das schließlich nur gegen Deutschland gemünzt sein
könne. "Das hier nach Petersburg gerichtete Avis ist gerade des Zeitpunkts
wegen bemerkenswerth", meint die Redaktion der "Presse", die übrigens (wir
verweisen auf Ur. 3 d. Bl., S. 120) im Irrthum ist, wenn sie Moritz Busch
als Redakteur der "Grenzboten" bezeichnet.

Die großen englischen Zeitungen, die unsern Aufsatz ebenfalls einer Be¬
trachtung würdigen, scheinen namentlich denjenigen Ausführungen desselben Be¬
deutung beizulegen, welche das Kapitel der Dankbarkeit, die Deutschland der
russischen Politik schulden soll, behandelten und zu dem Schlüsse gelangten,
daß diese Schuld nicht groß gewesen und 1870 abgetragen worden sei. So
die "Pakt Malt Gazette" und der "Daily Telegraph", das verbreitetste und
nächst den "Times" einflußreichste Blatt England's. Der Berliner Korrespon¬
dent des letzteren schreibt: "Die heftigen Angriffe der russischen Presse aus
Deutschland sind von den Berliner Zeitungen beinahe unbeachtet gelassen
worden. Es war etwas ganz Unerklärliches in ihrer gänzlichen Gleichgiltigkeit
gegen die moskowitische Verleumdung des Fürsten Bismarck und seiner Politik.
In der That, viele Leute begannen den Verdacht zu hegen, daß der Ton der
russischen Journale nur ein Deckmantel für das innige Einverständniß sei,
welches, wie man annahm, zwischen den Kabinetten von Se. Petersburg und
Berlin herrschte. Das letzte Heft der ,Grenzboten^ -- einer Wochenschrift,
die ihre Inspirationen direkt ans der höchsten Quelle empfängt (woher weiß
das der Berichterstatter, daß er so bestimmt spricht?), läßt allen Zweifel in
Betreff des Gegenstandes schwinden ... Der ganze Stil des Artikels, der kein
geringes Aussehen in politischen Kreisen gemacht hat, verräth seinen Ursprung."

In einem ausführlichen Artikel bespricht dann Kingston in demselben Blatte
unsern Aufsatz, um daraus den (wohl etwas raschen) Schluß zu ziehen, "wenn


Beurtheilungen heraus, um sie entweder ganz oder nach ihrem Hauptinhalte
mitzutheilen, wobei wir uns ausführlicher Kommentare enthalten und nur hie
und da eine Glosse einschalten, mit welcher der Verfasser jenes Aufsatzes ein¬
verstanden sein dürfte. In etwas komischem Lichte wird dabei die Allwissen¬
heit erscheinen, welche die Presse in Bezug auf die Person desselben entwickelt,
und noch wunderlicher wird Manchem die Verschiedenheit der Ergebnisse vor¬
kommen, zu der diese Allwissenheit gelangt ist.

Die Wiener „Presse" nennt den Artikel einen „offenbar wohlunterrichteten"
und findet es „bezeichnend für die Stellung des Fürsten Bismarck zu der
Vermitteluugs-Mission Schuwaloff's, daß der Kanzler eben wieder eine kleine
publizistische Fehde gegen dessen Vorgesetzten und Nebenbuhler eröffnet hat".
Das Hauptgewicht des Artikels aber liegt, wie das Blatt findet, in der An¬
deutung, daß Gortschakoff noch immer ein Zusammengehen mit Frankreich im
Auge zu haben scheine, das schließlich nur gegen Deutschland gemünzt sein
könne. „Das hier nach Petersburg gerichtete Avis ist gerade des Zeitpunkts
wegen bemerkenswerth", meint die Redaktion der „Presse", die übrigens (wir
verweisen auf Ur. 3 d. Bl., S. 120) im Irrthum ist, wenn sie Moritz Busch
als Redakteur der „Grenzboten" bezeichnet.

Die großen englischen Zeitungen, die unsern Aufsatz ebenfalls einer Be¬
trachtung würdigen, scheinen namentlich denjenigen Ausführungen desselben Be¬
deutung beizulegen, welche das Kapitel der Dankbarkeit, die Deutschland der
russischen Politik schulden soll, behandelten und zu dem Schlüsse gelangten,
daß diese Schuld nicht groß gewesen und 1870 abgetragen worden sei. So
die „Pakt Malt Gazette" und der „Daily Telegraph", das verbreitetste und
nächst den „Times" einflußreichste Blatt England's. Der Berliner Korrespon¬
dent des letzteren schreibt: „Die heftigen Angriffe der russischen Presse aus
Deutschland sind von den Berliner Zeitungen beinahe unbeachtet gelassen
worden. Es war etwas ganz Unerklärliches in ihrer gänzlichen Gleichgiltigkeit
gegen die moskowitische Verleumdung des Fürsten Bismarck und seiner Politik.
In der That, viele Leute begannen den Verdacht zu hegen, daß der Ton der
russischen Journale nur ein Deckmantel für das innige Einverständniß sei,
welches, wie man annahm, zwischen den Kabinetten von Se. Petersburg und
Berlin herrschte. Das letzte Heft der ,Grenzboten^ — einer Wochenschrift,
die ihre Inspirationen direkt ans der höchsten Quelle empfängt (woher weiß
das der Berichterstatter, daß er so bestimmt spricht?), läßt allen Zweifel in
Betreff des Gegenstandes schwinden ... Der ganze Stil des Artikels, der kein
geringes Aussehen in politischen Kreisen gemacht hat, verräth seinen Ursprung."

In einem ausführlichen Artikel bespricht dann Kingston in demselben Blatte
unsern Aufsatz, um daraus den (wohl etwas raschen) Schluß zu ziehen, „wenn


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/35>, abgerufen am 28.12.2024.