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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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die Verbesserung einiger Stellen im 4. Akte. Ueber die Arie arm und
elend nächstens; ich will sie heute noch einmal hören.

Adieu! Schreiben Sie mir balde.


G.

Wir dürfen bei der zuletzt erwähnten Vorführung des Stückes nur an ein
auserlesenes Publikum denken, welches sehr verschieden über die Wirkung ur¬
theilte. Die Bemerkungen Wieland's, der sich auf Herder's Urtheil bezog, lauten
anders als das kühlere des Herzogs Karl August, der sich blos dahin äußerte, daß
das bessere Publikum durch Kayser's Komposition etwas erfrischt werde. Viel¬
leicht lag mit Rücksicht auf die "Beschränktheit" des Weimarischen Publikums
in diesem Urtheil größeres Lob, als man bisher anzunehmen geneigt war.

Trotzdem daß aber die Komposition nicht fertig vorlag, war Goethe von
ihrer Wirkung so völlig überzeugt, daß er jetzt schon an die weitere Ver¬
breitung der Operette im ausschließlichen Interesse des Komponisten dachte. Er
schrieb darüber an Knebel, der sich eben in München aufhielt: "ich möchte die
Operette irgendwo unterbringen um dem jungen Künstler ein Stück Geld zu
verschaffen und ihn in der deutschen Welt bekannt zu machen." Knebel's Ant¬
wort war nicht tröstlich. In München war für das Stück kein Boden. Um so
mehr dachte Goethe im Interesse des Jugendfreundes bereits an die Abfassung
eines andern Werks und suchte nebenbei einen trefflichen Ausweg. Wenn das lyrische
Theater zur Zeit in Deutschland erbärmlich war, und die besten Kräfte sich
zum italienischen hinwandten, so glaubte er, daß die Kompositionen Kayser's min¬
destens in Konzerten wirken könnten, wenn die einzelnen Arien ohne Prätension
auf dem Klavier vorgetragen und durch das meisterhafte Spiel Kayser's unter¬
stützt werden würden. Knebel's Urtheil, was in München gefalle, was von
Scherz und Ernst am meisten Effekt mache, sollte Goethen die Direktiven bei
der Abfassung eines neuen Stückes geben. Aehnliches wünschte er in Wien
vorzunehmen; es kam ihm zunächst mehr darauf an, Kayser vorwärts zu bringen,
als auf die schwierige Umgestaltung der Oper, die er allerdings durch Vor¬
führung Kayser'scher Kompositionen auch zu erreichen hoffte.

Auch die nachfolgenden Briefe legen klar dar, wie Dichter und Komponist
sich zu verständigen suchten, und wie weit endlich beide in ihrem Schaffensdrangs
gekommen waren, als Goethe sich bereits mit dem Gedanken an die italienische
Reise trug.

Weimar den 23. Jan. 1786.

Sie haben meinen langen Brief, dergleichen wie ich wohl sagen darf,
seit Jahren nicht geschrieben, durch Ihre Antwort reichlich vergolten und be¬
wegen mich abermals ausführlich zu seyn. Ihre Bemerkungen zeugen von


die Verbesserung einiger Stellen im 4. Akte. Ueber die Arie arm und
elend nächstens; ich will sie heute noch einmal hören.

Adieu! Schreiben Sie mir balde.


G.

Wir dürfen bei der zuletzt erwähnten Vorführung des Stückes nur an ein
auserlesenes Publikum denken, welches sehr verschieden über die Wirkung ur¬
theilte. Die Bemerkungen Wieland's, der sich auf Herder's Urtheil bezog, lauten
anders als das kühlere des Herzogs Karl August, der sich blos dahin äußerte, daß
das bessere Publikum durch Kayser's Komposition etwas erfrischt werde. Viel¬
leicht lag mit Rücksicht auf die „Beschränktheit" des Weimarischen Publikums
in diesem Urtheil größeres Lob, als man bisher anzunehmen geneigt war.

