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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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inde Sie gleich zu einer Reise jenseits der Alpen ein*) und wir wollten gewiß
Glück machen. Leben Sie wohl, Sie einziger mir aus meiner Jugend "ver¬
blichener, in unglaublicher Stille herangewachsener. Leben Sie wohl.


G.

Erst nachdem sich Goethe in Rom zum zweiten Male niedergelassen, nahm
er die auf das gemeinsame Werk bezügliche Korrespondenz wieder auf. Ihm lag
viel an der Vollendung des Ganzen, um das Stück einführen und dahin zielende
Maßregeln vorbereiten zu können. Dabei dachte er lebhaft an Kayser, in dessen
Gesellschaft er das Hörbare zu hören wünschte, wie er in Gesellschaft der
Künstler zu sehen gewöhnt war. Zwar fehlten bestimmte Vorschläge, den Kom¬
ponisten bei sich zu sehen; nur soviel stand fest, daß er den heimischen Boden
nicht betreten wollte, ohne diesen Wunsch erfüllt zu sehen. "Wie aber und wo,"
bemerkte Goethe, "das wollen wir noch bereden."

Unablässig hatte Kayser inzwischen weiter gearbeitet. Im Anfang Januar
1787 lag bereits die theilweise umgearbeitete Partitur vor. Es war dies ganz
im Sinne Goethe's, der weder Zeit noch Mühe und Kosten gespart wissen wollte;
nur auf diese Weise gelange man zu einer Fertigkeit. Alles wurde in Weimar
zur Vollendung vorbereitet und damit eine Freude in Aussicht gestellt, die
Goethen um so lieber wieder den heimischen Boden betreten ließ.

Je mehr aber Goethe "die Erfüllung all seiner Wünsche und Träume in
Rom fand, desto schwieriger gelangte er zum Entschlüsse, den Ort zu verlassen,
der für ihn allein auf der ganzen Erde zum Paradies werden konnte". Er hatte
"nichts lebhafter, als die Dauer seines Zustandes zu wünschen".

Mehr und mehr reifte der Gedanke, Kayser in Italien zu begegnen, an
seiner Seite dasjenige empfinden und durchdenken zu können, wozu die Musik
in so vollem Maße Anregung darbot.

Aber noch war die Zeit für die Befriedigung seiner Thätigkeit in dieser
Richtung nicht gekommen. "Ich schwimme wie in einem Meere von Gegenständen,"
schreibt er im August 1787, "ich möchte Alles gerne nutzen, da reichen Zeit und
Kräfte nicht hin und man sieht einem Monate Hintenach, als wenn er nicht
dagewesen wäre. Noch bleibe ich in Italien und halte meinen Schulstand aus,
ich möchte wenigstens einigen Dingen auf den Grund kommen, einige Begriffe,
einige Fähigkeiten ausbilden." Dabei dachte er der Zeit, wo die Oper im
Publikum sich Eingang verschaffen sollte, er projektirte schon eine Art Ankündi¬
gung und hoffte Goeschen als Verleger zu gewinnen, während Kayser damals
noch vollauf zu thun hatte.

Auch an sonstiger Anregung fehlte es Kayser nicht. Goethe sprach schon von
der Inangriffnahme der neuen Oper und betraute Kaysern mit der Komposition



*) Wohl die frische Andeutung der italienischen Reise,

inde Sie gleich zu einer Reise jenseits der Alpen ein*) und wir wollten gewiß
Glück machen. Leben Sie wohl, Sie einziger mir aus meiner Jugend »ver¬
blichener, in unglaublicher Stille herangewachsener. Leben Sie wohl.


G.

Erst nachdem sich Goethe in Rom zum zweiten Male niedergelassen, nahm
er die auf das gemeinsame Werk bezügliche Korrespondenz wieder auf. Ihm lag
viel an der Vollendung des Ganzen, um das Stück einführen und dahin zielende
Maßregeln vorbereiten zu können. Dabei dachte er lebhaft an Kayser, in dessen
Gesellschaft er das Hörbare zu hören wünschte, wie er in Gesellschaft der
Künstler zu sehen gewöhnt war. Zwar fehlten bestimmte Vorschläge, den Kom¬
ponisten bei sich zu sehen; nur soviel stand fest, daß er den heimischen Boden
nicht betreten wollte, ohne diesen Wunsch erfüllt zu sehen. „Wie aber und wo,"
bemerkte Goethe, „das wollen wir noch bereden."

Unablässig hatte Kayser inzwischen weiter gearbeitet. Im Anfang Januar
1787 lag bereits die theilweise umgearbeitete Partitur vor. Es war dies ganz
im Sinne Goethe's, der weder Zeit noch Mühe und Kosten gespart wissen wollte;
nur auf diese Weise gelange man zu einer Fertigkeit. Alles wurde in Weimar
zur Vollendung vorbereitet und damit eine Freude in Aussicht gestellt, die
Goethen um so lieber wieder den heimischen Boden betreten ließ.

