Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.wieder anzustacheln. Die ekstatische Verzückung der christlichen Märtyrerinnen, Die Malerei des zweiten Kaiserreichs hatte dieses dankbare Gebiet schon Das erste Bild dieser Art, mit welchem Gabriel Max an die Oeffentlich- wieder anzustacheln. Die ekstatische Verzückung der christlichen Märtyrerinnen, Die Malerei des zweiten Kaiserreichs hatte dieses dankbare Gebiet schon Das erste Bild dieser Art, mit welchem Gabriel Max an die Oeffentlich- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0025" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141980"/> <p xml:id="ID_58" prev="#ID_57"> wieder anzustacheln. Die ekstatische Verzückung der christlichen Märtyrerinnen,<lb/> die unter den Fäusten roher Henkersknechte ihr Leben ausgehaucht haben oder<lb/> kurz vor dem Tode stehen, war ihm ein willkommenes Thema, das er zu¬<lb/> nächst gründlich ausbeutete.</p><lb/> <p xml:id="ID_59"> Die Malerei des zweiten Kaiserreichs hatte dieses dankbare Gebiet schon<lb/> eher entdeckt und ihre Orgien in Grausamkeit, Wollust und Sentimentalität ge¬<lb/> feiert, und es ist gar nicht unwahrscheinlich, daß Gabriel Max auch nach dieser<lb/> Richtung hin Impulse von Frankreich empfangen hat. Das berühmte Bild<lb/> von Delaroche, die auf der Tiber schwimmende Leiche einer jungen Mär¬<lb/> tyrerin aus Diokletian's Zeiten, 1855 gemalt, ist ja durch den Kupferstich, die<lb/> Lithographie und die Photographie in alle Welt verbreitet worden. Aber<lb/> während auf diesem Bilde trotz seiner ganz modernen Sentimentalität immer<lb/> noch ein Hauch religiösen Gefühls und religiöser Andacht ruht, darf man auf<lb/> den Märtyrerbildern von Gabriel Max solche Züge nicht suchen. Seine<lb/> Märtyrerinnen sind „interessante Geschöpfe" schlechtweg. Ihr blasser Teint, ihr<lb/> wirres, schwarzes Haar, ihre schwärmerischen Augen, ihre feinen Glieder, ihr<lb/> schmächtiger Körper, alles ist so rührend und appellirt so eindringlich an unser<lb/> Mitgefühl, daß wir gar nicht mehr nach der Lebens- und Leidensgeschichte die¬<lb/> ser Aermsten zu fragen brauchen.</p><lb/> <p xml:id="ID_60" next="#ID_61"> Das erste Bild dieser Art, mit welchem Gabriel Max an die Oeffentlich-<lb/> keit trat, war eine Märtyrerin am Kreuz. Daß es auch auf dem Pariser<lb/> „Salon" Anerkennung fand, ist bei der ausgeprägten Vorliebe der französischen<lb/> Historienmaler für Greuelszencn jeglicher Art, bei dem abscheulichen Hange zur<lb/> Leichenmalerei, der neuerdings ganz entsetzliche Dimensionen angenommen hat,<lb/> nicht zu verwundern. Max wurde dadurch ermuthigt, auf diesem Pfade fortzu¬<lb/> schreiten, und brachte nach der Gekreuzigten eine „erwürgte heilige Ludmilla"<lb/> zum Vorschein. Sein gedämpftes Kolorit, das überwiegend mit gebrochenen<lb/> Farben, mit hellgelb, grau, lila und rosa operirt, seine in den Umrissen ver¬<lb/> schwommene Zeichnung harmonirten vortrefflich mit seinen thränenvollen sujets.<lb/> Die „gekreuzigte Märtyrerin" erhielt noch dadurch eine pikante Würze, daß ihr<lb/> der Maler einen römischen Jüngling gegenüberstellte, der eben, bekränzt und<lb/> des Bacchus voll, von einem Gelage heimkehrt, von dem Anblick erschüttert<lb/> aber plötzlich stehen bleibt und die Rosen von seinem Haupte der Sterbenden<lb/> zu Füßen legt. Der Gedanke ist nicht mehr neu. Er ist oft genug poetisch<lb/> verwerthet worden; aber er wird niemals auf empfindsame Gemüther seine<lb/> Wirkung verfehlen. Auf einem späteren Bilde (1874) hat der Künstler diesen<lb/> Pikanten Kontrast noch einmal in einer andern Weise verwerthet. Dort wird<lb/> die Rose von unbekannter Hand einer jungen, zum Tode verurtheilten Christin<lb/> in dem Augenblicke zugeworfen, wo sie in die Arena unter die wilden Bestien,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0025]
wieder anzustacheln. Die ekstatische Verzückung der christlichen Märtyrerinnen,
die unter den Fäusten roher Henkersknechte ihr Leben ausgehaucht haben oder
kurz vor dem Tode stehen, war ihm ein willkommenes Thema, das er zu¬
nächst gründlich ausbeutete.
