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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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Schrecken verbreitet. Die schöne Königin Chaton von Buchara wurde zweimal
von ihnen in offener Feldschlacht besiegt, doch die Hauptstadt selbst vermochten
die Glaubensstürmer nicht zu nehmen. Erfolgreicher war ein anderer arabischer
Heerführer, Cataibah, der mit großer Macht über den Oxus zog, ganz Kasch-
garien mit Feuer und Schwert unterwarf, bis jenseits Kutscha vordrang und
die Eingeborenen z'ur Annahme des Islam zwang. Dies geschah in dem¬
selben Jahre (710), wo Tarik über die Straße von Gibraltar nach Spanien
zog und auch dort die Fahne des Propheten aufpflanzte. Seit jener Zeit,
also über ein Jahrtausend, herrscht der Islam in Turkestan, und er ist dort
noch so lebenskräftig, wie damals, als Satyr Baghra Chan ihn in Kaschgar zur
Landesreligion erklärte.

Ein anderer Sturm raste nun über Zentralasien hin. Die Kara Kitai,
ursprünglich sern im Osten am Amur angesessen, waren nach langen Wande¬
rungen in den westlichen Theil der heutigen Dsungarei gelangt, wo sie die
Stadt Ili oder Kuldscha, jetzt ein russisches Besitzthum, gründeten. Aus diesem
Stamme ging auch Auug Chan hervor, der -- neben manchem anderen der
Christenheit als "ErzPriester Johannes" bekannt wurde. Von seiner Hauptstadt
Urumtsi aus, wo er unter dem Titel'eines Gurchan oder "Herrn der Welt"
residirte, dehnte er die Herrschaft der Kara Kitai über ganz Turkestan aus, so
daß bis zum Aralsee hin alles Land ihm Unterthan war.

Zu derselben Zeit etwa, als die Kara Kitai nach der Dsungarei wanderten,
begannen die Mongolen als ein bestimmter Stamm aufzutreten, und unter
Dschengis Chan und seinen unmittelbaren Nachfolgern regierten sie über ganz
Asien, ausgenommen Indien und Arabien. Dschengis Chan, der gleichzeitig
in Polen und in China Krieg führte, war 1154 geboren und in seinem 33.
Jahre Herrscher seiner Horde geworden. Als der sarazenische Sultan von
Chowarezm (Chiwa) einen seiner Gesandten und einige mongolische Kaufleute
hatte hinrichten lassen, brach der furchtbare Heerführer, nachdem er in China
gesiegt, mit einem ungeheuren Heere über Turkestan herein. Buchara, Bates,
Samarkand und Chiwa, die schönsten, an arabischen Bauten reichen Städte
Asien's, wurden in Schutthaufen verwandelt, und noch jetzt, 700 Jahre nach
jenem Mongolenstnrme, zeugen Ruinen von jener furchtbaren Zerstörung. Nicht
vermochte der Hindukusch Dschengis-Chan's Fortschritte zu hemmen: Kabul,
Ghazni, Kandahar fielen, und nachdem der Gewaltige im Swat-Thale über¬
wintert, wo er Feldzugspläne gegen Indien schmiedete, zog er plötzlich nach
Ostturkestan ab, wohin ihn eine Rebellion rief. Durch den Baroghil-Paß ge¬
langte er nach Kaschgar und zeitig genug noch nach seiner Hauptstadt Kara-
korum, um die Revolution niederzuwerfen, die ihn von der Eroberung Indien's
abgezogen hatte. Unter denen, die dabei zu Grunde gingen, war auch jener


Grenzboti-n I. 1S7S. S7

Schrecken verbreitet. Die schöne Königin Chaton von Buchara wurde zweimal
von ihnen in offener Feldschlacht besiegt, doch die Hauptstadt selbst vermochten
die Glaubensstürmer nicht zu nehmen. Erfolgreicher war ein anderer arabischer
Heerführer, Cataibah, der mit großer Macht über den Oxus zog, ganz Kasch-
garien mit Feuer und Schwert unterwarf, bis jenseits Kutscha vordrang und
die Eingeborenen z'ur Annahme des Islam zwang. Dies geschah in dem¬
selben Jahre (710), wo Tarik über die Straße von Gibraltar nach Spanien
zog und auch dort die Fahne des Propheten aufpflanzte. Seit jener Zeit,
also über ein Jahrtausend, herrscht der Islam in Turkestan, und er ist dort
noch so lebenskräftig, wie damals, als Satyr Baghra Chan ihn in Kaschgar zur
Landesreligion erklärte.

Ein anderer Sturm raste nun über Zentralasien hin. Die Kara Kitai,
ursprünglich sern im Osten am Amur angesessen, waren nach langen Wande¬
rungen in den westlichen Theil der heutigen Dsungarei gelangt, wo sie die
Stadt Ili oder Kuldscha, jetzt ein russisches Besitzthum, gründeten. Aus diesem
Stamme ging auch Auug Chan hervor, der — neben manchem anderen der
Christenheit als „ErzPriester Johannes" bekannt wurde. Von seiner Hauptstadt
Urumtsi aus, wo er unter dem Titel'eines Gurchan oder „Herrn der Welt"
residirte, dehnte er die Herrschaft der Kara Kitai über ganz Turkestan aus, so
daß bis zum Aralsee hin alles Land ihm Unterthan war.

