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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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haben die Runde durch alle namhaften deutschen Ausstellungen gemacht und
um ihrer originalen Auffassung wie um der Korrektheit und Subtilität ihrer
Technik willen überall lebhaften Beifall gefunden. In Leipzig wurde Schild¬
knecht speziell mit der Lehrstelle für den Antikensaal betraut.

Seit der Berufung dieser drei Lehrkräfte ist nun die Kunstakademie mit
ihren Fortschritten nicht wieder an die Öffentlichkeit getreten, wenigstens in
Leipzig nicht. Die Schule hat bisher unter Nieper's Direktion dreimal Aus¬
stellungen veranstaltet: im Februar 1872, zu Ostern 1873 und 1874. Schon
damals zeigte sich in erfreulicher Weise der frische Geist, der in die Anstalt
eingezogen war. Im Sommer 1874 und 1875 waren eine Anzahl Leipziger
Schülerarbeiten auf der akademischen Ausstellung in Dresden, und beidemale hatte
die Schule die Freude, eine Anzahl ihrer Schüler mit Auszeichnungen bedacht
zu sehen. Im Sommer 1876 beschickte sie die zur Jubelfeier des Münchener
Kuustgewerbevereins veranstaltete große Kunstgewerbeausstellung in München,
und hier wurde ihr sogar die Auszeichnung eines zweiten Preises zu Theil.
Seitdem ist die Schülerzahl auf 201 gestiegen, und die Schule hat still und
emsig weiter gearbeitet, ohne von ihren Fortschritten öffentlich Zeugniß abzu¬
legen. So ist es denn natürlich, daß die Proben ihrer Leistungsfähigkeit, die
sie gegenwärtig in der Vorführung einer Auswahl von Schülerarbeiten aus
den letzten drei bis vier Jahren bietet, von allen Urtheilsfähigen mit besonders
kritischen Blicken betrachtet werden. Aber alle Erwartungen, die man billiger
Weise von dieser Ausstellung hegen durfte, sind reichlich erfüllt, in mancher
Beziehung sogar übertroffen worden.

An die Arbeiten der Kopirklasse, für welche auch diesmal erfreulicherweise
meist Photographieen nach Handzeichnungen alter Meister, vor allem Dürer's
und Holbein's, zu Grunde gelegt worden sind, und welche wiederum von treff¬
licher Schulung Zeugniß ablegen, reihen sich zum ersten Male eine Anzahl,
unter zur Straßen's Anleitung angefertigter, sehr anerkennenswerther plastischer
Werke in Gyps, Thon, Wachs und Holz, theils nach Vorlagen, theils nach der
Natur gearbeitet. An diese schließt sich, gleichfalls zum ersten Male, eine reiche
Kollektion von farbigen Ornamentstudien -- unter Scheffers'Leitung ausgeführt --,
an denen nicht nur die methodische Entwickelung des Ornamentes aus den
elementarsten Motiven heraus zu den mannichfaltigsten freien Kompositionen
in Streifen, Bordüren, Flachmustern und abgepaßten Mustern, sondern auch die
Gesetze der Stilisirung naturalistischer Motive und die Gesetze der Schatti-
rung, Mischung und Gegenüberstellung der Farben sich in instruktivster Weise
verfolgen lassen. Einen sehr günstigen Eindruck gewühreu die unter Schild-
knecht's Leitung ausgeführten Zeichnungen nach Gyps. Wir bekennen offen,
daß wir eine so musterhafte Akkuratesse der Arbeit, insbesondere eine so vollendete


haben die Runde durch alle namhaften deutschen Ausstellungen gemacht und
um ihrer originalen Auffassung wie um der Korrektheit und Subtilität ihrer
Technik willen überall lebhaften Beifall gefunden. In Leipzig wurde Schild¬
knecht speziell mit der Lehrstelle für den Antikensaal betraut.

Seit der Berufung dieser drei Lehrkräfte ist nun die Kunstakademie mit
ihren Fortschritten nicht wieder an die Öffentlichkeit getreten, wenigstens in
Leipzig nicht. Die Schule hat bisher unter Nieper's Direktion dreimal Aus¬
stellungen veranstaltet: im Februar 1872, zu Ostern 1873 und 1874. Schon
damals zeigte sich in erfreulicher Weise der frische Geist, der in die Anstalt
eingezogen war. Im Sommer 1874 und 1875 waren eine Anzahl Leipziger
Schülerarbeiten auf der akademischen Ausstellung in Dresden, und beidemale hatte
die Schule die Freude, eine Anzahl ihrer Schüler mit Auszeichnungen bedacht
zu sehen. Im Sommer 1876 beschickte sie die zur Jubelfeier des Münchener
Kuustgewerbevereins veranstaltete große Kunstgewerbeausstellung in München,
und hier wurde ihr sogar die Auszeichnung eines zweiten Preises zu Theil.
Seitdem ist die Schülerzahl auf 201 gestiegen, und die Schule hat still und
emsig weiter gearbeitet, ohne von ihren Fortschritten öffentlich Zeugniß abzu¬
legen. So ist es denn natürlich, daß die Proben ihrer Leistungsfähigkeit, die
sie gegenwärtig in der Vorführung einer Auswahl von Schülerarbeiten aus
den letzten drei bis vier Jahren bietet, von allen Urtheilsfähigen mit besonders
kritischen Blicken betrachtet werden. Aber alle Erwartungen, die man billiger
Weise von dieser Ausstellung hegen durfte, sind reichlich erfüllt, in mancher
Beziehung sogar übertroffen worden.

An die Arbeiten der Kopirklasse, für welche auch diesmal erfreulicherweise
meist Photographieen nach Handzeichnungen alter Meister, vor allem Dürer's
und Holbein's, zu Grunde gelegt worden sind, und welche wiederum von treff¬
licher Schulung Zeugniß ablegen, reihen sich zum ersten Male eine Anzahl,
unter zur Straßen's Anleitung angefertigter, sehr anerkennenswerther plastischer
Werke in Gyps, Thon, Wachs und Holz, theils nach Vorlagen, theils nach der
Natur gearbeitet. An diese schließt sich, gleichfalls zum ersten Male, eine reiche
Kollektion von farbigen Ornamentstudien — unter Scheffers'Leitung ausgeführt —,
an denen nicht nur die methodische Entwickelung des Ornamentes aus den
elementarsten Motiven heraus zu den mannichfaltigsten freien Kompositionen
in Streifen, Bordüren, Flachmustern und abgepaßten Mustern, sondern auch die
Gesetze der Stilisirung naturalistischer Motive und die Gesetze der Schatti-
rung, Mischung und Gegenüberstellung der Farben sich in instruktivster Weise
verfolgen lassen. Einen sehr günstigen Eindruck gewühreu die unter Schild-
knecht's Leitung ausgeführten Zeichnungen nach Gyps. Wir bekennen offen,
daß wir eine so musterhafte Akkuratesse der Arbeit, insbesondere eine so vollendete


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/341>, abgerufen am 27.09.2024.