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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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Nationen der Entwürfe gestatten; die Handwerker ihrerseits beschweren sich,
daß ihnen oft Entwürfe geliefert werden, die für die Ausführung direkt nicht
verwendbar seien und erst durch fleißige und gewissenhafte.Schülerhände aus
dem Stadium der Skizze in das der direkten Vorlage übersetzt werden müßten.
Wir lassen es dahingestellt, wieviel von diesen beiderseitigen Klagen begründet
ist. Das Beste wäre es, wenn es mehr und mehr dahin käme, daß der Lehrer,
wenn derartige Wünsche an ihn herantreten, sie einfach ablehnen, den Auftrag¬
geber an seine Schüler verweisen und sagen könnte: "Wende dich an den oder
jenen, er wird dir die Sache genau so gut und gewissenhaft, genau so stil-
und geschmackvoll liefern, als wenn ich es selber übernähme." Vor allem aber
möchte der Buchhandel und die Buchbinderei der Schule ihr Interesse zuwen¬
den. Es war in Leipzig bis jetzt hergebracht, und leider, muß man ja sagen,
mit Recht hergebracht, daß ein guter Theil der künstlerischen Aufgaben, welche
diese Branchen zu vergeben haben, nach auswärts gingen und in Stuttgart,
München, Wien, Dresden oder Berlin Erledigung suchten und fanden. Dies
uicht sehr ehrenvolle Verhältniß für Leipzig muß und wird sich ändern, wenn
die Akademie auf dem von ihr feit einigen Jahren eingeschlagenen Wege wacker
vorwärtsschreitet, und wenn das Buchgewerbe die reservirte Haltung, die es
ihr gegenüber jetzt im Großen und Ganzen noch einnimmt, mit der Zeit auf¬
gibt. Hoffentlich dient die gegenwärtige Ausstellung dazu, diese gegenseitige
Annäherung zu befördern.

Eins aber haben wir zum Schlüsse noch an dieser Ausstellung auszusetzen:
das ist das Ausstellungslokal. Es ist allgemein aufgefallen, daß die Akademie
ihre Schülerarbeiten im Kartonsaale des städtischen Museums ausgelegt und
steh nicht "als dienendes Glied" an die eben eröffnete Leipziger Kunstgewerbe-
Ausstellung angeschlossen hat, wo die Schülerarbeiten der Dresdner Kunstgewerbe¬
schule und einer ganzen Reihe anderer sächsischer und thüringischer Kunstschulen
augenblicklich zu sehen sind. Am 15. Mai sollte die Kunstgewerbe-Ausstellung
^öffnet werden, das wußte jedes Kind: und siehe da, wenige Tage zuvor etablirt
die Akademie ihre eigne Ausstellung! Das Königspaar erscheint aus Dresden,
eröffnet feierlich die GeWerbeausstellung, besichtigt die Ausstellungsgegenstände
und -- fährt dann hinüber in's Museum, um dort die Arbeiten der Leipziger
Akademie in Augenschein zu nehmen! Was sind das für komische Geschichten! --
^legt etwa irgend eine kleine persönliche Differenz vor, die diese ssosWio in
wusvum veranlaßt hat? Aber das ist ja ganz undenkbar, denn Professor
Zur Straßen ist ja eins der eifrigsten und unermüdlichsten Mitglieder des
Komite's für die GeWerbeausstellung. Oder hat die Tradition den Ausschlag
gegeben? Nun, im vorliegenden Falle hätte dann eben einmal von der Tradi¬
tion abgegangen werden können. Oder sollte übertriebene Bescheidenheit im


Nationen der Entwürfe gestatten; die Handwerker ihrerseits beschweren sich,
daß ihnen oft Entwürfe geliefert werden, die für die Ausführung direkt nicht
verwendbar seien und erst durch fleißige und gewissenhafte.Schülerhände aus
dem Stadium der Skizze in das der direkten Vorlage übersetzt werden müßten.
Wir lassen es dahingestellt, wieviel von diesen beiderseitigen Klagen begründet
ist. Das Beste wäre es, wenn es mehr und mehr dahin käme, daß der Lehrer,
wenn derartige Wünsche an ihn herantreten, sie einfach ablehnen, den Auftrag¬
geber an seine Schüler verweisen und sagen könnte: „Wende dich an den oder
jenen, er wird dir die Sache genau so gut und gewissenhaft, genau so stil-
und geschmackvoll liefern, als wenn ich es selber übernähme." Vor allem aber
möchte der Buchhandel und die Buchbinderei der Schule ihr Interesse zuwen¬
den. Es war in Leipzig bis jetzt hergebracht, und leider, muß man ja sagen,
mit Recht hergebracht, daß ein guter Theil der künstlerischen Aufgaben, welche
diese Branchen zu vergeben haben, nach auswärts gingen und in Stuttgart,
München, Wien, Dresden oder Berlin Erledigung suchten und fanden. Dies
uicht sehr ehrenvolle Verhältniß für Leipzig muß und wird sich ändern, wenn
die Akademie auf dem von ihr feit einigen Jahren eingeschlagenen Wege wacker
vorwärtsschreitet, und wenn das Buchgewerbe die reservirte Haltung, die es
ihr gegenüber jetzt im Großen und Ganzen noch einnimmt, mit der Zeit auf¬
gibt. Hoffentlich dient die gegenwärtige Ausstellung dazu, diese gegenseitige
Annäherung zu befördern.

Eins aber haben wir zum Schlüsse noch an dieser Ausstellung auszusetzen:
das ist das Ausstellungslokal. Es ist allgemein aufgefallen, daß die Akademie
ihre Schülerarbeiten im Kartonsaale des städtischen Museums ausgelegt und
steh nicht „als dienendes Glied" an die eben eröffnete Leipziger Kunstgewerbe-
Ausstellung angeschlossen hat, wo die Schülerarbeiten der Dresdner Kunstgewerbe¬
schule und einer ganzen Reihe anderer sächsischer und thüringischer Kunstschulen
augenblicklich zu sehen sind. Am 15. Mai sollte die Kunstgewerbe-Ausstellung
^öffnet werden, das wußte jedes Kind: und siehe da, wenige Tage zuvor etablirt
die Akademie ihre eigne Ausstellung! Das Königspaar erscheint aus Dresden,
eröffnet feierlich die GeWerbeausstellung, besichtigt die Ausstellungsgegenstände
und — fährt dann hinüber in's Museum, um dort die Arbeiten der Leipziger
Akademie in Augenschein zu nehmen! Was sind das für komische Geschichten! —
^legt etwa irgend eine kleine persönliche Differenz vor, die diese ssosWio in
wusvum veranlaßt hat? Aber das ist ja ganz undenkbar, denn Professor
Zur Straßen ist ja eins der eifrigsten und unermüdlichsten Mitglieder des
Komite's für die GeWerbeausstellung. Oder hat die Tradition den Ausschlag
gegeben? Nun, im vorliegenden Falle hätte dann eben einmal von der Tradi¬
tion abgegangen werden können. Oder sollte übertriebene Bescheidenheit im


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/343>, abgerufen am 28.12.2024.