Zu derselben Zeit etwa, als die Kara Kitai nach der Dsungarei wanderten,
begannen die Mongolen als ein bestimmter Stamm aufzutreten, und unter
Dschengis Chan und seinen unmittelbaren Nachfolgern regierten sie über ganz
Asien, ausgenommen Indien und Arabien. Dschengis Chan, der gleichzeitig
in Polen und in China Krieg führte, war 1154 geboren und in seinem 33.
Jahre Herrscher seiner Horde geworden. Als der sarazenische Sultan von
Chowarezm (Chiwa) einen seiner Gesandten und einige mongolische Kaufleute
hatte hinrichten lassen, brach der furchtbare Heerführer, nachdem er in China
gesiegt, mit einem ungeheuren Heere über Turkestan herein. Buchara, Bates,
Samarkand und Chiwa, die schönsten, an arabischen Bauten reichen Städte
Asien's, wurden in Schutthaufen verwandelt, und noch jetzt, 700 Jahre nach
jenem Mongolenstnrme, zeugen Ruinen von jener furchtbaren Zerstörung. Nicht
vermochte der Hindukusch Dschengis-Chan's Fortschritte zu hemmen: Kabul,
Ghazni, Kandahar fielen, und nachdem der Gewaltige im Swat-Thale über¬
wintert, wo er Feldzugspläne gegen Indien schmiedete, zog er plötzlich nach
Ostturkestan ab, wohin ihn eine Rebellion rief. Durch den Baroghil-Paß ge¬
langte er nach Kaschgar und zeitig genug noch nach seiner Hauptstadt Kara-
korum, um die Revolution niederzuwerfen, die ihn von der Eroberung Indien's
abgezogen hatte. Unter denen, die dabei zu Grunde gingen, war auch jener


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[0453] Schrecken verbreitet. Die schöne Königin Chaton von Buchara wurde zweimal von ihnen in offener Feldschlacht besiegt, doch die Hauptstadt selbst vermochten die Glaubensstürmer nicht zu nehmen. Erfolgreicher war ein anderer arabischer Heerführer, Cataibah, der mit großer Macht über den Oxus zog, ganz Kasch- garien mit Feuer und Schwert unterwarf, bis jenseits Kutscha vordrang und die Eingeborenen z'ur Annahme des Islam zwang. Dies geschah in dem¬ selben Jahre (710), wo Tarik über die Straße von Gibraltar nach Spanien zog und auch dort die Fahne des Propheten aufpflanzte. Seit jener Zeit, also über ein Jahrtausend, herrscht der Islam in Turkestan, und er ist dort noch so lebenskräftig, wie damals, als Satyr Baghra Chan ihn in Kaschgar zur Landesreligion erklärte. Ein anderer Sturm raste nun über Zentralasien hin. Die Kara Kitai, ursprünglich sern im Osten am Amur angesessen, waren nach langen Wande¬ rungen in den westlichen Theil der heutigen Dsungarei gelangt, wo sie die Stadt Ili oder Kuldscha, jetzt ein russisches Besitzthum, gründeten. Aus diesem Stamme ging auch Auug Chan hervor, der — neben manchem anderen der Christenheit als „ErzPriester Johannes" bekannt wurde. Von seiner Hauptstadt Urumtsi aus, wo er unter dem Titel'eines Gurchan oder „Herrn der Welt" residirte, dehnte er die Herrschaft der Kara Kitai über ganz Turkestan aus, so daß bis zum Aralsee hin alles Land ihm Unterthan war. Zu derselben Zeit etwa, als die Kara Kitai nach der Dsungarei wanderten, begannen die Mongolen als ein bestimmter Stamm aufzutreten, und unter Dschengis Chan und seinen unmittelbaren Nachfolgern regierten sie über ganz Asien, ausgenommen Indien und Arabien. Dschengis Chan, der gleichzeitig in Polen und in China Krieg führte, war 1154 geboren und in seinem 33. Jahre Herrscher seiner Horde geworden. Als der sarazenische Sultan von Chowarezm (Chiwa) einen seiner Gesandten und einige mongolische Kaufleute hatte hinrichten lassen, brach der furchtbare Heerführer, nachdem er in China gesiegt, mit einem ungeheuren Heere über Turkestan herein. Buchara, Bates, Samarkand und Chiwa, die schönsten, an arabischen Bauten reichen Städte Asien's, wurden in Schutthaufen verwandelt, und noch jetzt, 700 Jahre nach jenem Mongolenstnrme, zeugen Ruinen von jener furchtbaren Zerstörung. Nicht vermochte der Hindukusch Dschengis-Chan's Fortschritte zu hemmen: Kabul, Ghazni, Kandahar fielen, und nachdem der Gewaltige im Swat-Thale über¬ wintert, wo er Feldzugspläne gegen Indien schmiedete, zog er plötzlich nach Ostturkestan ab, wohin ihn eine Rebellion rief. Durch den Baroghil-Paß ge¬ langte er nach Kaschgar und zeitig genug noch nach seiner Hauptstadt Kara- korum, um die Revolution niederzuwerfen, die ihn von der Eroberung Indien's abgezogen hatte. Unter denen, die dabei zu Grunde gingen, war auch jener Grenzboti-n I. 1S7S. S7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/453>, abgerufen am 23.07.2024.