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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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telligenz und iseiner vorzüglichen Behandlung der Schüler, und er behauptet,
viele andere anführen zu können, von denen das Gleiche gelte.

Der Unterricht ist für Reiche wie Arme kostenfrei. Das Verlangen da¬
nach ist sehr verbreitet, und es kommt vor, daß wohlhabende Bauern ihrer
Dorfgemeinde Schulhäuser bauen und für einen Lehrer sorgen. Bis 1860
gingen die Gelder für die Bedürfnisse der Schulen durch freiwillige Sub¬
skriptionen ein oder flossen aus Kapitalien, die von reichen Bulgaren zu diesem
Zwecke geschenkt worden waren. In jenem Jahre aber kündigten die Bulgaren
dem Patriarchen von Konstantinopel die Anerkennung seiner Oberhoheit auf,
nahmen die kirchlichen Domänen der Provinz und Einkünfte verschiedener Art
für sich in Anspruch und verwendeten unverweilt einen Theil davon zu Zwecken
der Volksbildung. Andere, vorwiegend von Bulgaren bewohnte Bezirke folgten
diesem Beispiele, und es wurde eine allgemeine Kontrolbehörde zur Pflege der
Schul- und Kirchenangelegenheiten und zur Beaufsichtigung der einzelnen für
das Unterrichtswesen bestimmten Kommissionen eingesetzt. Das Gymnasium
von Philippopel aber bezieht die Mittel zu seinem Bestehen aus einer Schul¬
steuer, die mit Genehmigung der türkischen Behörde auferlegt worden ist und
im Nothfalle durch Zwang eingezogen werden kann. Noch andere Bildungs¬
anstalten für die Bulgaren sind von Amerikanern geschaffen worden. So die
Missionsschule zu Samakow und das Roberts-Kollegium zu Bebel am Bos¬
porus, dessen Räume allen Konfessionen offenstehen, und so die Schulen der
römisch-katholischen Propaganda in Adrianopel und Salonik.

Die bulgarischen Frauen haben das Ihrige zu diesem Werke der nationalen
Erziehung beigetragen. Sie sind zu Vereinen zusammengetreten, welche die
Beförderung des Unterrichtes und die Anschaffung von Büchern für die ärmere
Bevölkerung zum Zwecke haben.

Mit dem Aufschwünge der Schulen ist der Aufschwung der bulgarischen
Literatur Hand in Hand gegangen. Die Chronik des Mönches Paysij (1762)
und die theologischen Schriften des Bischofs Sofron von Vraca waren verein-
samte Vorläufer. Erst um die Mitte der zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts
ließen bulgarische Emigranten in Bukarest und Odessa zahlreiche Bücher in
ihrer Muttersprache erscheinen. So Beron, Stojanovic, Nenovic, Pesakow,
Sakunow, Neofyt und der Abt von Rylj. Doch waren dies ausschließlich
Schulbücher, grammatische Schriften und geistliche Abhandlungen. Die ersten
bulgarischen Druckereien im Lande selbst entstanden 1370 in Salonik und
Smyrna.

Eine sehr bedeutende Hebung erfuhr das bulgarische Schriftthum kurz
vor und nach 1860. Literarische Gesellschaften wurden gegründet, nationale
Dichter traten auf. Unter den letzteren ragt Slavejkow hervor, dessen Poesieen


telligenz und iseiner vorzüglichen Behandlung der Schüler, und er behauptet,
viele andere anführen zu können, von denen das Gleiche gelte.

Der Unterricht ist für Reiche wie Arme kostenfrei. Das Verlangen da¬
nach ist sehr verbreitet, und es kommt vor, daß wohlhabende Bauern ihrer
Dorfgemeinde Schulhäuser bauen und für einen Lehrer sorgen. Bis 1860
gingen die Gelder für die Bedürfnisse der Schulen durch freiwillige Sub¬
skriptionen ein oder flossen aus Kapitalien, die von reichen Bulgaren zu diesem
Zwecke geschenkt worden waren. In jenem Jahre aber kündigten die Bulgaren
dem Patriarchen von Konstantinopel die Anerkennung seiner Oberhoheit auf,
nahmen die kirchlichen Domänen der Provinz und Einkünfte verschiedener Art
für sich in Anspruch und verwendeten unverweilt einen Theil davon zu Zwecken
der Volksbildung. Andere, vorwiegend von Bulgaren bewohnte Bezirke folgten
diesem Beispiele, und es wurde eine allgemeine Kontrolbehörde zur Pflege der
Schul- und Kirchenangelegenheiten und zur Beaufsichtigung der einzelnen für
das Unterrichtswesen bestimmten Kommissionen eingesetzt. Das Gymnasium
von Philippopel aber bezieht die Mittel zu seinem Bestehen aus einer Schul¬
steuer, die mit Genehmigung der türkischen Behörde auferlegt worden ist und
im Nothfalle durch Zwang eingezogen werden kann. Noch andere Bildungs¬
anstalten für die Bulgaren sind von Amerikanern geschaffen worden. So die
Missionsschule zu Samakow und das Roberts-Kollegium zu Bebel am Bos¬
porus, dessen Räume allen Konfessionen offenstehen, und so die Schulen der
römisch-katholischen Propaganda in Adrianopel und Salonik.

