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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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man weiß, was man genießt, anstatt daß die meisten neuern Componisten,
wie die Köche bei den Speisen einen Hautgout von allerley anbringen, dar¬
über Fisch wie Fleisch und das Gesottene wie das Gebratene schmeckt.

Goethen lag besonders viel an der schleunigen Vollendung der Komposition;
er wünschte die Vorführung des Singspiels in einer Zeit, wo man für seine
Schweizererlebnisse noch ein frisches Interesse bekundete. Er hoffte eine musi¬
kalische und theatralische Wirkung auf dem Theater zu erzielen, das gerade im
Frühjahr 1780 eine szenische Umwandlung erlebte. Aber das Glück war seinen
Bestrebungen nicht hold; Kayser konnte seinen Wunsch nicht so schnell erfüllen,
und die inzwischen von Siegmund v. Seckendorff in Angriff genommene Kom¬
position des Stückes war nach Goethe's Urtheil so mangelhaft, daß Kayser's
Arbeit umsomehr herbeigewünscht wurde.

Unzweifelhaft trugen die damaligen Pläne dazu bei, daß Kayser auf
Goethe's Wunsch im Beginn des Januar 1781 in Weimar selbst eintraf, wo
er hinlängliche Zeit fand, auf dessen theatralische und musikalische Bestrebungen
einzugehen, ohne daß sich seine Thätigkeit im Einzelnen feststellen ließe. Die
Hauptsache war: Kayser ließ sich gut an, das Weimarische Leben schien ihn
geschmeidiger zu machen, er sah und hörte viel, so daß Goethe bereits sich mit
Plänen trug, ihm, vielleicht in Weimar selbst, eine Stelle zu verschaffen. Erst
am 24. Mai 1781 schied Kayser von Weimar, ohne daß Goethe's Absichten
klar zu Tage traten.

Der Aufenthalt in Weimar war für Kayser in vielfacher Beziehung ge¬
winnbringend gewesen; er war in die Goethe'schen Kreise eingeführt worden, hatte
vielfach Anregungen zu weiteren Kompositionen empfangen und insbesondere für
seine maurerischen Bestrebungen, für die er weitaus das lebhafteste Interesse be¬
kundete, reiche Nahrung gefunden, zumal da er in der Loge Weimar's verkehrte
und in den Geist der Maurerei Goethe's selbst so weit eingedrungen war,
daß dieser von ihm wohl die Kompositionen seiner maurerischen Lieder fordern
konnte.

Gerade in diese Zeit fällt Kayser's innige Beschäftigung mit Rousseau's
Liedern und die Wiederaufnahme des alten, im Stillen betriebenen Planes, den
jungen Komponisten nach Wien zu senden, damit er von dem verehrten Meister
Gluck selbst Anregung und Direktiven für seine musikalischen Schöpfungen em¬
pfangen könnte. Goethe betrieb die Reise gerade mit Rücksicht auf den betrü¬
benden Gesundheitszustand des Meisters Gluck, dessen Thätigkeit durch einen
Schlag gelähmt war, mit allen zu Gebote stehenden Mitteln. "Acht Tage auf
oder ab," meinte er, "thun diesmal sowohl wegen der Umstände als der Jahres¬
zeit viel." Am liebsten wäre es ihm gewesen, wenn Kayser sich kurz entschlossen,


man weiß, was man genießt, anstatt daß die meisten neuern Componisten,
wie die Köche bei den Speisen einen Hautgout von allerley anbringen, dar¬
über Fisch wie Fleisch und das Gesottene wie das Gebratene schmeckt.

Goethen lag besonders viel an der schleunigen Vollendung der Komposition;
er wünschte die Vorführung des Singspiels in einer Zeit, wo man für seine
Schweizererlebnisse noch ein frisches Interesse bekundete. Er hoffte eine musi¬
kalische und theatralische Wirkung auf dem Theater zu erzielen, das gerade im
Frühjahr 1780 eine szenische Umwandlung erlebte. Aber das Glück war seinen
Bestrebungen nicht hold; Kayser konnte seinen Wunsch nicht so schnell erfüllen,
und die inzwischen von Siegmund v. Seckendorff in Angriff genommene Kom¬
position des Stückes war nach Goethe's Urtheil so mangelhaft, daß Kayser's
Arbeit umsomehr herbeigewünscht wurde.

Unzweifelhaft trugen die damaligen Pläne dazu bei, daß Kayser auf
Goethe's Wunsch im Beginn des Januar 1781 in Weimar selbst eintraf, wo
er hinlängliche Zeit fand, auf dessen theatralische und musikalische Bestrebungen
einzugehen, ohne daß sich seine Thätigkeit im Einzelnen feststellen ließe. Die
Hauptsache war: Kayser ließ sich gut an, das Weimarische Leben schien ihn
geschmeidiger zu machen, er sah und hörte viel, so daß Goethe bereits sich mit
Plänen trug, ihm, vielleicht in Weimar selbst, eine Stelle zu verschaffen. Erst
am 24. Mai 1781 schied Kayser von Weimar, ohne daß Goethe's Absichten
klar zu Tage traten.

Der Aufenthalt in Weimar war für Kayser in vielfacher Beziehung ge¬
winnbringend gewesen; er war in die Goethe'schen Kreise eingeführt worden, hatte
vielfach Anregungen zu weiteren Kompositionen empfangen und insbesondere für
seine maurerischen Bestrebungen, für die er weitaus das lebhafteste Interesse be¬
kundete, reiche Nahrung gefunden, zumal da er in der Loge Weimar's verkehrte
und in den Geist der Maurerei Goethe's selbst so weit eingedrungen war,
daß dieser von ihm wohl die Kompositionen seiner maurerischen Lieder fordern
konnte.

Gerade in diese Zeit fällt Kayser's innige Beschäftigung mit Rousseau's
Liedern und die Wiederaufnahme des alten, im Stillen betriebenen Planes, den
jungen Komponisten nach Wien zu senden, damit er von dem verehrten Meister
Gluck selbst Anregung und Direktiven für seine musikalischen Schöpfungen em¬
pfangen könnte. Goethe betrieb die Reise gerade mit Rücksicht auf den betrü¬
benden Gesundheitszustand des Meisters Gluck, dessen Thätigkeit durch einen
Schlag gelähmt war, mit allen zu Gebote stehenden Mitteln. „Acht Tage auf
oder ab," meinte er, „thun diesmal sowohl wegen der Umstände als der Jahres¬
zeit viel." Am liebsten wäre es ihm gewesen, wenn Kayser sich kurz entschlossen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/481>, abgerufen am 23.07.2024.