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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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deren Eroberung dnrch die Russen nach unserm Autor einen der schwärzesten
Flecke in der russischen Militärgeschichte bildet. Boulger erzählt:
'

"Die Garnison von Ak Masdschid war sowohl mit Munition als mit
Lebensmitteln schlecht versehen, und die Werke selbst waren so elend gebaut,
daß sie europäischer Artillerie eigentlich keine vierundzwanzig Stunden wider¬
stehen konnten. Die Russen legten Laufgräben und Minen an, denen Jakub
indessen durch Kontreminen wirksam zu begegnen wußte. So hielt er die
Russen 26 Tage hin, während welcher Zeit die Festung stark beschossen wurde.
Der tapfere Kommandant hatte alles gethan, was die militärische Ehre ver¬
langte, und sandte, als er nicht mehr zu widerstehen vermochte, einen Parla¬
mentär zu den Russen, der seine Absicht ausdrückte, die Festung mit militärischen
Ehren übergeben zu wollen. General Perowsky empfing mit Ungeduld den
Parlamentär, dem er erklärte, Tags darauf die Festung durch Sturm nehmen
zu wollen. Diese Drohung, die bei der Sachlage ganz unnöthig war, wurde
auch ausgeführt. Perowsky konnte nun melden, daß die Festung erstürmt sei,
und sie erhielt nun seinen Namen."

Als im Jahre 1864 die Russen dann vor Taschkend" erschienen, stießen sie
wieder auf Jakub Beg, der ihnen im offenen Felde entgegenrückte, aber ge¬
schlagen wurde. Zu derselben Zeit, als Jaknb sich solchergestalt nicht unrühm¬
lich mit den Russen gemessen, traf von der fernen Landschaft Kuldscha ein
Bote beim Chan von Chiwa ein, gesandt vom Kirgisenfürsten Sable-Beg, der
Kunde brachte, daß es mit der Herrschaft der Chinesen in Ostturkestan zu Ende
ginge. Ueberall waren die Völker aufgestanden, siegreich waren die wilden
Dunganen vorgedrungen, und es brauche, so ließ Sable sagen, nur des Er¬
scheinens eines Heeres aus Koran, und das Land liege zu den Füßen des
Chans, denn die mohammedanische Bevölkerung sei der buddhistischen Be¬
drückung nun überdrüssig. In Folge dessen zog Burzag Chan, der Beherrscher
Kokan's, durch den Terekpaß nach Kaschgar; Befehlshaber seines Heeres aber
war Jakub, auf den man große Hoffnungen gesetzt. Hatte er sich doch mit
den Russen gemessen, war er doch auch an Körperkraft allen andern überlegen!
Und Jakub rechtfertigte das in ihn gesetzte Vertrauen, die Chinesen mußten
bald das Land räumen, er selbst aber verstand es, sowohl Sable als seinen
Herrn, den Chan von Kokan, auf die Seite zu schieben und sich selbst zum
Herrscher Ostturkestan's zu machen. Nur ein kleines Häuflein Chinesen in der
Zitadelle von Jengi-Schehr hielt noch gegen ihn Stand, und schon vierzehn
Monate dauerte die Belagerung, als endlich die Lebensmittel ausgingen und
die Uebergabe unausbleiblich schien. Da flackerte noch einmal der chinesische
Muth auf. Der Anbau rief seine Offiziere zusammen und berieth mit ihnen
über die Kapitulation, wobei er, in seinem Lehnstuhle eine Pfeife schmauchend,


deren Eroberung dnrch die Russen nach unserm Autor einen der schwärzesten
Flecke in der russischen Militärgeschichte bildet. Boulger erzählt:
'

„Die Garnison von Ak Masdschid war sowohl mit Munition als mit
Lebensmitteln schlecht versehen, und die Werke selbst waren so elend gebaut,
daß sie europäischer Artillerie eigentlich keine vierundzwanzig Stunden wider¬
stehen konnten. Die Russen legten Laufgräben und Minen an, denen Jakub
indessen durch Kontreminen wirksam zu begegnen wußte. So hielt er die
Russen 26 Tage hin, während welcher Zeit die Festung stark beschossen wurde.
Der tapfere Kommandant hatte alles gethan, was die militärische Ehre ver¬
langte, und sandte, als er nicht mehr zu widerstehen vermochte, einen Parla¬
mentär zu den Russen, der seine Absicht ausdrückte, die Festung mit militärischen
Ehren übergeben zu wollen. General Perowsky empfing mit Ungeduld den
Parlamentär, dem er erklärte, Tags darauf die Festung durch Sturm nehmen
zu wollen. Diese Drohung, die bei der Sachlage ganz unnöthig war, wurde
auch ausgeführt. Perowsky konnte nun melden, daß die Festung erstürmt sei,
und sie erhielt nun seinen Namen."

