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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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dann vor dem blendenden Glänze der Thaten seines großen Sohnes übersehen
wurde, so daß sich nur die Erinnerung an das sparsame, barsche, jähzornige
Wesen des Svldatenkönigs erhielt. Erst als die Archive zugänglicher wurden,
begann durch Ranke's, Droysen's und Schmoller's Arbeiten allmählich eine
andere Auffassung der RegierungstlMgkeit dieses Fürsten Platz zu greifen,
und jetzt sind nur noch die einzelnen Partieen seines Bildes weiter auszuführen,
wenn er als das erkannt werden soll, was er wirklich war: Der König,
dem Preußen für die Förderung seiner inneren Angelegenheiten
das Meiste verdankt. Diese Arbeit beginnt Stadelmann"), indem er uns
nach Akten des Staatsarchivs und unter Beifügung der wesentlichsten Doku¬
mente erzählt, was Friedrich Wilhelm für die Hebung der Landwirthschaft und
Kolonisation seiner Staaten gethan hat. Auf etwa 200 Seiten wird von den
Maßregeln berichtet, die unter der Regierung in Bezug auf die innere Ver¬
waltung im Allgemeinen, auf Gründung neuer Dörfer und Banernstellen, auf
Laudesmelioration, gutsherrlich-bäuerliche Verhältnisse, Pachtwesen und Be-
wirthschaftung der Domänen, landwirtschaftlichen Unterricht, Pferdezucht, Ab¬
wehr von Viehseuchen und kulturschädlichen Thieren, Gartenbau und Baumzucht
und Aehnliches ergingen. Deu Rest des Buches nehmen 90 Urkunden ein, die
großentheils sehr charakteristisch find.

Das Bild, das wir aus Stadelmann's Darstellung und ihren urkundlichen
Belegen gewinnen, ist in Kürze folgendes. Der Große Kurfürst hatte sich
nach Kräften bemüht, die Schäden, welche der dreißigjährige Krieg in Preußen
zurückgelassen, zu beseitigen, der eingetretenen Verarmung zu steuern und dem
Menschenmangel in weiten Strecken durch Aufnahme und Ansiedelung von
Einwanderern abzuhelfen. Dennoch blieb in dieser Beziehung für seine Nach¬
folger noch sehr viel zu thun übrig. Unter dem ersten derselben geschah ver¬
hältnißmäßig wenig, desto mehr aber unter dem zweiten, der sich fast nach
allen Richtungen hin als eine im eminenten Sinne reformatorische Natur er¬
wies. Der Verwaltuugsorganismus, den er vorfand, war mangelhaft, der
Beamtenstand vielfach korrumvirt, das Finanzwesen zerrüttet. Fast mit allen
überlieferten Zuständen der inneren Verwaltung fand sich der König in seinem
Bemühen um die Aufrichtung des Landes im Gegensatz. Sein wuchtiger Wille
mußte erst zerstören, um neue Ordnungen zu schaffen. So in der Armee, in
der Verwaltung, dem Steuerwesen, der Rechtspflege und dem Volksunterricht,
den der König durch Einführung des Schulzwanges wesentlich förderte. Nach-



Publikationen aus den k. preußischen Staatsarchiven. Zweiter Band.
Friedrich Wilhelm I. in seiner Thätigkeit für die Landeskultur Preuß-en's.
Von Rudolph Stadelmann. Leipzig, Hirzel, 1878.

dann vor dem blendenden Glänze der Thaten seines großen Sohnes übersehen
wurde, so daß sich nur die Erinnerung an das sparsame, barsche, jähzornige
Wesen des Svldatenkönigs erhielt. Erst als die Archive zugänglicher wurden,
begann durch Ranke's, Droysen's und Schmoller's Arbeiten allmählich eine
andere Auffassung der RegierungstlMgkeit dieses Fürsten Platz zu greifen,
und jetzt sind nur noch die einzelnen Partieen seines Bildes weiter auszuführen,
wenn er als das erkannt werden soll, was er wirklich war: Der König,
dem Preußen für die Förderung seiner inneren Angelegenheiten
das Meiste verdankt. Diese Arbeit beginnt Stadelmann"), indem er uns
nach Akten des Staatsarchivs und unter Beifügung der wesentlichsten Doku¬
mente erzählt, was Friedrich Wilhelm für die Hebung der Landwirthschaft und
Kolonisation seiner Staaten gethan hat. Auf etwa 200 Seiten wird von den
Maßregeln berichtet, die unter der Regierung in Bezug auf die innere Ver¬
waltung im Allgemeinen, auf Gründung neuer Dörfer und Banernstellen, auf
Laudesmelioration, gutsherrlich-bäuerliche Verhältnisse, Pachtwesen und Be-
wirthschaftung der Domänen, landwirtschaftlichen Unterricht, Pferdezucht, Ab¬
wehr von Viehseuchen und kulturschädlichen Thieren, Gartenbau und Baumzucht
und Aehnliches ergingen. Deu Rest des Buches nehmen 90 Urkunden ein, die
großentheils sehr charakteristisch find.

Das Bild, das wir aus Stadelmann's Darstellung und ihren urkundlichen
Belegen gewinnen, ist in Kürze folgendes. Der Große Kurfürst hatte sich
nach Kräften bemüht, die Schäden, welche der dreißigjährige Krieg in Preußen
zurückgelassen, zu beseitigen, der eingetretenen Verarmung zu steuern und dem
Menschenmangel in weiten Strecken durch Aufnahme und Ansiedelung von
Einwanderern abzuhelfen. Dennoch blieb in dieser Beziehung für seine Nach¬
folger noch sehr viel zu thun übrig. Unter dem ersten derselben geschah ver¬
hältnißmäßig wenig, desto mehr aber unter dem zweiten, der sich fast nach
allen Richtungen hin als eine im eminenten Sinne reformatorische Natur er¬
wies. Der Verwaltuugsorganismus, den er vorfand, war mangelhaft, der
Beamtenstand vielfach korrumvirt, das Finanzwesen zerrüttet. Fast mit allen
überlieferten Zuständen der inneren Verwaltung fand sich der König in seinem
Bemühen um die Aufrichtung des Landes im Gegensatz. Sein wuchtiger Wille
mußte erst zerstören, um neue Ordnungen zu schaffen. So in der Armee, in
der Verwaltung, dem Steuerwesen, der Rechtspflege und dem Volksunterricht,
den der König durch Einführung des Schulzwanges wesentlich förderte. Nach-



Publikationen aus den k. preußischen Staatsarchiven. Zweiter Band.
Friedrich Wilhelm I. in seiner Thätigkeit für die Landeskultur Preuß-en's.
Von Rudolph Stadelmann. Leipzig, Hirzel, 1878.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/18>, abgerufen am 27.09.2024.