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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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waldiges Echo gaben, war nichts als eine von Gortschakoff und Gontaut er¬
sonnene Intrigue. Sie war im EinVerständniß zwischen Gontaut und Gort¬
schakoff entstanden, den es eifrig nach Lobspenden von Seiten der französischen
Zeitungen verlangte, und der gern als der Retter Frankreich's gepriesen sein
wollte. Sie hatten die Sache so eingerichtet, daß sie gerade am Tage des
Eintreffens des Czaren losplatzen sollte, der als Gott mit dem Hnos s^o zu
erscheinen und durch sein bloßes Erscheinen Frankreich Sicherheit, Europa
Frieden und Deutschland Ehre zu bringen bestimmt war. Nie habe ich einen
Staatsmann unüberlegter handeln, aus bloßer Eitelkeit eine Freundschaft
zwischen zwei Regierungen gefährden und sich selbst den ernstesten Folgen aus¬
setzen sehen, um in der Rolle eines Retters auftreten zu können. Als keine
Gefahr mehr vorhanden war, sagte ich zu Gortschakoff: ,Wenn Sie so große
Lust haben, von den Franzosen vergöttert zu werden, so haben wir noch Kredit
genug in Paris, um im Stande zu sein, Sie in einem Theater in mytholo¬
gischen Kostüme mit Flügeln an den Schulterblättern und umstrahlt von
bengalischen Feuer erscheinen zu lassen. Es war wirklich nicht der Mühe
werth, uns als Bösewichte hinzumalen, blos um ein Rundschreiben erlassen
zu können/ Dieses vielberufene Rundschreiben begann übrigens mit den
Worten: Jetzt ist der Friede gesichert, und als ich mich über diese Phrase be¬
schwerte, die alle beunruhigenden Gerüchte bestätigt haben würde, wurde sie in:
Jetzt ist die Erhaltung des Friedens gesichert, abgeändert, was nicht viel
weniger besagte. Ich bemerkte dem russischen Kanzler: Sie werden sicherlich
uicht viel Anlaß haben, sich Glück zu wünschen wegen dessen, was Sie gethan
haben, als Sie den Verlust unserer Freundschaft um einer leeren Genugthuung
willen wagten. Ich bemerke Ihnen aber offen, daß ich Freunden ein guter
Freund und Feinden ein guter Feind bin!"

Wir wenden uns schließlich zu der häufig wiederkehrenden Behauptung
der unter dem Einflüsse des russischen Reichskanzlers stehenden Blätter, Preußen
und Deutschland seien Rußland Dank schuldig und nicht geneigt, denselben ab¬
zutragen. Ein Hinblick auf die Geschichte der letzten sieben Jahrzehnte möge
zeigen, wie es mit unserem Soll und Haben gegenüber der russischen Politik
in Wahrheit steht.

Unvergessen ist, wie diese Politik in den Jahren kurz vor 1806 und beim
Frieden von Tilsit verfuhr. Bald mit Bonaparte befreundet, bald mit ihm
entzweit, erst mit Frankreich thätig zur Theilung Deuschland's, dann wieder
die treibende Kraft in der Koalition von 1805, immer mit großen Worten bei
der Hand und doch allezeit mit unzulänglichen Mitteln helfend, war sie stets,
wie auch die Farbe wechseln mochte, voll ungeduldiger Herrsch- und Eroberungs¬
sucht, begierig nach Einfluß, Vorrang und Vortheil, und schloß sie zuletzt, als


waldiges Echo gaben, war nichts als eine von Gortschakoff und Gontaut er¬
sonnene Intrigue. Sie war im EinVerständniß zwischen Gontaut und Gort¬
schakoff entstanden, den es eifrig nach Lobspenden von Seiten der französischen
Zeitungen verlangte, und der gern als der Retter Frankreich's gepriesen sein
wollte. Sie hatten die Sache so eingerichtet, daß sie gerade am Tage des
Eintreffens des Czaren losplatzen sollte, der als Gott mit dem Hnos s^o zu
erscheinen und durch sein bloßes Erscheinen Frankreich Sicherheit, Europa
Frieden und Deutschland Ehre zu bringen bestimmt war. Nie habe ich einen
Staatsmann unüberlegter handeln, aus bloßer Eitelkeit eine Freundschaft
zwischen zwei Regierungen gefährden und sich selbst den ernstesten Folgen aus¬
setzen sehen, um in der Rolle eines Retters auftreten zu können. Als keine
Gefahr mehr vorhanden war, sagte ich zu Gortschakoff: ,Wenn Sie so große
Lust haben, von den Franzosen vergöttert zu werden, so haben wir noch Kredit
genug in Paris, um im Stande zu sein, Sie in einem Theater in mytholo¬
gischen Kostüme mit Flügeln an den Schulterblättern und umstrahlt von
bengalischen Feuer erscheinen zu lassen. Es war wirklich nicht der Mühe
werth, uns als Bösewichte hinzumalen, blos um ein Rundschreiben erlassen
zu können/ Dieses vielberufene Rundschreiben begann übrigens mit den
Worten: Jetzt ist der Friede gesichert, und als ich mich über diese Phrase be¬
schwerte, die alle beunruhigenden Gerüchte bestätigt haben würde, wurde sie in:
Jetzt ist die Erhaltung des Friedens gesichert, abgeändert, was nicht viel
weniger besagte. Ich bemerkte dem russischen Kanzler: Sie werden sicherlich
uicht viel Anlaß haben, sich Glück zu wünschen wegen dessen, was Sie gethan
haben, als Sie den Verlust unserer Freundschaft um einer leeren Genugthuung
willen wagten. Ich bemerke Ihnen aber offen, daß ich Freunden ein guter
Freund und Feinden ein guter Feind bin!"

Wir wenden uns schließlich zu der häufig wiederkehrenden Behauptung
der unter dem Einflüsse des russischen Reichskanzlers stehenden Blätter, Preußen
und Deutschland seien Rußland Dank schuldig und nicht geneigt, denselben ab¬
zutragen. Ein Hinblick auf die Geschichte der letzten sieben Jahrzehnte möge
zeigen, wie es mit unserem Soll und Haben gegenüber der russischen Politik
in Wahrheit steht.

Unvergessen ist, wie diese Politik in den Jahren kurz vor 1806 und beim
Frieden von Tilsit verfuhr. Bald mit Bonaparte befreundet, bald mit ihm
entzweit, erst mit Frankreich thätig zur Theilung Deuschland's, dann wieder
die treibende Kraft in der Koalition von 1805, immer mit großen Worten bei
der Hand und doch allezeit mit unzulänglichen Mitteln helfend, war sie stets,
wie auch die Farbe wechseln mochte, voll ungeduldiger Herrsch- und Eroberungs¬
sucht, begierig nach Einfluß, Vorrang und Vortheil, und schloß sie zuletzt, als


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/427>, abgerufen am 23.07.2024.