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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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zuziehen und die bereits immatrikulirten Schüler lieber auf öffentliche Kosten
an einem anderen Orte ihre Studien beendigen zu lassen: der Fall der Auf¬
hebung einer Stelle ist gesetzlich vorhergesehen, und nichts hindert, die besseren
Lehrkräfte einer solchen aufgehobenen Abtheilung sogleich zu versetzen oder später
wieder zu verwenden.

Die Tüchtigkeit der Lehrer im italienischen Dienste im allgemeinen, nicht
nur in den Realschulen, ist sehr ungleich. Wer die Verhältnisse kennt, weiß,
daß in den ersten Jahren der Neubegründung des italienischen Staates mancher
Patriot an der Schule angestellt worden ist, nur weil man keine andere Ver¬
sorgung für ihn hatte. Warum das Personal an Staats- dem an Privat-
Anstalten lehrenden überlegen sein muß, braucht nicht nachgewiesen zu werden.
Da hier zu Lande niemals nach dem politischen und religiösen Bekenntniß des
Lehrers gefragt wird, fo hat der Einzelne noch weniger Ursache als anderswo,
sich in die direktere Abhängigkeit von den Provinzial- und Gemeinde-Behörden
zu begeben, welche überdies schlechter bezahlen als der Staat. Wichtig für den
Gang und die Leistungen der Institute ist der leidige Umstand, daß, während
an 116 Abtheilungen königlicher Institute 634 Lehrer, an den 86 anderen nur
360 angestellt sind. Da in der italienischen Realschule der ganze Unterricht
auf das Fachlehrersystem eingerichtet ist, haben die nicht-königlichen Institute
den Nachtheil, daß an ihnen zu viele Fächer von einem und demselben Lehrer
gelehrt werden. Dagegen wollen wir nicht verschweigen, daß auch an den
staatlichen Instituten viele Kräfte wirken, die noch an anderen öffentlichen
Schulen und zwar durchaus nicht immer das gleiche Fach wie im Institute
lehren. Wenn wir aus dem Lektionskatalog ersehen, daß es Lehrer mit drei
Stunden wöchentlich gibt, und wenn wir erwägen, daß, abgesehen von den
Großstädten, wo Parallelklassen eingerichtet werden mußten, und die betreffenden
Lehrer Gelegenheit zu "Ueberstnnden" haben, die Lehrer der Mathematik, der
Sprachen u. s. w. viel weniger Unterrichtsstunden haben als die in Deutschland
und doch mit ihrer Besoldung unmöglich auskommen können, so verstehen wir
sowohl die Uebertragung mehrerer Unterrichtsfächer an einen und denselben
Lehrer, als die Verwendung der Lehrer an verschiedenen Anstalten.

Die königlichen Institute haben 3 Klassen von xrotsssorl titolari (ordent¬
liche Lehrer), die durch königliches, und 3 Klassen xroüzssvri rsMQti (außer¬
ordentliche Lehrer), die durch ministerielles Dekret ernannt werden. Die pro¬
visorisch angestellten Lehrer, wearioati, sollen im Verhältniß zu den wöchentlichen
Unterrichtsstunden und der Wichtigkeit des Lehrfaches bezahlt werden. Charak¬
teristisch ist es, daß die besseren Stellen nur sehr langsam ausgefüllt werden,
daß es z. B. im verflossenen Schuljahre statt 490 nur 314 titol-n-i und statt
24 me-MioM deren 137 gab. Wenn auch ein Theil der provisorisch enge-


zuziehen und die bereits immatrikulirten Schüler lieber auf öffentliche Kosten
an einem anderen Orte ihre Studien beendigen zu lassen: der Fall der Auf¬
hebung einer Stelle ist gesetzlich vorhergesehen, und nichts hindert, die besseren
Lehrkräfte einer solchen aufgehobenen Abtheilung sogleich zu versetzen oder später
wieder zu verwenden.

Die Tüchtigkeit der Lehrer im italienischen Dienste im allgemeinen, nicht
nur in den Realschulen, ist sehr ungleich. Wer die Verhältnisse kennt, weiß,
daß in den ersten Jahren der Neubegründung des italienischen Staates mancher
Patriot an der Schule angestellt worden ist, nur weil man keine andere Ver¬
sorgung für ihn hatte. Warum das Personal an Staats- dem an Privat-
Anstalten lehrenden überlegen sein muß, braucht nicht nachgewiesen zu werden.
Da hier zu Lande niemals nach dem politischen und religiösen Bekenntniß des
Lehrers gefragt wird, fo hat der Einzelne noch weniger Ursache als anderswo,
sich in die direktere Abhängigkeit von den Provinzial- und Gemeinde-Behörden
zu begeben, welche überdies schlechter bezahlen als der Staat. Wichtig für den
Gang und die Leistungen der Institute ist der leidige Umstand, daß, während
an 116 Abtheilungen königlicher Institute 634 Lehrer, an den 86 anderen nur
360 angestellt sind. Da in der italienischen Realschule der ganze Unterricht
auf das Fachlehrersystem eingerichtet ist, haben die nicht-königlichen Institute
den Nachtheil, daß an ihnen zu viele Fächer von einem und demselben Lehrer
gelehrt werden. Dagegen wollen wir nicht verschweigen, daß auch an den
staatlichen Instituten viele Kräfte wirken, die noch an anderen öffentlichen
Schulen und zwar durchaus nicht immer das gleiche Fach wie im Institute
lehren. Wenn wir aus dem Lektionskatalog ersehen, daß es Lehrer mit drei
Stunden wöchentlich gibt, und wenn wir erwägen, daß, abgesehen von den
Großstädten, wo Parallelklassen eingerichtet werden mußten, und die betreffenden
Lehrer Gelegenheit zu „Ueberstnnden" haben, die Lehrer der Mathematik, der
Sprachen u. s. w. viel weniger Unterrichtsstunden haben als die in Deutschland
und doch mit ihrer Besoldung unmöglich auskommen können, so verstehen wir
sowohl die Uebertragung mehrerer Unterrichtsfächer an einen und denselben
Lehrer, als die Verwendung der Lehrer an verschiedenen Anstalten.

