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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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Ihrem Nachdenken über die Sache, von Ihrer Kunstgewissenhaftigkeit und
gutem Geschmack. Hier, was ich zu erwiedern habe.

Den ersten Akt dacht ich, ließen wir nun wie und wo er ist, bis Sie
mit dem ganzen Stücke durch sind, es selbst als ein Ganzes übersehen, her¬
nach wollen wir weiter darüber reden und Sie werden ohne viel zu reden,
das Beste thun.

Ganz recht sagen Sie von meinem Stücke, daß es gewissermasen kom-
ponirt sey, man kann in eben dem Sinne sagen, daß es auch gespielt sey.
Wenn Sie bei dem Gleichnisse bleiben wollen: die Zeichnung ist bestimmt,
aber das ganze Helldunkel, insofern es nicht auch schon in der Zeichnung liegt,
die Farbengebung bleibt dein Componisten. Es ist wahr, er kann in die
Breite nicht ausweichen, aber die Höhe bleibt ihm bis in den dritten Himmel,
wie hoch haben Sie Sich über den Gemeinplatz der Melodien und Melan¬
cholien, des Wasserfalls und der Nachtigall erhoben. Ich habe das Stück
in Absicht auf Sie gemacht. Sie verstehen mich und übertreffen meine Er¬
wartungen; mein nächstes*) ist wieder für Sie, wenn Sie's wollen, wir
werden uns schon besser verstehen, und sonst habe ich mit Niemand fürs erste
zu schaffen.

Die andere Bemerkung ist leider eben so richtig, daß das Stück für ein
musikalisch Drama zu angezogen, zu angestrengt ist. Zu viel Arbeit für drey
Personen.

Dazu kann ich nun nichts sagen, als daß ich keins wieder machen werde
(ob ich gleich ein allerliebstes Sujet zu 3 Personen noch habe, das fast noch
reicher und toller als dieses ist).

Jede Erfindung hat etwas willkührliches. Mein höchster Begriff vom
Drama ist rastlose Handlung, ich dachte mir das Sujet fing an und sah zu
spät, daß es zum musikalischen Drama zu überdrängt war, ich sann auf
Mittel und ließ es über ein halb Jahr liegen. Endlich endigt ich's und so
ists nun.

Es ist ein Bravourstück, haben wir keine Akteurs dafür; so mögen sie
sich daran und dazu bilden.

Es ist wahr, der Sänger will physisch mehr Ruhe haben zu laufen, zu
springen, zu gestikuliren, sich zu balgen und zu singen, so etwas geht wohl in
einem Final, aber durchaus fühl ichs wohl ists zu toll. Das nächste ist in
allem Sinne sedater.

Ihre Erinnerungen wegen des Rhytmus kamen zur rechten Zeit. Ich
will Ihnen auch darüber meine Geschichte erzählen.



*) Die ungleichen Hausgenossen,

Ihrem Nachdenken über die Sache, von Ihrer Kunstgewissenhaftigkeit und
gutem Geschmack. Hier, was ich zu erwiedern habe.

Den ersten Akt dacht ich, ließen wir nun wie und wo er ist, bis Sie
mit dem ganzen Stücke durch sind, es selbst als ein Ganzes übersehen, her¬
nach wollen wir weiter darüber reden und Sie werden ohne viel zu reden,
das Beste thun.

Ganz recht sagen Sie von meinem Stücke, daß es gewissermasen kom-
ponirt sey, man kann in eben dem Sinne sagen, daß es auch gespielt sey.
Wenn Sie bei dem Gleichnisse bleiben wollen: die Zeichnung ist bestimmt,
aber das ganze Helldunkel, insofern es nicht auch schon in der Zeichnung liegt,
die Farbengebung bleibt dein Componisten. Es ist wahr, er kann in die
Breite nicht ausweichen, aber die Höhe bleibt ihm bis in den dritten Himmel,
wie hoch haben Sie Sich über den Gemeinplatz der Melodien und Melan¬
cholien, des Wasserfalls und der Nachtigall erhoben. Ich habe das Stück
in Absicht auf Sie gemacht. Sie verstehen mich und übertreffen meine Er¬
wartungen; mein nächstes*) ist wieder für Sie, wenn Sie's wollen, wir
werden uns schon besser verstehen, und sonst habe ich mit Niemand fürs erste
zu schaffen.