Als im Jahre 1864 die Russen dann vor Taschkend» erschienen, stießen sie
wieder auf Jakub Beg, der ihnen im offenen Felde entgegenrückte, aber ge¬
schlagen wurde. Zu derselben Zeit, als Jaknb sich solchergestalt nicht unrühm¬
lich mit den Russen gemessen, traf von der fernen Landschaft Kuldscha ein
Bote beim Chan von Chiwa ein, gesandt vom Kirgisenfürsten Sable-Beg, der
Kunde brachte, daß es mit der Herrschaft der Chinesen in Ostturkestan zu Ende
ginge. Ueberall waren die Völker aufgestanden, siegreich waren die wilden
Dunganen vorgedrungen, und es brauche, so ließ Sable sagen, nur des Er¬
scheinens eines Heeres aus Koran, und das Land liege zu den Füßen des
Chans, denn die mohammedanische Bevölkerung sei der buddhistischen Be¬
drückung nun überdrüssig. In Folge dessen zog Burzag Chan, der Beherrscher
Kokan's, durch den Terekpaß nach Kaschgar; Befehlshaber seines Heeres aber
war Jakub, auf den man große Hoffnungen gesetzt. Hatte er sich doch mit
den Russen gemessen, war er doch auch an Körperkraft allen andern überlegen!
Und Jakub rechtfertigte das in ihn gesetzte Vertrauen, die Chinesen mußten
bald das Land räumen, er selbst aber verstand es, sowohl Sable als seinen
Herrn, den Chan von Kokan, auf die Seite zu schieben und sich selbst zum
Herrscher Ostturkestan's zu machen. Nur ein kleines Häuflein Chinesen in der
Zitadelle von Jengi-Schehr hielt noch gegen ihn Stand, und schon vierzehn
Monate dauerte die Belagerung, als endlich die Lebensmittel ausgingen und
die Uebergabe unausbleiblich schien. Da flackerte noch einmal der chinesische
Muth auf. Der Anbau rief seine Offiziere zusammen und berieth mit ihnen
über die Kapitulation, wobei er, in seinem Lehnstuhle eine Pfeife schmauchend,


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[0455] deren Eroberung dnrch die Russen nach unserm Autor einen der schwärzesten Flecke in der russischen Militärgeschichte bildet. Boulger erzählt: ' „Die Garnison von Ak Masdschid war sowohl mit Munition als mit Lebensmitteln schlecht versehen, und die Werke selbst waren so elend gebaut, daß sie europäischer Artillerie eigentlich keine vierundzwanzig Stunden wider¬ stehen konnten. Die Russen legten Laufgräben und Minen an, denen Jakub indessen durch Kontreminen wirksam zu begegnen wußte. So hielt er die Russen 26 Tage hin, während welcher Zeit die Festung stark beschossen wurde. Der tapfere Kommandant hatte alles gethan, was die militärische Ehre ver¬ langte, und sandte, als er nicht mehr zu widerstehen vermochte, einen Parla¬ mentär zu den Russen, der seine Absicht ausdrückte, die Festung mit militärischen Ehren übergeben zu wollen. General Perowsky empfing mit Ungeduld den Parlamentär, dem er erklärte, Tags darauf die Festung durch Sturm nehmen zu wollen. Diese Drohung, die bei der Sachlage ganz unnöthig war, wurde auch ausgeführt. Perowsky konnte nun melden, daß die Festung erstürmt sei, und sie erhielt nun seinen Namen." Als im Jahre 1864 die Russen dann vor Taschkend» erschienen, stießen sie wieder auf Jakub Beg, der ihnen im offenen Felde entgegenrückte, aber ge¬ schlagen wurde. Zu derselben Zeit, als Jaknb sich solchergestalt nicht unrühm¬ lich mit den Russen gemessen, traf von der fernen Landschaft Kuldscha ein Bote beim Chan von Chiwa ein, gesandt vom Kirgisenfürsten Sable-Beg, der Kunde brachte, daß es mit der Herrschaft der Chinesen in Ostturkestan zu Ende ginge. Ueberall waren die Völker aufgestanden, siegreich waren die wilden Dunganen vorgedrungen, und es brauche, so ließ Sable sagen, nur des Er¬ scheinens eines Heeres aus Koran, und das Land liege zu den Füßen des Chans, denn die mohammedanische Bevölkerung sei der buddhistischen Be¬ drückung nun überdrüssig. In Folge dessen zog Burzag Chan, der Beherrscher Kokan's, durch den Terekpaß nach Kaschgar; Befehlshaber seines Heeres aber war Jakub, auf den man große Hoffnungen gesetzt. Hatte er sich doch mit den Russen gemessen, war er doch auch an Körperkraft allen andern überlegen! Und Jakub rechtfertigte das in ihn gesetzte Vertrauen, die Chinesen mußten bald das Land räumen, er selbst aber verstand es, sowohl Sable als seinen Herrn, den Chan von Kokan, auf die Seite zu schieben und sich selbst zum Herrscher Ostturkestan's zu machen. Nur ein kleines Häuflein Chinesen in der Zitadelle von Jengi-Schehr hielt noch gegen ihn Stand, und schon vierzehn Monate dauerte die Belagerung, als endlich die Lebensmittel ausgingen und die Uebergabe unausbleiblich schien. Da flackerte noch einmal der chinesische Muth auf. Der Anbau rief seine Offiziere zusammen und berieth mit ihnen über die Kapitulation, wobei er, in seinem Lehnstuhle eine Pfeife schmauchend,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/455>, abgerufen am 23.07.2024.