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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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Jede Messung eines größeren Landestheiles beginnt bekanntlich mit den
sogenannten Triangnlations-Arbeiten. Eine Anzahl von Terrain-Punkten, deren
Abstände man durch Beobachtung und Berechnung bestimmt, werden zu einem
Dreiecksnetz verbunden, welches wie mit Maschen das ganze Land überzieht,
um so für die Detailausnahme die nöthigen Anhaltepunkte zu liefern. Zur
Bestimmung solcher Punkte, sowie um den allgemeinen Charakter des Terrains
richtig beurtheilen zu können, werden zunächst eine Reihe von Rekognoszirnngen
systematisch nach allen Richtungen hin vorgenommen. Dazu kam im vor¬
liegenden Falle noch der spezielle Zweck, alle irgendwie im Terrain vorhandenen
archäologisch wichtigen Objekte ihrer Art und Lage nach zu untersuchen und
zu verzeichnen.

Derartige Rekognoszirnngen sind mehr oder weniger mit Schwierigkeiten
verbunden. Das felsige, mit Geröll dicht übersäte Terrain gestattet keine anderen
Transportmittel als Esel oder deren Abarten. Das ununterbrochene Geschrei
der Treiber, welche, um die Kolonne in Gang zu halten, auf der ganzen Tour
zu Fuß nebenherlaufen, trägt nicht eben dazu bei, die Annehmlichkeiten der
Situation zu erhöhen, die an sich schon -- man sitzt auf hartem hölzernen
Sattel -- nicht sonderlich behaglich ist. Im Gebirge versagen übrigens auch
diese Transportmittel, und es helfen nur die eigenen Füße vorwärts. Dann
sind die Schnabelschuhe der Gebirgsbewohner zu empfehlen, welche, aus einem
Stück weichen Leders gearbeitet, sich in dem scharfkantigen Gestein von größerer
Haltbarkeit erweisen, als europäisches Schuhwerk, und zugleich größere Sicher¬
heit des Ganges und Leichtigkeit des Springens ermöglichen. In letzterem
seine Fertigkeit zu erproben hat man reichliche Veranlassung.

Wie schon die nächste Umgebung der Stadt durch einen gewissen Formen¬
reichthum gekennzeichnet ist, so setzt sich derselbe Charakter über das ganze
Terrain hin fort. Die bereits erwähnte Kette der Turko-vuni theilt die Landschaft
in zwei, ihrer Natur nach durchaus verschiedene Abschnitte. Diese Verschieden¬
heit ist wesentlich durch die angrenzenden Gebirge bedingt. Schroffe Fels-
partieen, Abgründe, Schluchten oder Riffe, die natürlichen Betten ehemaliger
Gebirgswässer, weit ausgedehnte Strecken von Felsstücken, die wie eine Mauer
die Berggipfel umlagern, dazu der gänzliche Mangel organischen Lebens, dies alles
gibt dem griechischen Hochgebirge schon einen Anflug von Wildheit. Besonders
tritt dies im Parnes hervor, wo zwei vollständig isolirte Riesenblöcke am Sttd-
abhange des Gebirges von ihren Höhen weit hinaus in die Landschaft schauen.
Wasserbäche, Gebirgsquellen, überhaupt alles, was sonst eine Gebirgslandschaft
zu beleben Pflegt, fehlt fast vollständig. Nur die Abhänge des Brilessos, deren
Schooße der nie versiegende Quell des Kephissos entspringt, bilden eine Aus¬
nahme. Aber die steilen Abhänge bergen nicht unbedeutende Schätze. Noch


Jede Messung eines größeren Landestheiles beginnt bekanntlich mit den
sogenannten Triangnlations-Arbeiten. Eine Anzahl von Terrain-Punkten, deren
Abstände man durch Beobachtung und Berechnung bestimmt, werden zu einem
Dreiecksnetz verbunden, welches wie mit Maschen das ganze Land überzieht,
um so für die Detailausnahme die nöthigen Anhaltepunkte zu liefern. Zur
Bestimmung solcher Punkte, sowie um den allgemeinen Charakter des Terrains
richtig beurtheilen zu können, werden zunächst eine Reihe von Rekognoszirnngen
systematisch nach allen Richtungen hin vorgenommen. Dazu kam im vor¬
liegenden Falle noch der spezielle Zweck, alle irgendwie im Terrain vorhandenen
archäologisch wichtigen Objekte ihrer Art und Lage nach zu untersuchen und
zu verzeichnen.

Derartige Rekognoszirnngen sind mehr oder weniger mit Schwierigkeiten
verbunden. Das felsige, mit Geröll dicht übersäte Terrain gestattet keine anderen
Transportmittel als Esel oder deren Abarten. Das ununterbrochene Geschrei
der Treiber, welche, um die Kolonne in Gang zu halten, auf der ganzen Tour
zu Fuß nebenherlaufen, trägt nicht eben dazu bei, die Annehmlichkeiten der
Situation zu erhöhen, die an sich schon — man sitzt auf hartem hölzernen
Sattel — nicht sonderlich behaglich ist. Im Gebirge versagen übrigens auch
diese Transportmittel, und es helfen nur die eigenen Füße vorwärts. Dann
sind die Schnabelschuhe der Gebirgsbewohner zu empfehlen, welche, aus einem
Stück weichen Leders gearbeitet, sich in dem scharfkantigen Gestein von größerer
Haltbarkeit erweisen, als europäisches Schuhwerk, und zugleich größere Sicher¬
heit des Ganges und Leichtigkeit des Springens ermöglichen. In letzterem
seine Fertigkeit zu erproben hat man reichliche Veranlassung.

