Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.einer anderen Skizze mit dem grimmen Hagen, welcher Siegfried in die Schlucht In das Jahr 1875 fallen zwei der größten Dekorationsmalereien, die aus einer anderen Skizze mit dem grimmen Hagen, welcher Siegfried in die Schlucht In das Jahr 1875 fallen zwei der größten Dekorationsmalereien, die aus <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0516" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141927"/> <p xml:id="ID_1531" prev="#ID_1530"> einer anderen Skizze mit dem grimmen Hagen, welcher Siegfried in die Schlucht<lb/> stürzt (1875), war nach dem Urtheile kompetenter Beschauer nichts zu sehen.<lb/> Diese Komposition sowohl wie eine 1877 in die Öffentlichkeit gelangte Walküre<lb/> ist vermuthlich auf die Einwirkung der Wagner'schen Nibelungen-Dramen zurück¬<lb/> zuführen, wie denn Makart überhaupt mit der Bühne im engsten Zusammen¬<lb/> hang steht. Ein äußeres Zeugniß dafür ist auch das „Bildniß" der Schau¬<lb/> spielerin Charlotte Wolter als „Messalina", angeregt durch die erste Aufführung<lb/> von Wilbrandt's Drama „Arria und Messalina", welchem das etwas zwei¬<lb/> deutige Lob gebührt, die römische Kaiserzeit in ihrem tiefsten Verfall mit ihrem<lb/> Moderduft und ihrer ekelerregenden Fäulniß so treu dargestellt zu haben wie<lb/> kein zweites modernes Schauspiel. Alle spezifischen Eigenthümlichkeiten Makart's<lb/> weisen diesen Maler gleichfalls auf jene Epoche hin. Die Schauspielerin oder<lb/> vielmehr die Kaiserin Messalina, denn von Porträtähnlichkeit ist auch nicht die<lb/> leiseste Spur zu entdecken, sitzt prächtig geschmückt auf einem mit kostbaren Stoffen,<lb/> Tigerfellen und Blumen bedeckten Lager. Sie blickt, von inbrünstiger Sehn¬<lb/> sucht fast verzehrt, hinaus in die dunkle Landschaft, das Kommen des geliebten<lb/> Marms, des Sohnes der Arria, erwartend. Es ist selbstverständlich, daß<lb/> Makart, wie wir ihn aus seinem Entwickelungsgange kennen gelernt haben, nicht<lb/> erst nöthig hatte/seine Reminiszenzen aus Piloto/s Atelier zusammenzuraffen, um<lb/> den komödiantenhaften Ton des dichterischen Vorbildes in seiner malerischen Ver¬<lb/> körperung zu treffen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1532" next="#ID_1533"> In das Jahr 1875 fallen zwei der größten Dekorationsmalereien, die aus<lb/> Makart's Atelier hervorgegangen sind: „Bacchus und Ariadne im Triumphzug"<lb/> und „Kleopatra auf dem Cydnus". Das erste Bild war von vornherein als<lb/> Dekoration einer Saalwand gedacht und ist auch in diesem Sinne von dem<lb/> englischen Käufer verwerthet worden, das zweite war ebenfalls für diesen Zweck<lb/> bestimmt, hat aber schließlich ein Unterkommen in der Stuttgarter Staatsgalerie<lb/> gefunden. Auf seine Komposition hin betrachtet bezeichnet der Bacchuszug einen<lb/> erheblichen Rückschritt gegen die „Katharina Cornaro". Daß die beiden Haupt¬<lb/> figuren die untergeordnetsten und schwächsten des ganzen Bildes sind, darf uns<lb/> nach den gemachten Wahrnehmungen nicht Wunder nehmen. Es fehlt dem be¬<lb/> gabten Virtuosen der künstlerische Ernst, der zur gleichmäßigen Durchdringung<lb/> und Bewältigung aller Elemente eines Bildes nöthig ist. Aber die Komposition<lb/> ist so locker, daß das Gemälde beliebig ein paar Fuß früher oder später auf¬<lb/> hören könnte, ohne daß der Gesammteffekt dadurch ein Jota einbüßen würde.<lb/> Wenn man von dem feisten Silen neben dem Wagen der Ariadne absieht, der<lb/> etwas von der göttlichen Lebensfülle eines Rubens hat, so bleibt einem in dem<lb/> zahlreichen Gefolge des Weingottes und in dem aus den Fluthen empor¬<lb/> tauchenden Meervolk nicht viel zum Bewundern übrig. „Es sind auch bei diesem</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0516]
einer anderen Skizze mit dem grimmen Hagen, welcher Siegfried in die Schlucht
stürzt (1875), war nach dem Urtheile kompetenter Beschauer nichts zu sehen.