Die andere Bemerkung ist leider eben so richtig, daß das Stück für ein
musikalisch Drama zu angezogen, zu angestrengt ist. Zu viel Arbeit für drey
Personen.

Dazu kann ich nun nichts sagen, als daß ich keins wieder machen werde
(ob ich gleich ein allerliebstes Sujet zu 3 Personen noch habe, das fast noch
reicher und toller als dieses ist).

Jede Erfindung hat etwas willkührliches. Mein höchster Begriff vom
Drama ist rastlose Handlung, ich dachte mir das Sujet fing an und sah zu
spät, daß es zum musikalischen Drama zu überdrängt war, ich sann auf
Mittel und ließ es über ein halb Jahr liegen. Endlich endigt ich's und so
ists nun.

Es ist ein Bravourstück, haben wir keine Akteurs dafür; so mögen sie
sich daran und dazu bilden.

Es ist wahr, der Sänger will physisch mehr Ruhe haben zu laufen, zu
springen, zu gestikuliren, sich zu balgen und zu singen, so etwas geht wohl in
einem Final, aber durchaus fühl ichs wohl ists zu toll. Das nächste ist in
allem Sinne sedater.

Ihre Erinnerungen wegen des Rhytmus kamen zur rechten Zeit. Ich
will Ihnen auch darüber meine Geschichte erzählen.



*) Die ungleichen Hausgenossen,
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[0524] Ihrem Nachdenken über die Sache, von Ihrer Kunstgewissenhaftigkeit und gutem Geschmack. Hier, was ich zu erwiedern habe. Den ersten Akt dacht ich, ließen wir nun wie und wo er ist, bis Sie mit dem ganzen Stücke durch sind, es selbst als ein Ganzes übersehen, her¬ nach wollen wir weiter darüber reden und Sie werden ohne viel zu reden, das Beste thun. Ganz recht sagen Sie von meinem Stücke, daß es gewissermasen kom- ponirt sey, man kann in eben dem Sinne sagen, daß es auch gespielt sey. Wenn Sie bei dem Gleichnisse bleiben wollen: die Zeichnung ist bestimmt, aber das ganze Helldunkel, insofern es nicht auch schon in der Zeichnung liegt, die Farbengebung bleibt dein Componisten. Es ist wahr, er kann in die Breite nicht ausweichen, aber die Höhe bleibt ihm bis in den dritten Himmel, wie hoch haben Sie Sich über den Gemeinplatz der Melodien und Melan¬ cholien, des Wasserfalls und der Nachtigall erhoben. Ich habe das Stück in Absicht auf Sie gemacht. Sie verstehen mich und übertreffen meine Er¬ wartungen; mein nächstes*) ist wieder für Sie, wenn Sie's wollen, wir werden uns schon besser verstehen, und sonst habe ich mit Niemand fürs erste zu schaffen. Die andere Bemerkung ist leider eben so richtig, daß das Stück für ein musikalisch Drama zu angezogen, zu angestrengt ist. Zu viel Arbeit für drey Personen. Dazu kann ich nun nichts sagen, als daß ich keins wieder machen werde (ob ich gleich ein allerliebstes Sujet zu 3 Personen noch habe, das fast noch reicher und toller als dieses ist). Jede Erfindung hat etwas willkührliches. Mein höchster Begriff vom Drama ist rastlose Handlung, ich dachte mir das Sujet fing an und sah zu spät, daß es zum musikalischen Drama zu überdrängt war, ich sann auf Mittel und ließ es über ein halb Jahr liegen. Endlich endigt ich's und so ists nun. Es ist ein Bravourstück, haben wir keine Akteurs dafür; so mögen sie sich daran und dazu bilden. Es ist wahr, der Sänger will physisch mehr Ruhe haben zu laufen, zu springen, zu gestikuliren, sich zu balgen und zu singen, so etwas geht wohl in einem Final, aber durchaus fühl ichs wohl ists zu toll. Das nächste ist in allem Sinne sedater. Ihre Erinnerungen wegen des Rhytmus kamen zur rechten Zeit. Ich will Ihnen auch darüber meine Geschichte erzählen. *) Die ungleichen Hausgenossen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/524>, abgerufen am 06.02.2025.