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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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ist ihm die Allgel, in der sich die neuere Geschichte Deutschland's dreht; auch
da, wo er tadelt, bitter und scharf tadelt, ist sein Herz bei Preußen, dem Hort
und Schirm, dem Bürgen für die Zukunft unseres Volkes. Und dem entspre¬
chend liegt denn auch diesem ganzen ersten Buche die Tendenz zu Grunde, als
die beiden Kräfte, welche aus dem tiefen Verfall der mittelalterlichen Institu¬
tionen, aus der Verfassungslosigkeit seit dem westphälischen Frieden unser Volk
wieder zur Lebensfähigkeit emporgezogen haben und welche darum auch für
Gegenwart und Zukunft die ersten Bedingungen seines Lebens sind, nachzu-
weisen: die Glaubensfreiheit und den preußischen Staat. Dies ist die Lehre,
die er dem gegenwärtigen Geschlechte predigt. Was er bei Gelegenheit des
Wiener Kongresses bemerkt: "Unter den politischen Sünden, welche dieser un¬
glücklichen Nation (der preußischen) die Bahn zur Macht und Freiheit ver¬
sperrten, ward keine so verderblich wie die allgemeine, in einem gebildeten
Volke fast wunderbare Unkenntniß des eigentlichen Inhaltes der neueren vater¬
ländischen Geschichte. Von allen den gewaltigen Umgestaltungen, welche die
Entstehung des preußischen Volksheeres und damit die Befreiung Deutschland's
erst ermöglicht hatten, wußte man in den Kleinstaaten schlechterdings nichts" --
haben diese Worte nicht auch noch für die Gegenwart zum guten Theil ihre
Geltung? Neben der schweren politischen Arbeit aber, die der preußische Staat
an dem deutschen Volke verrichtet hat, geht die große aus dem ureigenen
Schooße desselben entsprossene, mit dem Wiedererwachen unserer Literatur be¬
ginnende Geistesarbeit einher, bis endlich "das alte harte, kriegerische Preu-
ßenthum und die Gedankenfülle der modernen deutschen Bildung sich zusam¬
menfinden, um nicht wieder von einander zu lassen". Durch das Zusammen¬
treffen der denkbar ungünstigsten Umstände haben die wohlerworbenen An¬
sprüche Preußen's bei der Neuordnung von 1814 und 1815 keine Beachtung,
geschweige Anerkennung gefunden; aber die nie versagende geschichtliche Gerech¬
tigkeit behält sich ihr Endurtheil für eine künftige Stunde vor. "Mochten die
Kleinstaaten noch eine Weile ihre französischen und englischen Institutionen
behalten, da sie doch vor der Hand weder die Kraft noch den Willen besaßen,
die Geschenke der Fremden aufzugeben. Unterdessen wuchs und reifte in
Preußen Scharnhorst's Werk, die deutsche Kriegsverfassung, und einmal doch
mußte die Zeit kommen, da das ausländische Wesen in den kleinen Staaten
sich überlebte. Dann konnte das preußische Volksheer sich zum deutschen Heere
erweitern. Bei Großgörschen stand seine Wiege, wer mochte wagen, ihm die
stolzen Siegesbahnen seiner Zukunft vorherzubestimmen? Boyen trug in seiner
verschlossenen Seele die sichere Ahnung, daß dies nationale Heer dereinst noch
reichere Kränze um seine Fahnen winden würde als weiland die Soldaten
Friedrich's."


ist ihm die Allgel, in der sich die neuere Geschichte Deutschland's dreht; auch
da, wo er tadelt, bitter und scharf tadelt, ist sein Herz bei Preußen, dem Hort
und Schirm, dem Bürgen für die Zukunft unseres Volkes. Und dem entspre¬
chend liegt denn auch diesem ganzen ersten Buche die Tendenz zu Grunde, als
die beiden Kräfte, welche aus dem tiefen Verfall der mittelalterlichen Institu¬
tionen, aus der Verfassungslosigkeit seit dem westphälischen Frieden unser Volk
wieder zur Lebensfähigkeit emporgezogen haben und welche darum auch für
Gegenwart und Zukunft die ersten Bedingungen seines Lebens sind, nachzu-
weisen: die Glaubensfreiheit und den preußischen Staat. Dies ist die Lehre,
die er dem gegenwärtigen Geschlechte predigt. Was er bei Gelegenheit des
Wiener Kongresses bemerkt: „Unter den politischen Sünden, welche dieser un¬
glücklichen Nation (der preußischen) die Bahn zur Macht und Freiheit ver¬
sperrten, ward keine so verderblich wie die allgemeine, in einem gebildeten
Volke fast wunderbare Unkenntniß des eigentlichen Inhaltes der neueren vater¬
ländischen Geschichte. Von allen den gewaltigen Umgestaltungen, welche die
Entstehung des preußischen Volksheeres und damit die Befreiung Deutschland's
erst ermöglicht hatten, wußte man in den Kleinstaaten schlechterdings nichts" —
haben diese Worte nicht auch noch für die Gegenwart zum guten Theil ihre
Geltung? Neben der schweren politischen Arbeit aber, die der preußische Staat
an dem deutschen Volke verrichtet hat, geht die große aus dem ureigenen
Schooße desselben entsprossene, mit dem Wiedererwachen unserer Literatur be¬
ginnende Geistesarbeit einher, bis endlich „das alte harte, kriegerische Preu-
ßenthum und die Gedankenfülle der modernen deutschen Bildung sich zusam¬
menfinden, um nicht wieder von einander zu lassen". Durch das Zusammen¬
treffen der denkbar ungünstigsten Umstände haben die wohlerworbenen An¬
sprüche Preußen's bei der Neuordnung von 1814 und 1815 keine Beachtung,
geschweige Anerkennung gefunden; aber die nie versagende geschichtliche Gerech¬
tigkeit behält sich ihr Endurtheil für eine künftige Stunde vor. „Mochten die
Kleinstaaten noch eine Weile ihre französischen und englischen Institutionen
behalten, da sie doch vor der Hand weder die Kraft noch den Willen besaßen,
die Geschenke der Fremden aufzugeben. Unterdessen wuchs und reifte in
Preußen Scharnhorst's Werk, die deutsche Kriegsverfassung, und einmal doch
mußte die Zeit kommen, da das ausländische Wesen in den kleinen Staaten
sich überlebte. Dann konnte das preußische Volksheer sich zum deutschen Heere
erweitern. Bei Großgörschen stand seine Wiege, wer mochte wagen, ihm die
stolzen Siegesbahnen seiner Zukunft vorherzubestimmen? Boyen trug in seiner
verschlossenen Seele die sichere Ahnung, daß dies nationale Heer dereinst noch
reichere Kränze um seine Fahnen winden würde als weiland die Soldaten
Friedrich's."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/16>, abgerufen am 28.12.2024.