Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

ist erst 1851 beseitigt worden, Ausschließungen von Mitgliedern auf bestimmte
Zeit aber waren bis 1872 gestattet.

Die sächsische Verfassungsurkunde von 1831 enthält genau dieselbe Be¬
stimmung wie die soeben mit Anführungszeichen mitgetheilte, dann aber noch
Folgendes: "Wenn die gerügte Aeußerung ein besonderes Verbrechen oder eine
persönliche Beleidigung in sich begreift, so kann das fragliche Mitglied der
Kammer, es mag nun dessen Ausschließung erfolgt sein oder nicht, deshalb noch
vor seinem ordentlichen Richter belangt werden. Verlangt es der Ausge¬
schlossene, so ist die Entscheidung, ob derselbe bei einer künftigen Ständever¬
sammlung wieder wählbar sein solle, an den Staatsgerichtshof zu verweisen,
sonst ist derselbe nicht wieder wählbar." Diese Bestimmungen sind erst 1874
außer Kraft gesetzt worden.

In Württemberg besteht ein Staatsgerichtshof, der über Unternehmungen,
welche ans den Umsturz der Verfassung gerichtet sind, und über Verletzung
einzelner Punkte derselben erkennt, und vor dem die Regierung einzelne Mit¬
glieder der Stände anklagen kann. Nach Z 203 des Verfassungsgesetzes er¬
streckt sich "die Strafbefugniß dieses Gerichtshofes nur auf Verweise und
Geldstrafen, auf Suspension oder Entfernung vom Amte und auf zeitliche oder
immerwährende Ausschließung von der Landstandsschaft". Ist aber von ihm
auf die höchste in seiner Kompetenz liegende Strafe erkannt, ohne daß eine
weitere ausdrücklich ausgeschlossen ist, so bleibt den ordentlichen Gerichten
vorbehalten, "gegen den Verurtheilten ein weiteres Verfahren von Amtswegen
eintreten zu lassen".

Am nächsten steht endlich dem zu Anfange erwähnten Gesetzentwurf für
den Reichstag die braunschweigische Geschäftsordnung von 1871 mit fol¬
genden Bestimmungen: "Abgeordnete, welche gegen die Vorschrift der Geschäfts¬
ordnung verstoßen oder in ihren Aeußerungen die Würde des Deutschen Reiches,
der Mitglieder des Bundesrathes, des Reichstages oder befreundeter Regenten
oder Regierungen angreifen, werden vom Präsidenten zur Ordnung gerufen.
Wird die vom Präsidenten gerügte Ordnungswidrigkeit fortgesetzt, oder geht
dieselbe in Widersetzlichkeit gegen die Anordnungen des Präsidenten über, so
kann die Versammlung auf Antrag des Letzteren den Schuldigen sofort ent¬
fernen und nach vorgängiger kommissarischer Begutachtung durch einen in der
nächsten Sitzung zu fassenden Beschluß durch Verweis oder Ausschließung von
den Verhandlungen strafen. Ein gleiches Verfahren tritt auf den gehörig
unterstützten Antrag eines einzelnen Abgeordneten ein, wenn ein Mitglied so
arge Verstöße gegen die Geschäftsordnung begeht oder die Redefreiheit in solcher
Weise mißbraucht, daß die Verweisung zur Ordnung durch den Präsidenten
oder dessen Rüge nicht für ausreichend gehalten wird. Sollte aber der Fall


ist erst 1851 beseitigt worden, Ausschließungen von Mitgliedern auf bestimmte
Zeit aber waren bis 1872 gestattet.

Die sächsische Verfassungsurkunde von 1831 enthält genau dieselbe Be¬
stimmung wie die soeben mit Anführungszeichen mitgetheilte, dann aber noch
Folgendes: „Wenn die gerügte Aeußerung ein besonderes Verbrechen oder eine
persönliche Beleidigung in sich begreift, so kann das fragliche Mitglied der
Kammer, es mag nun dessen Ausschließung erfolgt sein oder nicht, deshalb noch
vor seinem ordentlichen Richter belangt werden. Verlangt es der Ausge¬
schlossene, so ist die Entscheidung, ob derselbe bei einer künftigen Ständever¬
sammlung wieder wählbar sein solle, an den Staatsgerichtshof zu verweisen,
sonst ist derselbe nicht wieder wählbar." Diese Bestimmungen sind erst 1874
außer Kraft gesetzt worden.

