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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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geführt in die vornehmsten Häuser, in denen er Musikunterricht ertheilte, wäh¬
rend er im innigen Verkehr mit dem alten deutschen Freundeskreise stand, das
Thun und Treiben desselben verfolgte, selbst dichtete und seine eigenen Dich¬
tungen wie die seiner Freunde komponirte. Die Zahl der Letzteren wuchs durch
die Gebrüder v. Stolberg und Haugwitz, die im Sommer 1775 auf ihrer Reise
durch die Schweiz Kayser's Bekanntschaft machten und ihm in ihren Briefen
eine tief empfundene Hochachtung, Edelmuth, Einfachheit und Natürlichkeit
und eminentes musikalisches Genie nachrühmten. Durch die Grafen v. Stol¬
berg wurde wie durch Miller Kayser's Verbindung mit Voß und dessen Musen¬
almanach angebahnt, die freilich, da die poetischen Produkte für den Almanach
nicht reif genug waren, zunächst nicht glücken wollte.

Dessenungeachtet war Kayser in den bezeichneten Richtungen unausgesetzt
thätig, zumal da er fortwährend zum Dichten und Komponiren durch die Freunde
angeregt wurde. Noch im Laufe des Jahres 1775 trat er mit seineu "Liedern
und Melodien" an die Öffentlichkeit, nachdem dieselben zum Theil längst in
Freundeskreisen bekannt geworden waren. Nebenbei schrieb er Gedichte in die
"Deutsche Chronik" Schubart's, mit dem er in innigem Verkehre stand, bis dann
im Juli 1776 auch die Verbindung mit Wieland durch Goethe selbst vermittelt
wurde. Wie dieser für den Frankfurter Jugendfreund eingenommen war, zeigt
Wieland's Antwort auf Kayser's Brief, in welchem dieser seinem Wunsche
nach persönlicher Bekanntschaft Ausdruck gegeben hatte. "Ihr Wunsch, edler
junger Mann," schreibt Wieland (26. Juli 1776), "daß wir uns unmittelbar in
die Augen sehen können, ist auch der Meinige. Wenige Minuten Gegenwart
entscheiden das wahre Verhältniß zweier Menschen richtiger und gewisser als
hundert Briefe. Jetzt gründet sich meine hohe Meinung von dem Geiste, der
in Ihnen ist, auf das, was mir Goethe von Ihnen sagte und auf das was
er von Ihnen weissagt." Damit war die Thätigkeit Kayser's für Wieland's
"Teutschen Merkur" eingeleitet, in dem aber nur einige Gedichte und namentlich
der Aufsatz über Gluck erschienen, den Wieland aus Goethe's Händen empfing,
welcher jedenfalls das Erscheinen der Arbeit begünstigt hatte.

So hatte sich Kayser in engstem Anschluß an seine deutschen Freunde
immer thätig gezeigt und war auch, wie die fragmentarische Korrespondenz zeigt,
mit Goethe in innigstem Verkehr geblieben. Ein Brief vom 25. August 1776
kennzeichnet ihr Verhältniß. Goethe schreibt: "Wir gehen nicht nach Italien.
Dies zu Deiner Beruhigung. Ich trag Dich immer am Herzen! Schick mir
oft was. Bleib ruhig in Zürch!"

Vielleicht deutet der Wortlaut dieses Briefes auf Verhältnisse, die eine
tiefgreifende Umwandlung Kayser's bedingt hatten. Wohl bald nach seinem
Eintritt in Zürich hatte er sich einer jungen reizenden Sängerin, Nägeli aus


Grenzboten I. 1879. 60

geführt in die vornehmsten Häuser, in denen er Musikunterricht ertheilte, wäh¬
rend er im innigen Verkehr mit dem alten deutschen Freundeskreise stand, das
Thun und Treiben desselben verfolgte, selbst dichtete und seine eigenen Dich¬
tungen wie die seiner Freunde komponirte. Die Zahl der Letzteren wuchs durch
die Gebrüder v. Stolberg und Haugwitz, die im Sommer 1775 auf ihrer Reise
durch die Schweiz Kayser's Bekanntschaft machten und ihm in ihren Briefen
eine tief empfundene Hochachtung, Edelmuth, Einfachheit und Natürlichkeit
und eminentes musikalisches Genie nachrühmten. Durch die Grafen v. Stol¬
berg wurde wie durch Miller Kayser's Verbindung mit Voß und dessen Musen¬
almanach angebahnt, die freilich, da die poetischen Produkte für den Almanach
nicht reif genug waren, zunächst nicht glücken wollte.

