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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal.

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und verderblichen Beziehungen zum Feuer darstellen. Dem Hannover'schen Kunst¬
freunde ging es schon damals, wie heute vielen Leuten, die noch so naiv sind,
die Kunst für einen heiligen Tempelbezirk und nicht für einen Tummelplatz
eigenwilliger Launen und wüster Bizarrerieen zu halten. Er war mit dieser
modernen "Farbenmusik" nicht einverstanden und machte dem Maler allerlei
Schwierigkeiten, die erst durch einen Prozeß zu Gunsten des Malers beseitigt
wurden. Er war das zweite Glied in der Reihe der Besteller, die mit Böcklin
übel gefahren sind. Das erste war, wie Pecht erzählt, eine römische Dame, die
angeblich an der "echt heidnischen Unbefangenheit" Anstoß nahm, mit welcher
Böcklin eine Nymphe gemalt hatte, die von einem Satyr durch ein Gewässer
entführt wird. Das neueste Opfer Böcklin'scher Laune oder "Genialität" ist,
wie wir am Ende sehen werden, die Berliner Nationalgalerie gewesen.

Nach einem kurzen Aufenthalt in München, wo er zum ersten Male ein
Bild zur öffentlichen Ausstellung brachte und zugleich die Aufmerksamkeit seines
Hauptprotektors, des Grafen von Schack, erregte, folgte er im Jahre 1858 mit
Lenbach, Ramberg und dem Bildhauer Reinhold Begas einem Rufe als Lehrer
an die Kunstschule nach Weimar.

Es kann nicht unsere Absicht sein, die ganze Reihe der Böcklin'schen Bilder
-- uns sind etwa vierzig bekannt, ungerechnet die Porträts -- hier Revue
passiren zu lassen. Abgesehen davon, daß sich die Motive derselben in einem
ziemlich kleinen Kreise bewegen, in dem des Bacchus und der Diana, und daß
mithin eine Schilderung derselben an einer großen Einförmigkeit leiden würde,
ist Böcklin erst im Anfang der siebziger Jahre dem deutschen Publikum be¬
kannter geworden, als die Sitte der Bilderwanderungen durch die Kunstaus¬
stellungen der Hauptstädte Deutschland's weiter um sich griff. Doch wollen
wir aus der Weimarer Zeit wenigstens ein Bild erwähnen, das Schloß am
Meer, ein phantastisches Bauwerk auf einem kolossalen Felsen, an dessen Fuß
sich der brausende Gischt des Meeres bricht. Maurische Seeräuber haben das
Schloß beim Morgengrauen überfallen, die Frauen und die Schätze geraubt
und streben mit der Beute auf steilem Pfade ihrem am Ufer harrenden Fahrzeuge
zu. Im Jahre 1873 wiederholte Böcklin dieses Motiv noch einmal. Aber in¬
zwischen war er schon zu der Einsicht gelangt, daß es stärkerer Reizmittel be¬
dürfe, um sich Geltung und Ansehen zu verschaffen. Da ließ er das Schloß
in Flammen aufgehen, die ihre lodernde Gluth auf den Felsen, das Meer und
die davoneilenden Räuber warfen. Leider erhielt das Bild dadurch einen un¬
angenehmen branstigen Ton, und es gab sogar unbefangene Beschauer, die, als
das Gemälde im Dezember 1876 mit der Galerie eines den Stürmen der Zeit
unterlegenen Finanzmannes öffentlich versteigert wurde, nichts als rothe, blaue


und verderblichen Beziehungen zum Feuer darstellen. Dem Hannover'schen Kunst¬
freunde ging es schon damals, wie heute vielen Leuten, die noch so naiv sind,
die Kunst für einen heiligen Tempelbezirk und nicht für einen Tummelplatz
eigenwilliger Launen und wüster Bizarrerieen zu halten. Er war mit dieser
modernen „Farbenmusik" nicht einverstanden und machte dem Maler allerlei
Schwierigkeiten, die erst durch einen Prozeß zu Gunsten des Malers beseitigt
wurden. Er war das zweite Glied in der Reihe der Besteller, die mit Böcklin
übel gefahren sind. Das erste war, wie Pecht erzählt, eine römische Dame, die
angeblich an der „echt heidnischen Unbefangenheit" Anstoß nahm, mit welcher
Böcklin eine Nymphe gemalt hatte, die von einem Satyr durch ein Gewässer
entführt wird. Das neueste Opfer Böcklin'scher Laune oder „Genialität" ist,
wie wir am Ende sehen werden, die Berliner Nationalgalerie gewesen.

Nach einem kurzen Aufenthalt in München, wo er zum ersten Male ein
Bild zur öffentlichen Ausstellung brachte und zugleich die Aufmerksamkeit seines
Hauptprotektors, des Grafen von Schack, erregte, folgte er im Jahre 1858 mit
Lenbach, Ramberg und dem Bildhauer Reinhold Begas einem Rufe als Lehrer
an die Kunstschule nach Weimar.

Es kann nicht unsere Absicht sein, die ganze Reihe der Böcklin'schen Bilder
— uns sind etwa vierzig bekannt, ungerechnet die Porträts — hier Revue
passiren zu lassen. Abgesehen davon, daß sich die Motive derselben in einem
ziemlich kleinen Kreise bewegen, in dem des Bacchus und der Diana, und daß
mithin eine Schilderung derselben an einer großen Einförmigkeit leiden würde,
ist Böcklin erst im Anfang der siebziger Jahre dem deutschen Publikum be¬
kannter geworden, als die Sitte der Bilderwanderungen durch die Kunstaus¬
stellungen der Hauptstädte Deutschland's weiter um sich griff. Doch wollen
wir aus der Weimarer Zeit wenigstens ein Bild erwähnen, das Schloß am
Meer, ein phantastisches Bauwerk auf einem kolossalen Felsen, an dessen Fuß
sich der brausende Gischt des Meeres bricht. Maurische Seeräuber haben das
Schloß beim Morgengrauen überfallen, die Frauen und die Schätze geraubt
und streben mit der Beute auf steilem Pfade ihrem am Ufer harrenden Fahrzeuge
zu. Im Jahre 1873 wiederholte Böcklin dieses Motiv noch einmal. Aber in¬
zwischen war er schon zu der Einsicht gelangt, daß es stärkerer Reizmittel be¬
dürfe, um sich Geltung und Ansehen zu verschaffen. Da ließ er das Schloß
in Flammen aufgehen, die ihre lodernde Gluth auf den Felsen, das Meer und
die davoneilenden Räuber warfen. Leider erhielt das Bild dadurch einen un¬
angenehmen branstigen Ton, und es gab sogar unbefangene Beschauer, die, als
das Gemälde im Dezember 1876 mit der Galerie eines den Stürmen der Zeit
unterlegenen Finanzmannes öffentlich versteigert wurde, nichts als rothe, blaue


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_141412/400>, abgerufen am 26.08.2024.