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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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gedrehten Stränge durch die Elastizität der Gase ersetzte und eigentliche Feuer¬
waffen im modernen Sinne schuf.

Anfangs unterschied man kaum die explosiblen Mischungen von einfachen
Brandsätzen, und daher spielt im fernsten Alterthume die Hauptrolle unter den
von der Pyrotechnik benutzten Stoffen die Naphtha, ein dem Petroleum glei¬
chendes Erdöl, welches zumal im Kaukasus und in der Umgegend Babylon's
häufig vorkam und von dort besonders westwärts versendet wurde. Alte
Schriftsteller bezeichnen diese Nnphtha als "flüssiges Feuer", weil sie, auf den
Boden gegossen und angezündet, lebhaft brennt, wie sie denn auch, einer Flamme
zugeführt, diese mächtig auflodern läßt. Außer der Naphtha erfuhr namentlich
ein Erdpech, Maltha, mannichfache Verwendung.*) Als dann die Eigen¬
schaften des Schwefels und endlich die des Salpeters bekannt wurden, fetzte
man beide Stoffe zunächst immer den Erdölen zu, denn diese schienen doch die
recht eigentlichen Feuerträger zu sein; und so mischte oder schmolz man Brand¬
massen zusammen, welche sich unter dichtem Qualme entzündeten und endlich
mit hervorbrechenden Flammen explodirten. Daß Explosion auch ohne An¬
wendung von Holzkohle stattfinden konnte, erklärt sich hinlänglich durch die
Anwesenheit anderer leicht verkohlender organischer Substanzen.

Aus allen Nachrichten, welche von diesen Dingen überliefert sind, erhellt,
daß die Kenntniß derselben in engen Kreisen, namentlich in den Priester-
schaften, geheim gehalten und benutzt wurde, um der Menge handgreiflich
zu imponiren.

Jene Gelehrigkeit der Opferflammen, die, je nach dem Willen der Götter
oder dem Interesse ihrer Priester, bald hochaufloderten, bald verglommen, hell
emporflammten oder im Manche erstickten -- jenes ewige, unauslöschliche Feuer,
das auf den Altären des Vischnu, wie auf denen der Astarte oder der irani¬
schen Feueranbeter glühte -- jene flammenden Schriftzüge, welche in den
Heiligthümern Chaldäa's und Aegypten's oder bei dem Bakchanale Belsazar's
plötzlich an den Mauern erschienen -- das Nessusgewcmd und die tödtliche



Bei dem Bau von Babylon und Ninive wurde ein Asphaltmörtcl benutzt, dessen
Asphalt durch Verdunstung von Erdöl aus den Quellen am Is (einem Ueberflusse des
Euphrat" gewonnen wurde. Diese Quellen, welche die Aufmerksamkeit Alexander's d. Gr.,
Trajan's und Julian's auf sich zogen, fließen noch heute. In Aegypten wurde ein aus
Erdöl bereiteter Asphalt zum Einbalsamiren benutzt, Herodot spricht von Erdölquellen auf
Zakynthos, die einen Theil Griechenland's mit Petroleum versorgten, und Plutarch erwähnt
eines brennenden Sees in der Nähe von Ekbatana. Die von brennbaren Gasen begleiteten
Quellen von Baku waren und sind noch jetzt den Anhängern Zoroaster's Gegenstand religiöser
Verehrung, wie denn überhaupt der Feuerkultus und die von ihm ausgegangene Uebertragung
ewiger Altarfeuer und ewiger Lampen eng mit den Naphthaquelleu zusammenhängt.
Grenzboten II. 137S. 44

gedrehten Stränge durch die Elastizität der Gase ersetzte und eigentliche Feuer¬
waffen im modernen Sinne schuf.

Anfangs unterschied man kaum die explosiblen Mischungen von einfachen
Brandsätzen, und daher spielt im fernsten Alterthume die Hauptrolle unter den
von der Pyrotechnik benutzten Stoffen die Naphtha, ein dem Petroleum glei¬
chendes Erdöl, welches zumal im Kaukasus und in der Umgegend Babylon's
häufig vorkam und von dort besonders westwärts versendet wurde. Alte
Schriftsteller bezeichnen diese Nnphtha als „flüssiges Feuer", weil sie, auf den
Boden gegossen und angezündet, lebhaft brennt, wie sie denn auch, einer Flamme
zugeführt, diese mächtig auflodern läßt. Außer der Naphtha erfuhr namentlich
ein Erdpech, Maltha, mannichfache Verwendung.*) Als dann die Eigen¬
schaften des Schwefels und endlich die des Salpeters bekannt wurden, fetzte
man beide Stoffe zunächst immer den Erdölen zu, denn diese schienen doch die
recht eigentlichen Feuerträger zu sein; und so mischte oder schmolz man Brand¬
massen zusammen, welche sich unter dichtem Qualme entzündeten und endlich
mit hervorbrechenden Flammen explodirten. Daß Explosion auch ohne An¬
wendung von Holzkohle stattfinden konnte, erklärt sich hinlänglich durch die
Anwesenheit anderer leicht verkohlender organischer Substanzen.

Aus allen Nachrichten, welche von diesen Dingen überliefert sind, erhellt,
daß die Kenntniß derselben in engen Kreisen, namentlich in den Priester-
schaften, geheim gehalten und benutzt wurde, um der Menge handgreiflich
zu imponiren.

Jene Gelehrigkeit der Opferflammen, die, je nach dem Willen der Götter
oder dem Interesse ihrer Priester, bald hochaufloderten, bald verglommen, hell
emporflammten oder im Manche erstickten — jenes ewige, unauslöschliche Feuer,
das auf den Altären des Vischnu, wie auf denen der Astarte oder der irani¬
schen Feueranbeter glühte — jene flammenden Schriftzüge, welche in den
Heiligthümern Chaldäa's und Aegypten's oder bei dem Bakchanale Belsazar's
plötzlich an den Mauern erschienen — das Nessusgewcmd und die tödtliche



Bei dem Bau von Babylon und Ninive wurde ein Asphaltmörtcl benutzt, dessen
Asphalt durch Verdunstung von Erdöl aus den Quellen am Is (einem Ueberflusse des
Euphrat» gewonnen wurde. Diese Quellen, welche die Aufmerksamkeit Alexander's d. Gr.,
Trajan's und Julian's auf sich zogen, fließen noch heute. In Aegypten wurde ein aus
Erdöl bereiteter Asphalt zum Einbalsamiren benutzt, Herodot spricht von Erdölquellen auf
Zakynthos, die einen Theil Griechenland's mit Petroleum versorgten, und Plutarch erwähnt
eines brennenden Sees in der Nähe von Ekbatana. Die von brennbaren Gasen begleiteten
Quellen von Baku waren und sind noch jetzt den Anhängern Zoroaster's Gegenstand religiöser
Verehrung, wie denn überhaupt der Feuerkultus und die von ihm ausgegangene Uebertragung
ewiger Altarfeuer und ewiger Lampen eng mit den Naphthaquelleu zusammenhängt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/345>, abgerufen am 28.12.2024.