In Württemberg besteht ein Staatsgerichtshof, der über Unternehmungen,
welche ans den Umsturz der Verfassung gerichtet sind, und über Verletzung
einzelner Punkte derselben erkennt, und vor dem die Regierung einzelne Mit¬
glieder der Stände anklagen kann. Nach Z 203 des Verfassungsgesetzes er¬
streckt sich „die Strafbefugniß dieses Gerichtshofes nur auf Verweise und
Geldstrafen, auf Suspension oder Entfernung vom Amte und auf zeitliche oder
immerwährende Ausschließung von der Landstandsschaft". Ist aber von ihm
auf die höchste in seiner Kompetenz liegende Strafe erkannt, ohne daß eine
weitere ausdrücklich ausgeschlossen ist, so bleibt den ordentlichen Gerichten
vorbehalten, „gegen den Verurtheilten ein weiteres Verfahren von Amtswegen
eintreten zu lassen".

Am nächsten steht endlich dem zu Anfange erwähnten Gesetzentwurf für
den Reichstag die braunschweigische Geschäftsordnung von 1871 mit fol¬
genden Bestimmungen: „Abgeordnete, welche gegen die Vorschrift der Geschäfts¬
ordnung verstoßen oder in ihren Aeußerungen die Würde des Deutschen Reiches,
der Mitglieder des Bundesrathes, des Reichstages oder befreundeter Regenten
oder Regierungen angreifen, werden vom Präsidenten zur Ordnung gerufen.
Wird die vom Präsidenten gerügte Ordnungswidrigkeit fortgesetzt, oder geht
dieselbe in Widersetzlichkeit gegen die Anordnungen des Präsidenten über, so
kann die Versammlung auf Antrag des Letzteren den Schuldigen sofort ent¬
fernen und nach vorgängiger kommissarischer Begutachtung durch einen in der
nächsten Sitzung zu fassenden Beschluß durch Verweis oder Ausschließung von
den Verhandlungen strafen. Ein gleiches Verfahren tritt auf den gehörig
unterstützten Antrag eines einzelnen Abgeordneten ein, wenn ein Mitglied so
arge Verstöße gegen die Geschäftsordnung begeht oder die Redefreiheit in solcher
Weise mißbraucht, daß die Verweisung zur Ordnung durch den Präsidenten
oder dessen Rüge nicht für ausreichend gehalten wird. Sollte aber der Fall


