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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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nahmen, auf 62 Millionen reduzirt -- müssen als bewegliches, der souveränen
Parlamentsbewilligung unterworfenes Einnahme-Element erhalten bleiben. Noch
nothwendiger aber ist ihre Erhaltung für die Selbständigkeit der Mittelstaaten.
Er "legt auf die Erhaltung selbständiger Mittelstaaten in der Entwickelung
Deutschland's einen hohen Werth". Natürlich wird diese Selbständigkeit, aus
deren Mitteln das Reich subventionirt wird, unter dem nächsten Kanzler der
selbständigen Reichsgewalt ein Ende machen. Es ist doch sehr dankenswert!),
daß Falstaff seine Garde endlich offen unter das Banner des Partikularismus
reiht. Jetzt wendet er sich gegen die neuen Zölle, von denen verlautet, daß
sie im Vorschlag sind. 25 Pfennige Zoll auf Weizen und Roggen bringt eine
Vertheuerung von 45 Millionen Mark hervor, wobei nur 5 Millionen Zoll
einkommen. Jetzt bringt er den Beweis: "Was wird ohne Vertheuerung des
ganzen Getreides der Zoll dem inländischen Landwirthe nutzen? Entweder ist
die Behauptung von dem Nutzen unwahr, oder die Behauptung von der all¬
gemeinen Vertheuerung ist richtig." Wir entgegnen diesem Argument, daß der
Getreidezoll zunächst als Finanzzoll gedacht ist, daß er aber auch als Schutzzoll
sehr vortheilhaft wirkt, wenn er dem inländischen Getreideproduzenten den Absatz
wenigstens bei den bisherigen Preisen sichert. Jetzt kommen die "Kerle in Steif¬
leinen" wieder. Eine Familie braucht jährlich zwanzig Zentner Brodgetreide,
macht bei 25 Pfennigen Aufschlag fünf Mark Belastung. Mit 5 Millionen
Getreidezoll könnte man den Steuerzahler der untersten Stufe in Preußen nur
um eine Mark entlasten, also tauscht er gegen die jetzige Belastung die fünf¬
fache ein. Jetzt schwillt die Zahl der "Kerle in Steifleinen" an. Durch 70
Millionen Mark Zölle vertheuert man die betroffenen Artikel im Lande um
700 Millionen. Aber die 70 Millionen reichen nicht einmal aus, die Aus¬
gabe-Erhöhung bei den Artikeln zu decken, für welche der Staat Hauptkonsument
ist. Noch schlechter als der Staat fährt der Landwirth, noch schlechter als der
Landwirth der Beamte, Rentier, Künstler, Schriftsteller u. f. w., denen Schutz¬
zölle überhaupt nichts nützen, weil ihre Arbeit durch die ausländische Kon¬
kurrenz nicht gedrückt werden kann. Da müssen wir fragen, was der Beamte
anfängt, wenn die Zahlungsfähigkeit des Staates abnimmt oder aufhört? Unser
Falstaff will wohl den preußischen Beamten das Schicksal der türkischen und
einiger anderen bereiten, die auf Bestechung angewiesen sind? Jetzt greift er
den Fürsten an, der gesagt hatte, man habe ihm den Plan, die Zölle auf wenige
einträgliche Artikel zu beschränken, vereitelt. Das war gesagt, um die Gegner
zu erinnern, daß sie kein Recht zur Klage haben, daß der Fürst seinen Plan
aufgegeben. Es sollte nicht heißen, daß der frühere Plan unter den jetzigen
Umständen uoch annehmbar oder gar der bessere sei. Aber Falstaff fragt, was
der Kanzler den Landwirthen geantwortet haben würde, wenn man ihm den


nahmen, auf 62 Millionen reduzirt — müssen als bewegliches, der souveränen
Parlamentsbewilligung unterworfenes Einnahme-Element erhalten bleiben. Noch
nothwendiger aber ist ihre Erhaltung für die Selbständigkeit der Mittelstaaten.
Er „legt auf die Erhaltung selbständiger Mittelstaaten in der Entwickelung
Deutschland's einen hohen Werth". Natürlich wird diese Selbständigkeit, aus
deren Mitteln das Reich subventionirt wird, unter dem nächsten Kanzler der
selbständigen Reichsgewalt ein Ende machen. Es ist doch sehr dankenswert!),
daß Falstaff seine Garde endlich offen unter das Banner des Partikularismus
reiht. Jetzt wendet er sich gegen die neuen Zölle, von denen verlautet, daß
sie im Vorschlag sind. 25 Pfennige Zoll auf Weizen und Roggen bringt eine
Vertheuerung von 45 Millionen Mark hervor, wobei nur 5 Millionen Zoll
einkommen. Jetzt bringt er den Beweis: „Was wird ohne Vertheuerung des
ganzen Getreides der Zoll dem inländischen Landwirthe nutzen? Entweder ist
die Behauptung von dem Nutzen unwahr, oder die Behauptung von der all¬
gemeinen Vertheuerung ist richtig." Wir entgegnen diesem Argument, daß der
Getreidezoll zunächst als Finanzzoll gedacht ist, daß er aber auch als Schutzzoll
sehr vortheilhaft wirkt, wenn er dem inländischen Getreideproduzenten den Absatz
wenigstens bei den bisherigen Preisen sichert. Jetzt kommen die „Kerle in Steif¬
leinen" wieder. Eine Familie braucht jährlich zwanzig Zentner Brodgetreide,
macht bei 25 Pfennigen Aufschlag fünf Mark Belastung. Mit 5 Millionen
Getreidezoll könnte man den Steuerzahler der untersten Stufe in Preußen nur
um eine Mark entlasten, also tauscht er gegen die jetzige Belastung die fünf¬
fache ein. Jetzt schwillt die Zahl der „Kerle in Steifleinen" an. Durch 70
Millionen Mark Zölle vertheuert man die betroffenen Artikel im Lande um
700 Millionen. Aber die 70 Millionen reichen nicht einmal aus, die Aus¬
gabe-Erhöhung bei den Artikeln zu decken, für welche der Staat Hauptkonsument
ist. Noch schlechter als der Staat fährt der Landwirth, noch schlechter als der
Landwirth der Beamte, Rentier, Künstler, Schriftsteller u. f. w., denen Schutz¬
zölle überhaupt nichts nützen, weil ihre Arbeit durch die ausländische Kon¬
kurrenz nicht gedrückt werden kann. Da müssen wir fragen, was der Beamte
anfängt, wenn die Zahlungsfähigkeit des Staates abnimmt oder aufhört? Unser
Falstaff will wohl den preußischen Beamten das Schicksal der türkischen und
einiger anderen bereiten, die auf Bestechung angewiesen sind? Jetzt greift er
den Fürsten an, der gesagt hatte, man habe ihm den Plan, die Zölle auf wenige
einträgliche Artikel zu beschränken, vereitelt. Das war gesagt, um die Gegner
zu erinnern, daß sie kein Recht zur Klage haben, daß der Fürst seinen Plan
aufgegeben. Es sollte nicht heißen, daß der frühere Plan unter den jetzigen
Umständen uoch annehmbar oder gar der bessere sei. Aber Falstaff fragt, was
der Kanzler den Landwirthen geantwortet haben würde, wenn man ihm den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/418>, abgerufen am 25.08.2024.