Diese Komposition sowohl wie eine 1877 in die Öffentlichkeit gelangte Walküre
ist vermuthlich auf die Einwirkung der Wagner'schen Nibelungen-Dramen zurück¬
zuführen, wie denn Makart überhaupt mit der Bühne im engsten Zusammen¬
hang steht. Ein äußeres Zeugniß dafür ist auch das „Bildniß" der Schau¬
spielerin Charlotte Wolter als „Messalina", angeregt durch die erste Aufführung
von Wilbrandt's Drama „Arria und Messalina", welchem das etwas zwei¬
deutige Lob gebührt, die römische Kaiserzeit in ihrem tiefsten Verfall mit ihrem
Moderduft und ihrer ekelerregenden Fäulniß so treu dargestellt zu haben wie
kein zweites modernes Schauspiel. Alle spezifischen Eigenthümlichkeiten Makart's
weisen diesen Maler gleichfalls auf jene Epoche hin. Die Schauspielerin oder
vielmehr die Kaiserin Messalina, denn von Porträtähnlichkeit ist auch nicht die
leiseste Spur zu entdecken, sitzt prächtig geschmückt auf einem mit kostbaren Stoffen,
Tigerfellen und Blumen bedeckten Lager. Sie blickt, von inbrünstiger Sehn¬
sucht fast verzehrt, hinaus in die dunkle Landschaft, das Kommen des geliebten
Marms, des Sohnes der Arria, erwartend. Es ist selbstverständlich, daß
Makart, wie wir ihn aus seinem Entwickelungsgange kennen gelernt haben, nicht
erst nöthig hatte/seine Reminiszenzen aus Piloto/s Atelier zusammenzuraffen, um
den komödiantenhaften Ton des dichterischen Vorbildes in seiner malerischen Ver¬
körperung zu treffen.
In das Jahr 1875 fallen zwei der größten Dekorationsmalereien, die aus
Makart's Atelier hervorgegangen sind: „Bacchus und Ariadne im Triumphzug"
und „Kleopatra auf dem Cydnus". Das erste Bild war von vornherein als
Dekoration einer Saalwand gedacht und ist auch in diesem Sinne von dem
englischen Käufer verwerthet worden, das zweite war ebenfalls für diesen Zweck
bestimmt, hat aber schließlich ein Unterkommen in der Stuttgarter Staatsgalerie
gefunden. Auf seine Komposition hin betrachtet bezeichnet der Bacchuszug einen
erheblichen Rückschritt gegen die „Katharina Cornaro". Daß die beiden Haupt¬
figuren die untergeordnetsten und schwächsten des ganzen Bildes sind, darf uns
nach den gemachten Wahrnehmungen nicht Wunder nehmen. Es fehlt dem be¬
gabten Virtuosen der künstlerische Ernst, der zur gleichmäßigen Durchdringung
und Bewältigung aller Elemente eines Bildes nöthig ist. Aber die Komposition
ist so locker, daß das Gemälde beliebig ein paar Fuß früher oder später auf¬
hören könnte, ohne daß der Gesammteffekt dadurch ein Jota einbüßen würde.
Wenn man von dem feisten Silen neben dem Wagen der Ariadne absieht, der
etwas von der göttlichen Lebensfülle eines Rubens hat, so bleibt einem in dem
zahlreichen Gefolge des Weingottes und in dem aus den Fluthen empor¬
tauchenden Meervolk nicht viel zum Bewundern übrig. „Es sind auch bei diesem
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