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0010" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141965"/>
          <p xml:id="ID_16" prev="#ID_15"> ist erst 1851 beseitigt worden, Ausschließungen von Mitgliedern auf bestimmte<lb/>
Zeit aber waren bis 1872 gestattet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_17"> Die sächsische Verfassungsurkunde von 1831 enthält genau dieselbe Be¬<lb/>
stimmung wie die soeben mit Anführungszeichen mitgetheilte, dann aber noch<lb/>
Folgendes: &#x201E;Wenn die gerügte Aeußerung ein besonderes Verbrechen oder eine<lb/>
persönliche Beleidigung in sich begreift, so kann das fragliche Mitglied der<lb/>
Kammer, es mag nun dessen Ausschließung erfolgt sein oder nicht, deshalb noch<lb/>
vor seinem ordentlichen Richter belangt werden. Verlangt es der Ausge¬<lb/>
schlossene, so ist die Entscheidung, ob derselbe bei einer künftigen Ständever¬<lb/>
sammlung wieder wählbar sein solle, an den Staatsgerichtshof zu verweisen,<lb/>
sonst ist derselbe nicht wieder wählbar." Diese Bestimmungen sind erst 1874<lb/>
außer Kraft gesetzt worden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_18"> In Württemberg besteht ein Staatsgerichtshof, der über Unternehmungen,<lb/>
welche ans den Umsturz der Verfassung gerichtet sind, und über Verletzung<lb/>
einzelner Punkte derselben erkennt, und vor dem die Regierung einzelne Mit¬<lb/>
glieder der Stände anklagen kann. Nach Z 203 des Verfassungsgesetzes er¬<lb/>
streckt sich &#x201E;die Strafbefugniß dieses Gerichtshofes nur auf Verweise und<lb/>
Geldstrafen, auf Suspension oder Entfernung vom Amte und auf zeitliche oder<lb/>
immerwährende Ausschließung von der Landstandsschaft". Ist aber von ihm<lb/>
auf die höchste in seiner Kompetenz liegende Strafe erkannt, ohne daß eine<lb/>
weitere ausdrücklich ausgeschlossen ist, so bleibt den ordentlichen Gerichten<lb/>
vorbehalten, &#x201E;gegen den Verurtheilten ein weiteres Verfahren von Amtswegen<lb/>
eintreten zu lassen".</p><lb/>
          <p xml:id="ID_19" next="#ID_20"> Am nächsten steht endlich dem zu Anfange erwähnten Gesetzentwurf für<lb/>
den Reichstag die braunschweigische Geschäftsordnung von 1871 mit fol¬<lb/>
genden Bestimmungen: &#x201E;Abgeordnete, welche gegen die Vorschrift der Geschäfts¬<lb/>
ordnung verstoßen oder in ihren Aeußerungen die Würde des Deutschen Reiches,<lb/>
der Mitglieder des Bundesrathes, des Reichstages oder befreundeter Regenten<lb/>
oder Regierungen angreifen, werden vom Präsidenten zur Ordnung gerufen.<lb/>
Wird die vom Präsidenten gerügte Ordnungswidrigkeit fortgesetzt, oder geht<lb/>
dieselbe in Widersetzlichkeit gegen die Anordnungen des Präsidenten über, so<lb/>
kann die Versammlung auf Antrag des Letzteren den Schuldigen sofort ent¬<lb/>
fernen und nach vorgängiger kommissarischer Begutachtung durch einen in der<lb/>
nächsten Sitzung zu fassenden Beschluß durch Verweis oder Ausschließung von<lb/>
den Verhandlungen strafen. Ein gleiches Verfahren tritt auf den gehörig<lb/>
unterstützten Antrag eines einzelnen Abgeordneten ein, wenn ein Mitglied so<lb/>
arge Verstöße gegen die Geschäftsordnung begeht oder die Redefreiheit in solcher<lb/>
Weise mißbraucht, daß die Verweisung zur Ordnung durch den Präsidenten<lb/>
oder dessen Rüge nicht für ausreichend gehalten wird.  Sollte aber der Fall</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0010] ist erst 1851 beseitigt worden, Ausschließungen von Mitgliedern auf bestimmte Zeit aber waren bis 1872 gestattet. Die sächsische Verfassungsurkunde von 1831 enthält genau dieselbe Be¬ stimmung wie die soeben mit Anführungszeichen mitgetheilte, dann aber noch Folgendes: „Wenn die gerügte Aeußerung ein besonderes Verbrechen oder eine persönliche Beleidigung in sich begreift, so kann das fragliche Mitglied der Kammer, es mag nun dessen Ausschließung erfolgt sein oder nicht, deshalb noch vor seinem ordentlichen Richter belangt werden. Verlangt es der Ausge¬ schlossene, so ist die Entscheidung, ob derselbe bei einer künftigen Ständever¬ sammlung wieder wählbar sein solle, an den Staatsgerichtshof zu verweisen, sonst ist derselbe nicht wieder wählbar." Diese Bestimmungen sind erst 1874 außer Kraft gesetzt worden. In Württemberg besteht ein Staatsgerichtshof, der über Unternehmungen, welche ans den Umsturz der Verfassung gerichtet sind, und über Verletzung einzelner Punkte derselben erkennt, und vor dem die Regierung einzelne Mit¬ glieder der Stände anklagen kann. Nach Z 203 des Verfassungsgesetzes er¬ streckt sich „die Strafbefugniß dieses Gerichtshofes nur auf Verweise und Geldstrafen, auf Suspension oder Entfernung vom Amte und auf zeitliche oder immerwährende Ausschließung von der Landstandsschaft". Ist aber von ihm auf die höchste in seiner Kompetenz liegende Strafe erkannt, ohne daß eine weitere ausdrücklich ausgeschlossen ist, so bleibt den ordentlichen Gerichten vorbehalten, „gegen den Verurtheilten ein weiteres Verfahren von Amtswegen eintreten zu lassen". Am nächsten steht endlich dem zu Anfange erwähnten Gesetzentwurf für den Reichstag die braunschweigische Geschäftsordnung von 1871 mit fol¬ genden Bestimmungen: „Abgeordnete, welche gegen die Vorschrift der Geschäfts¬ ordnung verstoßen oder in ihren Aeußerungen die Würde des Deutschen Reiches, der Mitglieder des Bundesrathes, des Reichstages oder befreundeter Regenten oder Regierungen angreifen, werden vom Präsidenten zur Ordnung gerufen. Wird die vom Präsidenten gerügte Ordnungswidrigkeit fortgesetzt, oder geht dieselbe in Widersetzlichkeit gegen die Anordnungen des Präsidenten über, so kann die Versammlung auf Antrag des Letzteren den Schuldigen sofort ent¬ fernen und nach vorgängiger kommissarischer Begutachtung durch einen in der nächsten Sitzung zu fassenden Beschluß durch Verweis oder Ausschließung von den Verhandlungen strafen. Ein gleiches Verfahren tritt auf den gehörig unterstützten Antrag eines einzelnen Abgeordneten ein, wenn ein Mitglied so arge Verstöße gegen die Geschäftsordnung begeht oder die Redefreiheit in solcher Weise mißbraucht, daß die Verweisung zur Ordnung durch den Präsidenten oder dessen Rüge nicht für ausreichend gehalten wird. Sollte aber der Fall

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/10
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/10>, abgerufen am 27.09.2024.