Die bulgarischen Frauen haben das Ihrige zu diesem Werke der nationalen
Erziehung beigetragen. Sie sind zu Vereinen zusammengetreten, welche die
Beförderung des Unterrichtes und die Anschaffung von Büchern für die ärmere
Bevölkerung zum Zwecke haben.

Mit dem Aufschwünge der Schulen ist der Aufschwung der bulgarischen
Literatur Hand in Hand gegangen. Die Chronik des Mönches Paysij (1762)
und die theologischen Schriften des Bischofs Sofron von Vraca waren verein-
samte Vorläufer. Erst um die Mitte der zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts
ließen bulgarische Emigranten in Bukarest und Odessa zahlreiche Bücher in
ihrer Muttersprache erscheinen. So Beron, Stojanovic, Nenovic, Pesakow,
Sakunow, Neofyt und der Abt von Rylj. Doch waren dies ausschließlich
Schulbücher, grammatische Schriften und geistliche Abhandlungen. Die ersten
bulgarischen Druckereien im Lande selbst entstanden 1370 in Salonik und
Smyrna.

Eine sehr bedeutende Hebung erfuhr das bulgarische Schriftthum kurz
vor und nach 1860. Literarische Gesellschaften wurden gegründet, nationale
Dichter traten auf. Unter den letzteren ragt Slavejkow hervor, dessen Poesieen


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[0467] telligenz und iseiner vorzüglichen Behandlung der Schüler, und er behauptet, viele andere anführen zu können, von denen das Gleiche gelte. Der Unterricht ist für Reiche wie Arme kostenfrei. Das Verlangen da¬ nach ist sehr verbreitet, und es kommt vor, daß wohlhabende Bauern ihrer Dorfgemeinde Schulhäuser bauen und für einen Lehrer sorgen. Bis 1860 gingen die Gelder für die Bedürfnisse der Schulen durch freiwillige Sub¬ skriptionen ein oder flossen aus Kapitalien, die von reichen Bulgaren zu diesem Zwecke geschenkt worden waren. In jenem Jahre aber kündigten die Bulgaren dem Patriarchen von Konstantinopel die Anerkennung seiner Oberhoheit auf, nahmen die kirchlichen Domänen der Provinz und Einkünfte verschiedener Art für sich in Anspruch und verwendeten unverweilt einen Theil davon zu Zwecken der Volksbildung. Andere, vorwiegend von Bulgaren bewohnte Bezirke folgten diesem Beispiele, und es wurde eine allgemeine Kontrolbehörde zur Pflege der Schul- und Kirchenangelegenheiten und zur Beaufsichtigung der einzelnen für das Unterrichtswesen bestimmten Kommissionen eingesetzt. Das Gymnasium von Philippopel aber bezieht die Mittel zu seinem Bestehen aus einer Schul¬ steuer, die mit Genehmigung der türkischen Behörde auferlegt worden ist und im Nothfalle durch Zwang eingezogen werden kann. Noch andere Bildungs¬ anstalten für die Bulgaren sind von Amerikanern geschaffen worden. So die Missionsschule zu Samakow und das Roberts-Kollegium zu Bebel am Bos¬ porus, dessen Räume allen Konfessionen offenstehen, und so die Schulen der römisch-katholischen Propaganda in Adrianopel und Salonik. Die bulgarischen Frauen haben das Ihrige zu diesem Werke der nationalen Erziehung beigetragen. Sie sind zu Vereinen zusammengetreten, welche die Beförderung des Unterrichtes und die Anschaffung von Büchern für die ärmere Bevölkerung zum Zwecke haben. Mit dem Aufschwünge der Schulen ist der Aufschwung der bulgarischen Literatur Hand in Hand gegangen. Die Chronik des Mönches Paysij (1762) und die theologischen Schriften des Bischofs Sofron von Vraca waren verein- samte Vorläufer. Erst um die Mitte der zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts ließen bulgarische Emigranten in Bukarest und Odessa zahlreiche Bücher in ihrer Muttersprache erscheinen. So Beron, Stojanovic, Nenovic, Pesakow, Sakunow, Neofyt und der Abt von Rylj. Doch waren dies ausschließlich Schulbücher, grammatische Schriften und geistliche Abhandlungen. Die ersten bulgarischen Druckereien im Lande selbst entstanden 1370 in Salonik und Smyrna. Eine sehr bedeutende Hebung erfuhr das bulgarische Schriftthum kurz vor und nach 1860. Literarische Gesellschaften wurden gegründet, nationale Dichter traten auf. Unter den letzteren ragt Slavejkow hervor, dessen Poesieen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/467>, abgerufen am 25.08.2024.