Je mehr aber Goethe „die Erfüllung all seiner Wünsche und Träume in
Rom fand, desto schwieriger gelangte er zum Entschlüsse, den Ort zu verlassen,
der für ihn allein auf der ganzen Erde zum Paradies werden konnte". Er hatte
„nichts lebhafter, als die Dauer seines Zustandes zu wünschen".

Mehr und mehr reifte der Gedanke, Kayser in Italien zu begegnen, an
seiner Seite dasjenige empfinden und durchdenken zu können, wozu die Musik
in so vollem Maße Anregung darbot.

Aber noch war die Zeit für die Befriedigung seiner Thätigkeit in dieser
Richtung nicht gekommen. „Ich schwimme wie in einem Meere von Gegenständen,"
schreibt er im August 1787, „ich möchte Alles gerne nutzen, da reichen Zeit und
Kräfte nicht hin und man sieht einem Monate Hintenach, als wenn er nicht
dagewesen wäre. Noch bleibe ich in Italien und halte meinen Schulstand aus,
ich möchte wenigstens einigen Dingen auf den Grund kommen, einige Begriffe,
einige Fähigkeiten ausbilden." Dabei dachte er der Zeit, wo die Oper im
Publikum sich Eingang verschaffen sollte, er projektirte schon eine Art Ankündi¬
gung und hoffte Goeschen als Verleger zu gewinnen, während Kayser damals
noch vollauf zu thun hatte.

Auch an sonstiger Anregung fehlte es Kayser nicht. Goethe sprach schon von
der Inangriffnahme der neuen Oper und betraute Kaysern mit der Komposition



*) Wohl die frische Andeutung der italienischen Reise,
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[0528] inde Sie gleich zu einer Reise jenseits der Alpen ein*) und wir wollten gewiß Glück machen. Leben Sie wohl, Sie einziger mir aus meiner Jugend »ver¬ blichener, in unglaublicher Stille herangewachsener. Leben Sie wohl. G. Erst nachdem sich Goethe in Rom zum zweiten Male niedergelassen, nahm er die auf das gemeinsame Werk bezügliche Korrespondenz wieder auf. Ihm lag viel an der Vollendung des Ganzen, um das Stück einführen und dahin zielende Maßregeln vorbereiten zu können. Dabei dachte er lebhaft an Kayser, in dessen Gesellschaft er das Hörbare zu hören wünschte, wie er in Gesellschaft der Künstler zu sehen gewöhnt war. Zwar fehlten bestimmte Vorschläge, den Kom¬ ponisten bei sich zu sehen; nur soviel stand fest, daß er den heimischen Boden nicht betreten wollte, ohne diesen Wunsch erfüllt zu sehen. „Wie aber und wo," bemerkte Goethe, „das wollen wir noch bereden." Unablässig hatte Kayser inzwischen weiter gearbeitet. Im Anfang Januar 1787 lag bereits die theilweise umgearbeitete Partitur vor. Es war dies ganz im Sinne Goethe's, der weder Zeit noch Mühe und Kosten gespart wissen wollte; nur auf diese Weise gelange man zu einer Fertigkeit. Alles wurde in Weimar zur Vollendung vorbereitet und damit eine Freude in Aussicht gestellt, die Goethen um so lieber wieder den heimischen Boden betreten ließ. Je mehr aber Goethe „die Erfüllung all seiner Wünsche und Träume in Rom fand, desto schwieriger gelangte er zum Entschlüsse, den Ort zu verlassen, der für ihn allein auf der ganzen Erde zum Paradies werden konnte". Er hatte „nichts lebhafter, als die Dauer seines Zustandes zu wünschen". Mehr und mehr reifte der Gedanke, Kayser in Italien zu begegnen, an seiner Seite dasjenige empfinden und durchdenken zu können, wozu die Musik in so vollem Maße Anregung darbot. Aber noch war die Zeit für die Befriedigung seiner Thätigkeit in dieser Richtung nicht gekommen. „Ich schwimme wie in einem Meere von Gegenständen," schreibt er im August 1787, „ich möchte Alles gerne nutzen, da reichen Zeit und Kräfte nicht hin und man sieht einem Monate Hintenach, als wenn er nicht dagewesen wäre. Noch bleibe ich in Italien und halte meinen Schulstand aus, ich möchte wenigstens einigen Dingen auf den Grund kommen, einige Begriffe, einige Fähigkeiten ausbilden." Dabei dachte er der Zeit, wo die Oper im Publikum sich Eingang verschaffen sollte, er projektirte schon eine Art Ankündi¬ gung und hoffte Goeschen als Verleger zu gewinnen, während Kayser damals noch vollauf zu thun hatte. Auch an sonstiger Anregung fehlte es Kayser nicht. Goethe sprach schon von der Inangriffnahme der neuen Oper und betraute Kaysern mit der Komposition *) Wohl die frische Andeutung der italienischen Reise,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/528>, abgerufen am 06.02.2025.