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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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seyn suchen. In Erwartung Ew. Durchlaucht fernern gnädigen Befehle bin
ich mit unterthäniger Devotion


Durchlauchtiger Herzog
Gnädiger Herr
Ew. Durchlaucht
unterthünigster Diener
Gluck.

Wien d. 21. August 1781.

Ob Kayser dem Winke folgte, wissen wir nicht, aber er blieb mit Goethe
in Verkehr. Kayser war es, der die Verbindung aufrecht erhielt, während
Goethe sich später beschämt fühlte, daß er so lange geschwiegen; er rettete sich
durch das schöne Wort: "Der Strom des Lebens reist mich immer stärker,
daß ich kaum Zeit habe mich umzusehen." Sie kamen gelegentlich auf maure-
rische persönliche Angelegenheiten, über die Goethe in einer sein Maurerthum
bezeichnenden Weise die interessante Aeußerung that: "Im Orden heiß ich
Meister, das heist nicht viel; durch die übrigen Säle und Kammern hat mich
ein guter Geist extrajudizialiter durchgeführt, und ich weis das Unglaubliche."

Für mehrere Jahre wissen wir von der Verbindung beider nichts; erst als
Goethe seine Operette "Scherz, List und Rache" beendet hatte, schien es Zeit,
an die alte Zusicherung anzuknüpfen, in Gemeinschaft wirken und etwas schaffen
zu wollen.

Als Goethe den Briefwechsel aufnahm, war Kayser gerade auf einer Reise durch
Italien begriffen. Er begleitete einen jungen reichen Kaufmann Namens Löhr, der
seine Fachbildung in einem Züricher Hause genossen hatte. Zweifelsohne waren beide
durch die maurerischen Bestrebungen zusammengeführt worden. Es geht dies
aus einzelnen Briefen Löhr's aus Frankreich hervor, in denen er über den
Zustand der französischen Logen eingehend berichtet, nachdem Kayser sich in der
Schweiz von dem jungen Kaufmann getrennt hatte. Den letzteren finden wir in
späterer Zeit als Chef eines Banquierhauses in Leipzig und als Schwiegersohn
des berühmten, am 5. Januar 1814 in Weimar verstorbenen Kupferstechers Joh.
Friedrich Banse wieder.

Noch im Frühjahre 1784 befand sich Kayser in Italien; er hatte Rom ge¬
sehen und war im Begriff, nach Neapel zu gehen. Auch über die Berge hin¬
weg verkehrte er mit Goethe, wie uns folgende Briefe desselben zeigen:

Ihre Briefe und Bemerkungen machen mir viel Vergnügen und ich finde
Ursache Sie zu beneiden, daß Sie das Land betreten und durchwandern, das
ich wie ein sündiger Prophete nur in dämmernder Ferne vor mir liegen sehe.

Da Sie die alte Musik suchen und nicht finden, geht es Ihnen recht,
als käme man die alten Helden aufzusuchen und fände Pfaffen auf ihre


seyn suchen. In Erwartung Ew. Durchlaucht fernern gnädigen Befehle bin
ich mit unterthäniger Devotion


Durchlauchtiger Herzog
Gnädiger Herr
Ew. Durchlaucht
unterthünigster Diener
Gluck.

Wien d. 21. August 1781.

Ob Kayser dem Winke folgte, wissen wir nicht, aber er blieb mit Goethe
in Verkehr. Kayser war es, der die Verbindung aufrecht erhielt, während
Goethe sich später beschämt fühlte, daß er so lange geschwiegen; er rettete sich
durch das schöne Wort: „Der Strom des Lebens reist mich immer stärker,
daß ich kaum Zeit habe mich umzusehen." Sie kamen gelegentlich auf maure-
rische persönliche Angelegenheiten, über die Goethe in einer sein Maurerthum
bezeichnenden Weise die interessante Aeußerung that: „Im Orden heiß ich
Meister, das heist nicht viel; durch die übrigen Säle und Kammern hat mich
ein guter Geist extrajudizialiter durchgeführt, und ich weis das Unglaubliche."

Für mehrere Jahre wissen wir von der Verbindung beider nichts; erst als
Goethe seine Operette „Scherz, List und Rache" beendet hatte, schien es Zeit,
an die alte Zusicherung anzuknüpfen, in Gemeinschaft wirken und etwas schaffen
zu wollen.

