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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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daß die Machtsphäre unseres Kaiserstaates durch diese Gebietsergänzuug einen
unberechenbaren Zuwachs gewinnen muß,"

Wir können diesen Betrachtungen nichts hinzufügen, als daß die Schlüsse,
zu denen der Verfasser gelangt, uns vollkommen einleuchten. Auch was er
von den Aussichten der Bestrebungen bemerkt, die sich auf die innerliche Ge¬
winnung der in Frage stehenden Landschaften und deren Verschmelzung mit
den alten Provinzen richten, ist beherzigenswerth. Wir verweisen in dieser
Beziehung ans Kapitel elf: "Bildungskeime", und entnehmen dem folgenden,
das die verschiedenen Elemente der Bevölkerung in's Ange faßt, Folgendes.

Mit Ausnahme der von Sjeniea gegen Novibazar auslaufenden Land¬
zunge, wo die Albanesen einen nennenswerthen Bestandtheil der Einwohner¬
schaft bilden, kann die geringe Zahl der in Bosnien wohnenden Türken, Juden
und Zigeuner nicht hindern, das Land als ein slavisches anzusehen, und zwar
gehören die Bosnier dem serbisch-kroatischen Stamme der Slaven an. Um so
größer ist die Verschiedenheit und die territoriale Durcheinandermischung in
konfessioneller Hinsicht.

Die böhmischen Katholiken bildenden kleinsten, aber vertrauenswürdigsten
Theil der Bevölkerung. Sie haben nie aufgehört, nach "Cäsarien", nach dem
"Car austrijski" um Hilfe aus ihrer Noth und Bedrängniß auszuschauen.
Auch hat Oesterreich in diesem Jahrhundert Manches für ihre geistigen Be¬
dürfnisse gethan und namentlich die Franziskaner und Trappisten unterstützt, die
als Lehrer und Tröster unter ihnen wirken. Man kann ihnen getrost die
Waffen in die Hand geben; es wird ihr Selbstgefühl heben und ihnen Achtung
bei den Andern verschaffen.

Nicht ohne Mißtrauen hat der zweite und weit zahlreichere Bestandtheil
der böhmischen Ncijah. der dem griechischen Ritus angehört, das Erscheinen der
Oesterreicher im Lande betrachtet. Nicht wenige der orientalischen Christen
Bosnien's haben den kaiserlichen Truppen sogar einen fast ebenso erbitterten
und hartnäckigen Widerstand entgegengesetzt wie die Muslime, Diese Erschei¬
nung ist nicht unerklärlich. Sie haßten in Oesterreich die katholische Macht,
und sie fürchteten, sich an Unionsversuche der Zeit Prinz Eugen's erinnernd,
eine mehr oder minder, gewaltthätige Ueberführung zu einem Bekenntniß, das
ihren althergebrachten Glaubensvorstellungen widerstrebt. So wird man sich
ihnen gegenüber vor aller Proselytenmacherei und jeder kränkenden Bevorzugung
der Katholiken hüten und die Wünsche der anderen Christen in gleicher Weise
berücksichtigen müssen. Darf man ihnen für's Erste die Waffen nicht zurück¬
geben, so muß man ihnen klar machen, daß der Grund hiervon nur ihr Ver¬
halten beim Einmarsch der Okknpationstruppen, nicht Hintansetzung vom kon¬
fessionellen Gesichtspunkte ist, und daß bei rückhaltslosem Anschluß an die neue


daß die Machtsphäre unseres Kaiserstaates durch diese Gebietsergänzuug einen
unberechenbaren Zuwachs gewinnen muß,"

Wir können diesen Betrachtungen nichts hinzufügen, als daß die Schlüsse,
zu denen der Verfasser gelangt, uns vollkommen einleuchten. Auch was er
von den Aussichten der Bestrebungen bemerkt, die sich auf die innerliche Ge¬
winnung der in Frage stehenden Landschaften und deren Verschmelzung mit
den alten Provinzen richten, ist beherzigenswerth. Wir verweisen in dieser
Beziehung ans Kapitel elf: „Bildungskeime", und entnehmen dem folgenden,
das die verschiedenen Elemente der Bevölkerung in's Ange faßt, Folgendes.

Mit Ausnahme der von Sjeniea gegen Novibazar auslaufenden Land¬
zunge, wo die Albanesen einen nennenswerthen Bestandtheil der Einwohner¬
schaft bilden, kann die geringe Zahl der in Bosnien wohnenden Türken, Juden
und Zigeuner nicht hindern, das Land als ein slavisches anzusehen, und zwar
gehören die Bosnier dem serbisch-kroatischen Stamme der Slaven an. Um so
größer ist die Verschiedenheit und die territoriale Durcheinandermischung in
konfessioneller Hinsicht.

Die böhmischen Katholiken bildenden kleinsten, aber vertrauenswürdigsten
Theil der Bevölkerung. Sie haben nie aufgehört, nach „Cäsarien", nach dem
„Car austrijski" um Hilfe aus ihrer Noth und Bedrängniß auszuschauen.
Auch hat Oesterreich in diesem Jahrhundert Manches für ihre geistigen Be¬
dürfnisse gethan und namentlich die Franziskaner und Trappisten unterstützt, die
als Lehrer und Tröster unter ihnen wirken. Man kann ihnen getrost die
Waffen in die Hand geben; es wird ihr Selbstgefühl heben und ihnen Achtung
bei den Andern verschaffen.

Nicht ohne Mißtrauen hat der zweite und weit zahlreichere Bestandtheil
der böhmischen Ncijah. der dem griechischen Ritus angehört, das Erscheinen der
Oesterreicher im Lande betrachtet. Nicht wenige der orientalischen Christen
Bosnien's haben den kaiserlichen Truppen sogar einen fast ebenso erbitterten
und hartnäckigen Widerstand entgegengesetzt wie die Muslime, Diese Erschei¬
nung ist nicht unerklärlich. Sie haßten in Oesterreich die katholische Macht,
und sie fürchteten, sich an Unionsversuche der Zeit Prinz Eugen's erinnernd,
eine mehr oder minder, gewaltthätige Ueberführung zu einem Bekenntniß, das
ihren althergebrachten Glaubensvorstellungen widerstrebt. So wird man sich
ihnen gegenüber vor aller Proselytenmacherei und jeder kränkenden Bevorzugung
der Katholiken hüten und die Wünsche der anderen Christen in gleicher Weise
berücksichtigen müssen. Darf man ihnen für's Erste die Waffen nicht zurück¬
geben, so muß man ihnen klar machen, daß der Grund hiervon nur ihr Ver¬
halten beim Einmarsch der Okknpationstruppen, nicht Hintansetzung vom kon¬
fessionellen Gesichtspunkte ist, und daß bei rückhaltslosem Anschluß an die neue


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/66>, abgerufen am 06.02.2025.