Die Malerei des zweiten Kaiserreichs hatte dieses dankbare Gebiet schon
eher entdeckt und ihre Orgien in Grausamkeit, Wollust und Sentimentalität ge¬
feiert, und es ist gar nicht unwahrscheinlich, daß Gabriel Max auch nach dieser
Richtung hin Impulse von Frankreich empfangen hat. Das berühmte Bild
von Delaroche, die auf der Tiber schwimmende Leiche einer jungen Mär¬
tyrerin aus Diokletian's Zeiten, 1855 gemalt, ist ja durch den Kupferstich, die
Lithographie und die Photographie in alle Welt verbreitet worden. Aber
während auf diesem Bilde trotz seiner ganz modernen Sentimentalität immer
noch ein Hauch religiösen Gefühls und religiöser Andacht ruht, darf man auf
den Märtyrerbildern von Gabriel Max solche Züge nicht suchen. Seine
Märtyrerinnen sind „interessante Geschöpfe" schlechtweg. Ihr blasser Teint, ihr
wirres, schwarzes Haar, ihre schwärmerischen Augen, ihre feinen Glieder, ihr
schmächtiger Körper, alles ist so rührend und appellirt so eindringlich an unser
Mitgefühl, daß wir gar nicht mehr nach der Lebens- und Leidensgeschichte die¬
ser Aermsten zu fragen brauchen.
Das erste Bild dieser Art, mit welchem Gabriel Max an die Oeffentlich-
keit trat, war eine Märtyrerin am Kreuz. Daß es auch auf dem Pariser
„Salon" Anerkennung fand, ist bei der ausgeprägten Vorliebe der französischen
Historienmaler für Greuelszencn jeglicher Art, bei dem abscheulichen Hange zur
Leichenmalerei, der neuerdings ganz entsetzliche Dimensionen angenommen hat,
nicht zu verwundern. Max wurde dadurch ermuthigt, auf diesem Pfade fortzu¬
schreiten, und brachte nach der Gekreuzigten eine „erwürgte heilige Ludmilla"
zum Vorschein. Sein gedämpftes Kolorit, das überwiegend mit gebrochenen
Farben, mit hellgelb, grau, lila und rosa operirt, seine in den Umrissen ver¬
schwommene Zeichnung harmonirten vortrefflich mit seinen thränenvollen sujets.
Die „gekreuzigte Märtyrerin" erhielt noch dadurch eine pikante Würze, daß ihr
der Maler einen römischen Jüngling gegenüberstellte, der eben, bekränzt und
des Bacchus voll, von einem Gelage heimkehrt, von dem Anblick erschüttert
aber plötzlich stehen bleibt und die Rosen von seinem Haupte der Sterbenden
zu Füßen legt. Der Gedanke ist nicht mehr neu. Er ist oft genug poetisch
verwerthet worden; aber er wird niemals auf empfindsame Gemüther seine
Wirkung verfehlen. Auf einem späteren Bilde (1874) hat der Künstler diesen
Pikanten Kontrast noch einmal in einer andern Weise verwerthet. Dort wird
die Rose von unbekannter Hand einer jungen, zum Tode verurtheilten Christin
in dem Augenblicke zugeworfen, wo sie in die Arena unter die wilden Bestien,
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