Als Goethe den Briefwechsel aufnahm, war Kayser gerade auf einer Reise durch
Italien begriffen. Er begleitete einen jungen reichen Kaufmann Namens Löhr, der
seine Fachbildung in einem Züricher Hause genossen hatte. Zweifelsohne waren beide
durch die maurerischen Bestrebungen zusammengeführt worden. Es geht dies
aus einzelnen Briefen Löhr's aus Frankreich hervor, in denen er über den
Zustand der französischen Logen eingehend berichtet, nachdem Kayser sich in der
Schweiz von dem jungen Kaufmann getrennt hatte. Den letzteren finden wir in
späterer Zeit als Chef eines Banquierhauses in Leipzig und als Schwiegersohn
des berühmten, am 5. Januar 1814 in Weimar verstorbenen Kupferstechers Joh.
Friedrich Banse wieder.

Noch im Frühjahre 1784 befand sich Kayser in Italien; er hatte Rom ge¬
sehen und war im Begriff, nach Neapel zu gehen. Auch über die Berge hin¬
weg verkehrte er mit Goethe, wie uns folgende Briefe desselben zeigen:

Ihre Briefe und Bemerkungen machen mir viel Vergnügen und ich finde
Ursache Sie zu beneiden, daß Sie das Land betreten und durchwandern, das
ich wie ein sündiger Prophete nur in dämmernder Ferne vor mir liegen sehe.

Da Sie die alte Musik suchen und nicht finden, geht es Ihnen recht,
als käme man die alten Helden aufzusuchen und fände Pfaffen auf ihre


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[0484] seyn suchen. In Erwartung Ew. Durchlaucht fernern gnädigen Befehle bin ich mit unterthäniger Devotion Durchlauchtiger Herzog Gnädiger Herr Ew. Durchlaucht unterthünigster Diener Gluck. Wien d. 21. August 1781. Ob Kayser dem Winke folgte, wissen wir nicht, aber er blieb mit Goethe in Verkehr. Kayser war es, der die Verbindung aufrecht erhielt, während Goethe sich später beschämt fühlte, daß er so lange geschwiegen; er rettete sich durch das schöne Wort: „Der Strom des Lebens reist mich immer stärker, daß ich kaum Zeit habe mich umzusehen." Sie kamen gelegentlich auf maure- rische persönliche Angelegenheiten, über die Goethe in einer sein Maurerthum bezeichnenden Weise die interessante Aeußerung that: „Im Orden heiß ich Meister, das heist nicht viel; durch die übrigen Säle und Kammern hat mich ein guter Geist extrajudizialiter durchgeführt, und ich weis das Unglaubliche." Für mehrere Jahre wissen wir von der Verbindung beider nichts; erst als Goethe seine Operette „Scherz, List und Rache" beendet hatte, schien es Zeit, an die alte Zusicherung anzuknüpfen, in Gemeinschaft wirken und etwas schaffen zu wollen. Als Goethe den Briefwechsel aufnahm, war Kayser gerade auf einer Reise durch Italien begriffen. Er begleitete einen jungen reichen Kaufmann Namens Löhr, der seine Fachbildung in einem Züricher Hause genossen hatte. Zweifelsohne waren beide durch die maurerischen Bestrebungen zusammengeführt worden. Es geht dies aus einzelnen Briefen Löhr's aus Frankreich hervor, in denen er über den Zustand der französischen Logen eingehend berichtet, nachdem Kayser sich in der Schweiz von dem jungen Kaufmann getrennt hatte. Den letzteren finden wir in späterer Zeit als Chef eines Banquierhauses in Leipzig und als Schwiegersohn des berühmten, am 5. Januar 1814 in Weimar verstorbenen Kupferstechers Joh. Friedrich Banse wieder. Noch im Frühjahre 1784 befand sich Kayser in Italien; er hatte Rom ge¬ sehen und war im Begriff, nach Neapel zu gehen. Auch über die Berge hin¬ weg verkehrte er mit Goethe, wie uns folgende Briefe desselben zeigen: Ihre Briefe und Bemerkungen machen mir viel Vergnügen und ich finde Ursache Sie zu beneiden, daß Sie das Land betreten und durchwandern, das ich wie ein sündiger Prophete nur in dämmernder Ferne vor mir liegen sehe. Da Sie die alte Musik suchen und nicht finden, geht es Ihnen recht, als käme man die alten Helden aufzusuchen und fände Pfaffen auf ihre

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/484>, abgerufen am 23.07.2024.