Wie schon die nächste Umgebung der Stadt durch einen gewissen Formen¬
reichthum gekennzeichnet ist, so setzt sich derselbe Charakter über das ganze
Terrain hin fort. Die bereits erwähnte Kette der Turko-vuni theilt die Landschaft
in zwei, ihrer Natur nach durchaus verschiedene Abschnitte. Diese Verschieden¬
heit ist wesentlich durch die angrenzenden Gebirge bedingt. Schroffe Fels-
partieen, Abgründe, Schluchten oder Riffe, die natürlichen Betten ehemaliger
Gebirgswässer, weit ausgedehnte Strecken von Felsstücken, die wie eine Mauer
die Berggipfel umlagern, dazu der gänzliche Mangel organischen Lebens, dies alles
gibt dem griechischen Hochgebirge schon einen Anflug von Wildheit. Besonders
tritt dies im Parnes hervor, wo zwei vollständig isolirte Riesenblöcke am Sttd-
abhange des Gebirges von ihren Höhen weit hinaus in die Landschaft schauen.
Wasserbäche, Gebirgsquellen, überhaupt alles, was sonst eine Gebirgslandschaft
zu beleben Pflegt, fehlt fast vollständig. Nur die Abhänge des Brilessos, deren
Schooße der nie versiegende Quell des Kephissos entspringt, bilden eine Aus¬
nahme. Aber die steilen Abhänge bergen nicht unbedeutende Schätze. Noch


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[0134] Jede Messung eines größeren Landestheiles beginnt bekanntlich mit den sogenannten Triangnlations-Arbeiten. Eine Anzahl von Terrain-Punkten, deren Abstände man durch Beobachtung und Berechnung bestimmt, werden zu einem Dreiecksnetz verbunden, welches wie mit Maschen das ganze Land überzieht, um so für die Detailausnahme die nöthigen Anhaltepunkte zu liefern. Zur Bestimmung solcher Punkte, sowie um den allgemeinen Charakter des Terrains richtig beurtheilen zu können, werden zunächst eine Reihe von Rekognoszirnngen systematisch nach allen Richtungen hin vorgenommen. Dazu kam im vor¬ liegenden Falle noch der spezielle Zweck, alle irgendwie im Terrain vorhandenen archäologisch wichtigen Objekte ihrer Art und Lage nach zu untersuchen und zu verzeichnen. Derartige Rekognoszirnngen sind mehr oder weniger mit Schwierigkeiten verbunden. Das felsige, mit Geröll dicht übersäte Terrain gestattet keine anderen Transportmittel als Esel oder deren Abarten. Das ununterbrochene Geschrei der Treiber, welche, um die Kolonne in Gang zu halten, auf der ganzen Tour zu Fuß nebenherlaufen, trägt nicht eben dazu bei, die Annehmlichkeiten der Situation zu erhöhen, die an sich schon — man sitzt auf hartem hölzernen Sattel — nicht sonderlich behaglich ist. Im Gebirge versagen übrigens auch diese Transportmittel, und es helfen nur die eigenen Füße vorwärts. Dann sind die Schnabelschuhe der Gebirgsbewohner zu empfehlen, welche, aus einem Stück weichen Leders gearbeitet, sich in dem scharfkantigen Gestein von größerer Haltbarkeit erweisen, als europäisches Schuhwerk, und zugleich größere Sicher¬ heit des Ganges und Leichtigkeit des Springens ermöglichen. In letzterem seine Fertigkeit zu erproben hat man reichliche Veranlassung. Wie schon die nächste Umgebung der Stadt durch einen gewissen Formen¬ reichthum gekennzeichnet ist, so setzt sich derselbe Charakter über das ganze Terrain hin fort. Die bereits erwähnte Kette der Turko-vuni theilt die Landschaft in zwei, ihrer Natur nach durchaus verschiedene Abschnitte. Diese Verschieden¬ heit ist wesentlich durch die angrenzenden Gebirge bedingt. Schroffe Fels- partieen, Abgründe, Schluchten oder Riffe, die natürlichen Betten ehemaliger Gebirgswässer, weit ausgedehnte Strecken von Felsstücken, die wie eine Mauer die Berggipfel umlagern, dazu der gänzliche Mangel organischen Lebens, dies alles gibt dem griechischen Hochgebirge schon einen Anflug von Wildheit. Besonders tritt dies im Parnes hervor, wo zwei vollständig isolirte Riesenblöcke am Sttd- abhange des Gebirges von ihren Höhen weit hinaus in die Landschaft schauen. Wasserbäche, Gebirgsquellen, überhaupt alles, was sonst eine Gebirgslandschaft zu beleben Pflegt, fehlt fast vollständig. Nur die Abhänge des Brilessos, deren Schooße der nie versiegende Quell des Kephissos entspringt, bilden eine Aus¬ nahme. Aber die steilen Abhänge bergen nicht unbedeutende Schätze. Noch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/134>, abgerufen am 28.09.2024.