Die königlichen Institute haben 3 Klassen von xrotsssorl titolari (ordent¬
liche Lehrer), die durch königliches, und 3 Klassen xroüzssvri rsMQti (außer¬
ordentliche Lehrer), die durch ministerielles Dekret ernannt werden. Die pro¬
visorisch angestellten Lehrer, wearioati, sollen im Verhältniß zu den wöchentlichen
Unterrichtsstunden und der Wichtigkeit des Lehrfaches bezahlt werden. Charak¬
teristisch ist es, daß die besseren Stellen nur sehr langsam ausgefüllt werden,
daß es z. B. im verflossenen Schuljahre statt 490 nur 314 titol-n-i und statt
24 me-MioM deren 137 gab. Wenn auch ein Theil der provisorisch enge-


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[0435] zuziehen und die bereits immatrikulirten Schüler lieber auf öffentliche Kosten an einem anderen Orte ihre Studien beendigen zu lassen: der Fall der Auf¬ hebung einer Stelle ist gesetzlich vorhergesehen, und nichts hindert, die besseren Lehrkräfte einer solchen aufgehobenen Abtheilung sogleich zu versetzen oder später wieder zu verwenden. Die Tüchtigkeit der Lehrer im italienischen Dienste im allgemeinen, nicht nur in den Realschulen, ist sehr ungleich. Wer die Verhältnisse kennt, weiß, daß in den ersten Jahren der Neubegründung des italienischen Staates mancher Patriot an der Schule angestellt worden ist, nur weil man keine andere Ver¬ sorgung für ihn hatte. Warum das Personal an Staats- dem an Privat- Anstalten lehrenden überlegen sein muß, braucht nicht nachgewiesen zu werden. Da hier zu Lande niemals nach dem politischen und religiösen Bekenntniß des Lehrers gefragt wird, fo hat der Einzelne noch weniger Ursache als anderswo, sich in die direktere Abhängigkeit von den Provinzial- und Gemeinde-Behörden zu begeben, welche überdies schlechter bezahlen als der Staat. Wichtig für den Gang und die Leistungen der Institute ist der leidige Umstand, daß, während an 116 Abtheilungen königlicher Institute 634 Lehrer, an den 86 anderen nur 360 angestellt sind. Da in der italienischen Realschule der ganze Unterricht auf das Fachlehrersystem eingerichtet ist, haben die nicht-königlichen Institute den Nachtheil, daß an ihnen zu viele Fächer von einem und demselben Lehrer gelehrt werden. Dagegen wollen wir nicht verschweigen, daß auch an den staatlichen Instituten viele Kräfte wirken, die noch an anderen öffentlichen Schulen und zwar durchaus nicht immer das gleiche Fach wie im Institute lehren. Wenn wir aus dem Lektionskatalog ersehen, daß es Lehrer mit drei Stunden wöchentlich gibt, und wenn wir erwägen, daß, abgesehen von den Großstädten, wo Parallelklassen eingerichtet werden mußten, und die betreffenden Lehrer Gelegenheit zu „Ueberstnnden" haben, die Lehrer der Mathematik, der Sprachen u. s. w. viel weniger Unterrichtsstunden haben als die in Deutschland und doch mit ihrer Besoldung unmöglich auskommen können, so verstehen wir sowohl die Uebertragung mehrerer Unterrichtsfächer an einen und denselben Lehrer, als die Verwendung der Lehrer an verschiedenen Anstalten. Die königlichen Institute haben 3 Klassen von xrotsssorl titolari (ordent¬ liche Lehrer), die durch königliches, und 3 Klassen xroüzssvri rsMQti (außer¬ ordentliche Lehrer), die durch ministerielles Dekret ernannt werden. Die pro¬ visorisch angestellten Lehrer, wearioati, sollen im Verhältniß zu den wöchentlichen Unterrichtsstunden und der Wichtigkeit des Lehrfaches bezahlt werden. Charak¬ teristisch ist es, daß die besseren Stellen nur sehr langsam ausgefüllt werden, daß es z. B. im verflossenen Schuljahre statt 490 nur 314 titol-n-i und statt 24 me-MioM deren 137 gab. Wenn auch ein Theil der provisorisch enge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/435>, abgerufen am 23.07.2024.