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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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im vorliegenden Falle alle Vorurtheile bei Seite gelegt. Johann war nämlich
Klephte seines Zeichens, ein echter Sohn des Hochgebirges. Muskulös und
von starkem Körperbau, hatte er durch seine frühere Beschäftigung zugleich
jene Geschmeidigkeit und Elastizität der Glieder erlangt, wie sie nur dem Ge¬
birgsbewohner eigen ist. Einen komischen Eindruck machte es trotzdem, zu
sehen, wie der Sohn der Wildniß mit einer Sorgfalt und Zartheit, die er
seinem früheren Berufe schwerlich zu verdanken hatte, das Instrument bald
durch das lose Geröll hindurch, bald über Klippen und Felsen hinweg trug,
so daß bei allen diesen halsbrechenden Expeditionen nicht der geringste Unfall
vorkam. "Fürchte Nichts, Herr, Johann kennt jeden Stein", Pflegte er zu
antworten, wenn ihm bei schwierigen Stellen besondere Vorsicht anempfohlen
wurde.

Noch andere Schwierigkeiten bot die Aufstellung des Instrumentes auf
der Station. Unter normalen Verhältnissen würde man zu diesem Zwecke
gemauerte Pfeiler statt der aus losem Gesteine aufgeführten Pyramiden er¬
richtet haben, die dann zugleich als Basis des Instrumentes gedient hätten.
Bei der Kürze der Zeit war dies unmöglich. Es wurde daher ein hölzerner
Dreifuß zur Aufnahme des Instrumentes genau über dem Zentrum der Station
aufgestellt, nachdem vorher die Pyramide abgebrochen war, um uach Beendigung
der Arbeit wieder errichtet zu werden. Die Schwierigkeit hinsichtlich der Auf¬
stellung bestand nun darin, in dem losen Geröll, welches oft mehrere Fuß tief
in den Boden hinein reicht, überhaupt eiuen festen Stand zu gewinnen. Viel¬
fach blieb thatsächlich nichts anderes übrig, aM außerhalb des Zentrums von
geeigneteren Punkten aus die Beobachtungen zu machen, um sie nachher durch
Rechnung auf dasselbe zu reduziren.

Weitere Abnormitäten entstanden durch die Beleuchtung, deren Jntensivität
ohnehin nur mit farbigen Gläsern zu beobachten gestattete. Mitunter nämlich war
das eine oder andere Signal auf unerklärliche Weise verschwunden, nachdem es
kurz vorher noch sichtbar gewesen war, so daß anfangs der Verdacht böswilliger
Zerstörung nahe lag. Doch war derselbe unbegründet, nach Verlauf einiger
Zeit trat das Objekt wieder hell hervor. Diese auffallende Erscheinung erklärt
sich einfach durch den wechselnden Stand der Sonne. Die Pyramiden waren,
wie bemerkt, durchgehends weiß gestrichen. Wird ein solches Objekt von vorn
beleuchtet, so erscheint es hell, dagegen dunkel bei entgegengesetzter Beleuchtung.
Es wird also, während die Stellung der Sonne sich ändert, ein Moment ein¬
treten, wo die vordere Seite dieselbe Lichtmenge empfängt, wie der Hintergrund
oder Horizont, auf welchem das Objekt erscheint. Dann müssen natürlich seine
Umrisse vollkommen verschwinden, und sie treten erst dann wieder hervor, wenn
die Sonne ihre Stellung geändert hat.


im vorliegenden Falle alle Vorurtheile bei Seite gelegt. Johann war nämlich
Klephte seines Zeichens, ein echter Sohn des Hochgebirges. Muskulös und
von starkem Körperbau, hatte er durch seine frühere Beschäftigung zugleich
jene Geschmeidigkeit und Elastizität der Glieder erlangt, wie sie nur dem Ge¬
birgsbewohner eigen ist. Einen komischen Eindruck machte es trotzdem, zu
sehen, wie der Sohn der Wildniß mit einer Sorgfalt und Zartheit, die er
seinem früheren Berufe schwerlich zu verdanken hatte, das Instrument bald
durch das lose Geröll hindurch, bald über Klippen und Felsen hinweg trug,
so daß bei allen diesen halsbrechenden Expeditionen nicht der geringste Unfall
vorkam. „Fürchte Nichts, Herr, Johann kennt jeden Stein", Pflegte er zu
antworten, wenn ihm bei schwierigen Stellen besondere Vorsicht anempfohlen
wurde.

Noch andere Schwierigkeiten bot die Aufstellung des Instrumentes auf
der Station. Unter normalen Verhältnissen würde man zu diesem Zwecke
gemauerte Pfeiler statt der aus losem Gesteine aufgeführten Pyramiden er¬
richtet haben, die dann zugleich als Basis des Instrumentes gedient hätten.
Bei der Kürze der Zeit war dies unmöglich. Es wurde daher ein hölzerner
Dreifuß zur Aufnahme des Instrumentes genau über dem Zentrum der Station
aufgestellt, nachdem vorher die Pyramide abgebrochen war, um uach Beendigung
der Arbeit wieder errichtet zu werden. Die Schwierigkeit hinsichtlich der Auf¬
stellung bestand nun darin, in dem losen Geröll, welches oft mehrere Fuß tief
in den Boden hinein reicht, überhaupt eiuen festen Stand zu gewinnen. Viel¬
fach blieb thatsächlich nichts anderes übrig, aM außerhalb des Zentrums von
geeigneteren Punkten aus die Beobachtungen zu machen, um sie nachher durch
Rechnung auf dasselbe zu reduziren.

Weitere Abnormitäten entstanden durch die Beleuchtung, deren Jntensivität
ohnehin nur mit farbigen Gläsern zu beobachten gestattete. Mitunter nämlich war
das eine oder andere Signal auf unerklärliche Weise verschwunden, nachdem es
kurz vorher noch sichtbar gewesen war, so daß anfangs der Verdacht böswilliger
Zerstörung nahe lag. Doch war derselbe unbegründet, nach Verlauf einiger
Zeit trat das Objekt wieder hell hervor. Diese auffallende Erscheinung erklärt
sich einfach durch den wechselnden Stand der Sonne. Die Pyramiden waren,
wie bemerkt, durchgehends weiß gestrichen. Wird ein solches Objekt von vorn
beleuchtet, so erscheint es hell, dagegen dunkel bei entgegengesetzter Beleuchtung.
Es wird also, während die Stellung der Sonne sich ändert, ein Moment ein¬
treten, wo die vordere Seite dieselbe Lichtmenge empfängt, wie der Hintergrund
oder Horizont, auf welchem das Objekt erscheint. Dann müssen natürlich seine
Umrisse vollkommen verschwinden, und sie treten erst dann wieder hervor, wenn
die Sonne ihre Stellung geändert hat.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/140>, abgerufen am 29.12.2024.