Dessenungeachtet war Kayser in den bezeichneten Richtungen unausgesetzt
thätig, zumal da er fortwährend zum Dichten und Komponiren durch die Freunde
angeregt wurde. Noch im Laufe des Jahres 1775 trat er mit seineu „Liedern
und Melodien" an die Öffentlichkeit, nachdem dieselben zum Theil längst in
Freundeskreisen bekannt geworden waren. Nebenbei schrieb er Gedichte in die
„Deutsche Chronik" Schubart's, mit dem er in innigem Verkehre stand, bis dann
im Juli 1776 auch die Verbindung mit Wieland durch Goethe selbst vermittelt
wurde. Wie dieser für den Frankfurter Jugendfreund eingenommen war, zeigt
Wieland's Antwort auf Kayser's Brief, in welchem dieser seinem Wunsche
nach persönlicher Bekanntschaft Ausdruck gegeben hatte. „Ihr Wunsch, edler
junger Mann," schreibt Wieland (26. Juli 1776), „daß wir uns unmittelbar in
die Augen sehen können, ist auch der Meinige. Wenige Minuten Gegenwart
entscheiden das wahre Verhältniß zweier Menschen richtiger und gewisser als
hundert Briefe. Jetzt gründet sich meine hohe Meinung von dem Geiste, der
in Ihnen ist, auf das, was mir Goethe von Ihnen sagte und auf das was
er von Ihnen weissagt." Damit war die Thätigkeit Kayser's für Wieland's
„Teutschen Merkur" eingeleitet, in dem aber nur einige Gedichte und namentlich
der Aufsatz über Gluck erschienen, den Wieland aus Goethe's Händen empfing,
welcher jedenfalls das Erscheinen der Arbeit begünstigt hatte.

So hatte sich Kayser in engstem Anschluß an seine deutschen Freunde
immer thätig gezeigt und war auch, wie die fragmentarische Korrespondenz zeigt,
mit Goethe in innigstem Verkehr geblieben. Ein Brief vom 25. August 1776
kennzeichnet ihr Verhältniß. Goethe schreibt: „Wir gehen nicht nach Italien.
Dies zu Deiner Beruhigung. Ich trag Dich immer am Herzen! Schick mir
oft was. Bleib ruhig in Zürch!"

Vielleicht deutet der Wortlaut dieses Briefes auf Verhältnisse, die eine
tiefgreifende Umwandlung Kayser's bedingt hatten. Wohl bald nach seinem
Eintritt in Zürich hatte er sich einer jungen reizenden Sängerin, Nägeli aus


Grenzboten I. 1879. 60
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[0477] geführt in die vornehmsten Häuser, in denen er Musikunterricht ertheilte, wäh¬ rend er im innigen Verkehr mit dem alten deutschen Freundeskreise stand, das Thun und Treiben desselben verfolgte, selbst dichtete und seine eigenen Dich¬ tungen wie die seiner Freunde komponirte. Die Zahl der Letzteren wuchs durch die Gebrüder v. Stolberg und Haugwitz, die im Sommer 1775 auf ihrer Reise durch die Schweiz Kayser's Bekanntschaft machten und ihm in ihren Briefen eine tief empfundene Hochachtung, Edelmuth, Einfachheit und Natürlichkeit und eminentes musikalisches Genie nachrühmten. Durch die Grafen v. Stol¬ berg wurde wie durch Miller Kayser's Verbindung mit Voß und dessen Musen¬ almanach angebahnt, die freilich, da die poetischen Produkte für den Almanach nicht reif genug waren, zunächst nicht glücken wollte. Dessenungeachtet war Kayser in den bezeichneten Richtungen unausgesetzt thätig, zumal da er fortwährend zum Dichten und Komponiren durch die Freunde angeregt wurde. Noch im Laufe des Jahres 1775 trat er mit seineu „Liedern und Melodien" an die Öffentlichkeit, nachdem dieselben zum Theil längst in Freundeskreisen bekannt geworden waren. Nebenbei schrieb er Gedichte in die „Deutsche Chronik" Schubart's, mit dem er in innigem Verkehre stand, bis dann im Juli 1776 auch die Verbindung mit Wieland durch Goethe selbst vermittelt wurde. Wie dieser für den Frankfurter Jugendfreund eingenommen war, zeigt Wieland's Antwort auf Kayser's Brief, in welchem dieser seinem Wunsche nach persönlicher Bekanntschaft Ausdruck gegeben hatte. „Ihr Wunsch, edler junger Mann," schreibt Wieland (26. Juli 1776), „daß wir uns unmittelbar in die Augen sehen können, ist auch der Meinige. Wenige Minuten Gegenwart entscheiden das wahre Verhältniß zweier Menschen richtiger und gewisser als hundert Briefe. Jetzt gründet sich meine hohe Meinung von dem Geiste, der in Ihnen ist, auf das, was mir Goethe von Ihnen sagte und auf das was er von Ihnen weissagt." Damit war die Thätigkeit Kayser's für Wieland's „Teutschen Merkur" eingeleitet, in dem aber nur einige Gedichte und namentlich der Aufsatz über Gluck erschienen, den Wieland aus Goethe's Händen empfing, welcher jedenfalls das Erscheinen der Arbeit begünstigt hatte. So hatte sich Kayser in engstem Anschluß an seine deutschen Freunde immer thätig gezeigt und war auch, wie die fragmentarische Korrespondenz zeigt, mit Goethe in innigstem Verkehr geblieben. Ein Brief vom 25. August 1776 kennzeichnet ihr Verhältniß. Goethe schreibt: „Wir gehen nicht nach Italien. Dies zu Deiner Beruhigung. Ich trag Dich immer am Herzen! Schick mir oft was. Bleib ruhig in Zürch!" Vielleicht deutet der Wortlaut dieses Briefes auf Verhältnisse, die eine tiefgreifende Umwandlung Kayser's bedingt hatten. Wohl bald nach seinem Eintritt in Zürich hatte er sich einer jungen reizenden Sängerin, Nägeli aus Grenzboten I. 1879. 60

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/477>, abgerufen am 01.10.2024.