Trotzdem daß aber die Komposition nicht fertig vorlag, war Goethe von
ihrer Wirkung so völlig überzeugt, daß er jetzt schon an die weitere Ver¬
breitung der Operette im ausschließlichen Interesse des Komponisten dachte. Er
schrieb darüber an Knebel, der sich eben in München aufhielt: „ich möchte die
Operette irgendwo unterbringen um dem jungen Künstler ein Stück Geld zu
verschaffen und ihn in der deutschen Welt bekannt zu machen." Knebel's Ant¬
wort war nicht tröstlich. In München war für das Stück kein Boden. Um so
mehr dachte Goethe im Interesse des Jugendfreundes bereits an die Abfassung
eines andern Werks und suchte nebenbei einen trefflichen Ausweg. Wenn das lyrische
Theater zur Zeit in Deutschland erbärmlich war, und die besten Kräfte sich
zum italienischen hinwandten, so glaubte er, daß die Kompositionen Kayser's min¬
destens in Konzerten wirken könnten, wenn die einzelnen Arien ohne Prätension
auf dem Klavier vorgetragen und durch das meisterhafte Spiel Kayser's unter¬
stützt werden würden. Knebel's Urtheil, was in München gefalle, was von
Scherz und Ernst am meisten Effekt mache, sollte Goethen die Direktiven bei
der Abfassung eines neuen Stückes geben. Aehnliches wünschte er in Wien
vorzunehmen; es kam ihm zunächst mehr darauf an, Kayser vorwärts zu bringen,
als auf die schwierige Umgestaltung der Oper, die er allerdings durch Vor¬
führung Kayser'scher Kompositionen auch zu erreichen hoffte.

Auch die nachfolgenden Briefe legen klar dar, wie Dichter und Komponist
sich zu verständigen suchten, und wie weit endlich beide in ihrem Schaffensdrangs
gekommen waren, als Goethe sich bereits mit dem Gedanken an die italienische
Reise trug.

Weimar den 23. Jan. 1786.

Sie haben meinen langen Brief, dergleichen wie ich wohl sagen darf,
seit Jahren nicht geschrieben, durch Ihre Antwort reichlich vergolten und be¬
wegen mich abermals ausführlich zu seyn. Ihre Bemerkungen zeugen von


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[0523] die Verbesserung einiger Stellen im 4. Akte. Ueber die Arie arm und elend nächstens; ich will sie heute noch einmal hören. Adieu! Schreiben Sie mir balde. G. Wir dürfen bei der zuletzt erwähnten Vorführung des Stückes nur an ein auserlesenes Publikum denken, welches sehr verschieden über die Wirkung ur¬ theilte. Die Bemerkungen Wieland's, der sich auf Herder's Urtheil bezog, lauten anders als das kühlere des Herzogs Karl August, der sich blos dahin äußerte, daß das bessere Publikum durch Kayser's Komposition etwas erfrischt werde. Viel¬ leicht lag mit Rücksicht auf die „Beschränktheit" des Weimarischen Publikums in diesem Urtheil größeres Lob, als man bisher anzunehmen geneigt war. Trotzdem daß aber die Komposition nicht fertig vorlag, war Goethe von ihrer Wirkung so völlig überzeugt, daß er jetzt schon an die weitere Ver¬ breitung der Operette im ausschließlichen Interesse des Komponisten dachte. Er schrieb darüber an Knebel, der sich eben in München aufhielt: „ich möchte die Operette irgendwo unterbringen um dem jungen Künstler ein Stück Geld zu verschaffen und ihn in der deutschen Welt bekannt zu machen." Knebel's Ant¬ wort war nicht tröstlich. In München war für das Stück kein Boden. Um so mehr dachte Goethe im Interesse des Jugendfreundes bereits an die Abfassung eines andern Werks und suchte nebenbei einen trefflichen Ausweg. Wenn das lyrische Theater zur Zeit in Deutschland erbärmlich war, und die besten Kräfte sich zum italienischen hinwandten, so glaubte er, daß die Kompositionen Kayser's min¬ destens in Konzerten wirken könnten, wenn die einzelnen Arien ohne Prätension auf dem Klavier vorgetragen und durch das meisterhafte Spiel Kayser's unter¬ stützt werden würden. Knebel's Urtheil, was in München gefalle, was von Scherz und Ernst am meisten Effekt mache, sollte Goethen die Direktiven bei der Abfassung eines neuen Stückes geben. Aehnliches wünschte er in Wien vorzunehmen; es kam ihm zunächst mehr darauf an, Kayser vorwärts zu bringen, als auf die schwierige Umgestaltung der Oper, die er allerdings durch Vor¬ führung Kayser'scher Kompositionen auch zu erreichen hoffte. Auch die nachfolgenden Briefe legen klar dar, wie Dichter und Komponist sich zu verständigen suchten, und wie weit endlich beide in ihrem Schaffensdrangs gekommen waren, als Goethe sich bereits mit dem Gedanken an die italienische Reise trug. Weimar den 23. Jan. 1786. Sie haben meinen langen Brief, dergleichen wie ich wohl sagen darf, seit Jahren nicht geschrieben, durch Ihre Antwort reichlich vergolten und be¬ wegen mich abermals ausführlich zu seyn. Ihre Bemerkungen zeugen von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/523>, abgerufen am 06.02.2025.